Bereits eine Vielzahl von Medienberichten haben in den letzten Tagen von einer größeren körperlichen Auseinandersetzung vergangenen Samstag an der Schlachte berichtet. Überwogen zuerst vollständige Unkenntnis und Ratlosigkeit, gab es zuletzt erste Gerüchte in der Presse über eine an der Auseinandersetzung beteiligte, den Medien bisher unbekannte, Nazi-Gruppe aus Bremen.
Die beiden Journalist*inneen Andreas Speit und Andrea Röpke haben heute den unten folgenden Artikel in der taz veröffentlicht. Den Gerüchten tritt er mit Hintergrundwissen entgegen.
Wir möchten euch ansonsten bitten weitere öffentliche Mutmaßungen – das schließt explizit soziale Medien wie Facebook, twitter, Instagram und co. ein – nicht nur über den Vorfall am Wochenende dringend zu unterlassen. Ebenfalls bitten wir euch ab sofort eure Erkenntnisse,
Fotos, Screenshots etc. über den Nazihaufen nicht mehr öffentlich zu verbreiten. Solltet ihr Informationen, Fotos oder ähnliches haben von denen ihr glaubt das sie wichtig sein könnten, könnt ihr sie gerne per mail uns zukommen lassen: kontakt[ät]basisgruppe-antifa.org. Auf unserer homepage basisgruppe-antifa.org findet ihr auch ein verschlüsseltes Kontaktformular.
Bitte bedenkt: Nicht nur freundliche Antifaschist*innen nutzen das Internet. Mit der ungerichteten Veröffentlichung von Materialien kann es auch sein das ihr Nazis nützt, weil ihr ihnen zum Beispiel etwas über euch und eure Methoden verratet ohne das ihr es wolltet.
kopiert aus der taz
Rechte schlagen in Bremen zu
Rechte Gruppe „Phalanx 18“ greift Menschen im Viertel an. Später kommt es zu Schlägerei an der Schlachte. Älteres Foto zeigt Anhänger mit AfD-Vorstand
Von „Phalanx 18“ verbreitetes Gruppenbild: Pose im alternativen SteintorviertelDer Name der neuen Gruppe an der Weser ist Programm: „Phalanx 18“. Am Samstagabend griffen Anhänger der selbst ernannten „Schlachtreihe Adolf Hitler“ im Bremer Viertel drei politische Gegner an und traten einem am Boden Liegenden ins Gesicht.
In einer ersten Mitteilung über den Vorfall erwähnt die Bremer Polizei den politischen Hintergrund nicht. Sie spricht lediglich von einer „unbekannten Personengruppe“, die vor einer Lokalität „randalierte“, wobei „mehrere Personen“ verletzt worden seien. Auf Nachfragen der taz sagte die Polizeipressesprecherin nur, dass „Hinweise eingegangen“ seien und die Ermittlungen noch andauerten.
In der besagten Nacht des 5. Oktobers waren zunächst etwa zehn Rechtsextreme in der „Steintor Schänke“ aufgetaucht. Die Szene-Kneipe liegt mitten im alternativen Viertel. Zeugen berichten, die Rechten seien aus der 24-Stunden-Kneipe rausgeschmissen worden. Auf der Straße hätten die Männer rassistische Sprüche skandiert und Sticker mit dem Aufdruck „Phalanx 18“ verklebt.
Rechte prahlen mit Provokation
Die Provokation hat die Gruppen offensichtlich erfreut. Über Messenger verbreiteten sie: „Erster Rauswurf … Schänke Verbot. Wir bösen Nazis“, verziert mit drei breit lachenden Emojis. Ein Bild von Adolf Hitler posteten sie mit dem Kommentar: „Stabile Gruppe … Gemeinsam Stark“. Im nächsten Post prahlt der User „Michael Bremen“ mit dem Angriff: „Sind jetzt gerade weg aus dem Viertel … Feindkontakt gehabt und SIE sind gelaufen … Am Sielwall … Mission erfolgreich erledigt“.
Am Sielwall traf die Gruppe um Michael O. auf die drei politischen Gegner. Einem traten sie ins Gesicht. Danach zog die Gruppe weiter zur Ausgehmeile „Schlachte“ an der Weser – in die Kneipe „Kangaroo Island“. Auf der Terrasse des Lokals sollen die Rechtsextremen gegen 23 Uhr dann wiederum selbst angegriffen worden sein.
Der Vorfall sei so schnell gegangen, schreibt das Lokal auf seiner Facebook-Seite, dass die Kneipenmitarbeiter „keine Chance hatten, irgendwie einzugreifen, außer den Notruf zu wählen“. Die Angreifer waren vermummt, die Ermittlungen laufen.
Seit wenigen Monaten versucht sich „Phalanx 18“ in Bremen zu etablieren. In einer Selbstdarstellung schreibt die Gruppe: „Wir sind ein Verbund treuer, stolzer, heimatliebender Deutscher Kameraden, die es wunderbar finden, deutsch zu sein“. Der Gruppe sollen etwa zehn Personen angehören, die mit der rechten Hooligan- und Rechtsrock-Szene vor Ort verbunden sind. Sie weisen auch Bezüge zur Identitären Bewegung auf.
Wahlkampfhelfer für die AfD
In den sozialen Kanälen sind sie laut „AfD Watch Bremen“ sehr aktiv. Das Recherchenetzwerk entdeckte Fotos, auf denen der Schatzmeister der AfD Bremen und stellvertretende Bremer Vorsitzende der Jungen Alternative, Mertcan Karakaya, und Phalanx-Anhänger zusammen posieren. Der Kommentar dazu: „Begleitschutz für die AfD-Plakatierer erfolgreich vorm Weserstadion/Ostkurvensaal beendet.“ Sie scheinen ideologisch auf einer Linie zu sein.
Peter Beck, Landesvorsitzender der AfD Bremen, erklärte zu dem Foto: Im Mai habe Herr Karakaya eine Wahlkampfbesprechung an der Schlachte gehabt, zusammen mit Heiner Löhmann, der für den Europawahlkampf in Bremen-Mitte zuständig gewesen sei. Die beiden seien dann von vier jungen Männern angesprochen worden, die sie unterstützen wollten. Karakaya habe einen der Männer namens Michael gekannt und die Hilfe angenommen.
Abends habe Karakaya eine aggressive Grundstimmung bei den Männern wahrgenommen und dann das Wahl-Plakatieren abgebrochen. „Das war eine einmalige Sache“ sagte Beck über den Kontakt. „Wir distanzieren uns als AfD grundsätzlich von Neonazis ebenso wie von Flügel-Leuten.“
Linksfraktion warnt vor Neonazis-Gruppe
Die Bremer Linksfraktion indes will nun in der nächsten Fragestunde vom Senat wissen, welche Erkenntnisse über die bis dato weitgehend unbekannten Neonazis vorliegen – ebenso wie zu Verbindungen zur AfD-Jugend.
Für den 9. November hat „Phalanx 18“ zudem einen „Liederabend im Herzen von Bremen“ beworben. Auch hierzu will die Linksfraktion vom Senat mehr erfahren.
Nelson Janssen, innenpolitischer Sprecher der Linksfraktion, erklärte: „Das Vorgehen dieser neuen Nazigruppe ist offenbar auf größtmögliche Provokation und aggressive Konfrontation ausgelegt: Die Angriffe am Sielwall auf vermeintliche Linke und die Ankündigung eines Nazikonzertes am Jahrestag der Reichspogromnacht in Bremen sprechen Bände.“ All das halte die Fraktion für „sehr gefährlich“ – und fordert die Sicherheitsbehörden dazu auf, genau hinzuschauen, damit sich solche Vorfälle nicht wiederholten.
Quelle: taz.de