Solidarität statt Polizeigewalt!
Nach dem Mord an George Floyd im Mai 2020 war rassistische Polizeigewalt kurzzeitig auch in Deutschland ein viel beachtetes Thema. Die daran anschließenden Proteste machten deutlich, dass Polizeigewalt auch hier Alltag vieler Menschen ist. Das zeigt sich in Form von Abschiebungen, Racial Profiling und anlasslosen Identitätskontrollen, im Umgang der Polizei mit BIPoC (Black, Indigenous, People of Color), wohnungslosen Menschen, Sexarbeiter:innen, Fußballfans, Antifaschist:innen, Umweltaktivist:innen, be_hinderten Menschen und Menschen in psychischen Krisen.
Gerade zu Zeiten der Corona-Pandemie lässt sich deutlich erkennen, dass einige Personengruppen mehr im Fokus der Polizei stehen als andere. Beispielsweise erhalten wohnungslose Menschen und BIPoC deutlich häufiger Bußgeldbescheide – nicht etwa, weil sie mehr Verstöße begehen würden, sondern weil sie öfter kontrolliert werden. Hier zeigt sich deutlich, dass das Menschenbild der Polizei geprägt ist von einer Kriminalisierung marginalisierter Gruppen.
Zudem sterben auch in Deutschland Menschen durch Polizeigewalt und/oder während sie sich in Gewahrsam, also in der Obhut des Staates befinden. Allein 2020 wurden unter anderem Maria B. und Mohamed Idrissi von Polizist:innen ermordet. Ferhat Mayouf verbrannte im Gewahrsam der JVA Moabit. Dabei werden im Nachgang die Betroffenen nahezu immer selbst zu den Schuldigen erklärt, während die Beamt:innen nicht zur Verantwortung gezogen werden. Mehr Infos zu diesem Thema befinden sich auf der Seite: deathincustody.noblogs.org.
Weiterhin vergeht kaum ein Tag, an dem keine neue rechte Chatgruppe oder andere Verflechtungen der Rechten Szene und den sogenannten Sicherheitsbehörden öffentlich werden. Der fehlende Aufklärungswille dieser sogenannten „Einzelfälle“ erinnert an den Umgang mit dem NSU-Komplex, wo die Polizei rassistisch im Familienumfeld der Opfer ermittelte und einen rechten Hintergrund kategorisch ausschloss.
Die Existenz rechter Netzwerke innerhalb der Polizei ist nur die Spitze des Eisbergs. Das Fundament ist eine auf Ungleichheit aufbauende Gesellschaftsordnung, die die Polizei als ausführende Gewalt schützen soll. Die Kategorisierung und Klassifizierung von Menschen finden sich auch in Gesetzen wieder: Aufenthaltsrecht, Eigentumsrecht, Strafrecht etc. Wie könnte eine Polizei dieser Gesellschaft anders sein als rassistisch, klassistisch, sexistisch und ableistisch? Rechte Einstellungen in der Polizei finden dort ihren optimalen Nährboden.
Menschenverachtende Einstellungen und gewaltvolles Verhalten bei Polizist:innen werden bagatellisiert und durch eine fortwährende Kultur der Straflosigkeit sowie einem vorherrschenden Korpsgeist gefördert oder bewusst gedeckt. Die politischen Verantwortlichen, Staatsanwaltschaften und Gerichte stellen sich schützend vor die Polizei und verhindern systematisch eine Auseinandersetzung mit dem Thema Rassismus in den Institutionen.
Unabhängige Studien zu Polizeigewalt und Rassismus werden politisch blockiert, verzögert und als einseitig kritisiert. Innerhalb der Polizei wird jegliche Kritik vehement abgewehrt. Dies zeigt, dass sich die Polizei als ein geschlossenes, unantastbares und vor allem unfehlbares System versteht.
Betroffene haben es schwer, Gehör und Unterstützung zu finden. Im deutschen Justizsystem gibt es praktisch keine Unterstützung für Menschen, die Polizeigewalt erleben. Darüber hinaus richten das Absprechen von Traumata und die systematische Leugnung der Gewalterfahrung von polizeilicher Seite nachhaltig Schäden bei den Betroffenen an. Selten kommt es zu Anzeigen und noch seltener zu Verurteilungen von Polizist:innen. Außerdem gehört es zur Alltagspraxis der Beamt:innen, insbesondere bei gewalttätigen Übergriffen im Dienst, die betroffenen Personen präventiv anzuzeigen, um einer eigenen strafrechtlichen Verfolgung zu entgehen. So kommt es zu einer zusätzlichen Kriminalisierung von Menschen, die versuchen, sich gegen die Gewalt, welche sie erfahren, zu wehren.
Den Internationalen Tag gegen Polizeigewalt am 15. März nehmen wir erneut zum Anlass, diese anhaltenden Missstände anzuprangern, Forderungen zu stellen und uns solidarisch mit den Betroffenen von Polizeigewalt zu zeigen. Wir sind verschiedene Initiativen, welche sich kritisch mit der Institution Polizei und Polizeigewalt auseinandersetzen. Das tun wir lokal, direkt vor unserer Haustür. Denn Polizeigewalt ist in Deutschland Alltag. In folgenden Orten gibt es Gruppen, welche Betroffene unterstützen und von ihren Erfahrungen mit Polizeigewalt in ihrer Stadt berichten.
Überall ist Polizeigewalt, überall ist Widerstand!
Copwatch Ffm (Frankfurt am Main)
In Hessen häuften sich 2020 die Fälle rechtsextremer Täter:innen in den Sicherheitsbehörden – seien es die mit „NSU 2.0“ unterzeichneten Todesdrohungen, das Abrufen persönlicher Daten von hessischen Polizeicomputern oder rassistische Chatgruppen von Polizist:innen. Und nach den Geschehnissen am Frankfurter Opernplatz wurden insbesondere migrantisierte Jugendliche mit rassistischen Polizeikontrollen schikaniert. Wir haben uns 2013 mit dem Ziel gegründet, gemeinsam der Normalität von Racial Profiling die konkrete Unterstützung für Betroffene, die solidarische Aktivierung von Passant*innen und eine politische Öffentlichkeitsarbeit entgegenzusetzen. Unsere Arbeit hat drei politische Schwerpunkte: die Telefonhotline, die Informationsstelle und die Dokumentation rassistischer Polizeikontrollen in Frankfurt. Wir werden nicht müde immer wieder gemeinsam mit den betroffenen Personen gegen die sprichwörtlichen Mühlen anzukämpfen!
Kooperation gegen Polizeigewalt (Dresden)
Zu Beginn des Jahres 2020 trat das neue Sächsische Polizeigesetz in Kraft, damit wurden die Befugnisse der Polizei auch in Sachsen ausgeweitet. Die Corona-Maßnahmen führten zu einer erhöhten Präsenz der Polizei auf der Straße. Im Zuge dessen nahmen Kontrollen zu. Dies bekamen vor allem Menschen, die an den Rand der Gesellschaft gedrängt werden, zu spüren. Dagegen regte sich Widerstand. Es fanden mehrere Demonstrationen der Black Lives Matter Bewegung und Kundgebungen gegen Polizeigewalt statt. Eine tatsächliche Kontrolle der Polizei und ihres Handelns gibt es nicht. Deshalb gründeten wir im Frühjahr 2020 die Kooperation gegen Polizeigewalt (KGP). Wir bauen eine unabhängige Beschwerdestelle und ein unterstützendes Netzwerk für Betroffene von Polizeigewalt in Dresden auf.
Kampagne für Opfer rassistischer Polizeigewalt (KOP) Bremen
Seit nunmehr acht Jahren arbeitet KOP Bremen kontinuierlich zu den Themen Polizeigewalt, Racial Profiling und institutioneller Rassismus. In zahlreichen Veranstaltungen und Workshops hat KOP über diese Themen informiert und potentiell Betroffene wie Zeug:innen über Handlungsmöglichkeiten informiert. Seit einigen Jahren arbeitet KOP Bremen daran, den 15. März bedeutsam zu machen. In Bremen gibt es eine traurige Kontinuität der tödlichen Polizeigewalt. So starb Laya-Alama Condé 2005 durch die zwangsweise Vergabe von Brechmitteln, eine bis dahin häufig durch die Polizei und den Beweissicherungsdienst angewandte Folterpraxis. Im Jahr 2020 wurde Mohamed Idrissi von der Polizei erschossen, nachdem er versuchte, vor einer Pfefferspray-Attacke eines Beamten zu flüchten – die Polizei war ohne den sozialpsychiatrischen Dienst vor Ort, obwohl sie von der psychischen Erkrankung Mohameds wusste. Daraufhin hat sich das Bündnis JusticeforMohamed gegründet, in dem die Angehörigen Mohameds zusammen mit anderen Gruppen gemeinsam für Aufklärung und Gerechtigkeit kämpfen.
Copwatch Hamburg
Seit April 2018 organisiert Copwatch Hamburg rund um die Balduintreppe solidarische Aktionen für eine Abschaffung der sogenannten ‚gefährlichen Orte‘ in den Stadtteilen St. Pauli, St. Georg und der Sternschanze sowie gegen rassistische und anderweitig diskriminierende Polizeikontrollen. Wir unterstützen seitdem Betroffene rassistischer Kriminalisierung, beobachten und dokumentieren polizeiliche Maßnahmen und machen diese öffentlich. Dass Hamburg ein massives Polizeiproblem hat, wurde auch im Jahr 2020 wieder einmal deutlich: So führten etwa die erweiterten polizeilichen Befugnisse im Zuge der Eindämmung der Corona-Pandemie gerade in den sogenannten ‚gefährlichen Orten‘ zu einer Zunahme diskriminierender Polizeikontrollen und -übergriffe. Wir lassen die davon Betroffenen nicht allein und setzen weiterhin auf praktische Solidarität und Widerstand!
Kampagne für Opfer rassistischer Polizeigewalt (KOP) Kiel
KOP Kiel unterstützt, seit 2017, von rassistischen Kontrollen und rassistischer Polizeigewalt betroffene Menschen. Mit Workshops, Veranstaltungen und Infotischen sensibilisiert KOP Kiel für diese Themen und erarbeitet Handlungsmöglichkeiten. Mit einem Rechtshilfefonds werden betroffene Menschen finanziell unterstützt. Besonders im Frühjahr und Sommer des Jahres 2020, unter den geltenden Kontaktbeschränkungen, kam es gehäuft zur Beobachtung rassistischer Kontrollen in Parks, an der Kiellinie und am Germaniahafen. Die besondere Lage am Hafen verursacht, dass auch Zollbeamt:innen Leute verdächtigen und rassistische Kontrollen durchführen. Ende Februar 2021 wurde das neues Polizeigesetz für Schleswig-Holstein verabschiedet, mit weitreichenden Befugnissen für die Polizist:innen. Wir bleiben weiterhin wachsam und zeigen uns solidarisch mit betroffenen Menschen.
CopWatch Leipzig
Wir, CopWatch Leipzig, haben uns vor zwei Jahren anlässlich der Einführung einer Waffenverbotszone in Leipzig gegründet. Wir sind eine Gruppe von Aktivist:innen, die sich kritisch mit Polizei und Themen wie Racial Profiling, autoritärer Entwicklung, Militarisierung oder der Einschränkung von Grundrechten auseinandersetzt. Wir sehen diese Themen in einem kapitalismuskritischen Kontext und versuchen dem einen sozialen Sicherheitsbegriff und Perspektiven auf Grundlage der Transformative Justice gegenüberzustellen. Ebenso versuchen wir eine Anlauf- und Beratungsstelle für Betroffene anzubieten und ihnen Handlungsspielräume zu eröffnen. Wir erfassen Kontrollen, begleiten ggf. darauffolgende Prozesse, problematisieren rassistische Polizeipraxis in der Öffentlichkeit und versuchen so auch Druck auf die entsprechenden Behörden auszuüben. Darüber hinaus versuchen wir durch Texte, Plakate, Flyer und Workshops zum Empowerment und zur Unterstützung Betroffener beizutragen. Dass Sachsen ein Polizeiproblem hat ist nichts Neues – umso wichtiger nun solidarische Strukturen zu schaffen und gleichzeitig Druck auf Polizei aufzubauen und diesen mit einer radikalen Kritik an der repressiven Politik und dem ausgrenzenden System dahinter zu verknüpfen.
Wir wollen das Problem Polizeigewalt angehen!Kurzfristig fordern wir:
Langfristig fordern wir:
Bis diese Forderungen umgesetzt sind, fordern wir Euch auf:
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buendnis15märz