Seit der Veröffentlichung der Kandidat*innen für die Aufsichtsratswahl am 5. September 2021 wurde viel über die Beweggründe des Wahlausschusses, warum einzelne Kandidat*innen zugelassen und andere abgelehnt wurden, spekuliert. Die Intransparenz dieses Prozesses hat in der Fangemeinde und unter den Mitgliedern des SV Werder für viel Unmut gesorgt.
Unabhängig davon sollte klar sein, dass der Sport-Verein Werder für Weltoffenheit, Solidarität, für ein gemeinsames Miteinander und Antidiskriminierung steht. Aus diesem Grund haben wir uns in den letzten Tagen eingehend Gedanken darüber gemacht, was es bedeutet, dass Oliver R. Harms trotzdem vom Wahlausschuss für den Aufsichtsrat zugelassen wurde. Wir sind damit ausdrücklich nicht einverstanden, bezweifeln, dass er all die genannten Werte teilt und möchten folgend darlegen, warum er aus unserer Sicht – und auch aus Sicht vieler Menschen im Verein, wie wir zuletzt in Erfahrung bringen konnten – nicht als Mitglied des Aufsichtsrats in Frage kommt.
Uns liegt seit Kurzem ein wenige Monate alter E-Mail-Verkehr vor, der belegt, dass Oliver R. Harms einen bekannten Professor der Kriminologie, der sich auch im Forschungsfeld Fußball bewegt, kontaktiert hat. Harms stellt dem Kriminologen Fragen zum Thema „Antifa+Fußball“, die in ihrer charakteristischen Art und unter Verwendung bestimmter Schlüsselbegriffe („Cancel Culture“) an gängige verschwörungsideologische, rechtspopulistische Erzählungen anknüpfen. In dieser E-Mail bezieht Harms sich positiv auf zwei Autoren, die sich beide großer Beliebtheit in rechten Kreisen erfreuen. Einer dieser Autoren ist Karsten D. Hoffmann. Hoffmanns Buch, welches von Kandidat Harms als „bemerkenswert“ beschrieben wird, wird u.a. über den Kopp-Verlag vertrieben, welcher pseudowissenschaftliche, verschwörungsideologische, rechtspopulistische Inhalte und Titel der extremen Rechten vertreibt. Karsten D. Hoffmann ist darüber hinaus in der Vergangenheit AfD-Politiker in Rotenburg gewesen und fabuliert regelmäßig über eine Gesellschaft, die sich aus seiner Sicht bedrohlich nach links verschieben würde.
Dieses fragwürdige Narrativ scheint Oliver R. Harms zu teilen. In der E-Mail schreibt er u.a., dass er keinen Aufsichtsratskandidaten wolle, der von „der Antifa gestützt“ werde. Bei den Aufsichtsratswahlen halte er einen „Auftritt der Antifa theoretisch für vorstellbar“ und dass ein „Kandidat niedergebrüllt“ und „als Nazi diffamiert“ werde. Ob Herr Harms befürchtet, dass es ihn selbst treffen könne, lässt sich nur mutmaßen. In jedem Fall wird deutlich, dass Herr Harms‘ Verständnis von Antifaschismus nicht nur äußerst zweifelhaft ist, sondern er vielmehr versucht, Antifaschismus zu diskreditieren. Mit der falschen Gleichsetzung von Antifaschismus auf der einen und brennenden Autos und „ACAB“-Schriftzügen auf der anderen Seite, bedient er in der E-Mail ein klassisches rechtes Narrativ und gibt damit unzweifelhaft preis, welche Auffassung er teilt.
Um es deutlich zu sagen: Ohne das antifaschistische Engagement der Werderfans würden sich Personen aus dem neonazistischen Spektrum noch heute im Stadion wohlfühlen. Dass sich auch der SV Werder grundsätzlich antifaschistisch und mit seinen Werten gegen menschenfeindliche Ideologien positioniert, scheint Herrn Harms entgangen zu sein.
Der kontaktierte Kriminologe weist in dem E-Mail-Verkehr, der dem SV Werder und auch dem Wahlausschuss vorliegt, aus seiner wissenschaftlichen Perspektive darauf hin, dass die Literatur (und der dazugehörige Verlag), auf die Harms sich in seiner E-Mail bezieht, äußerst zweifelhaft ist. Das Bild einer von Linksextremismus bedrohten Gesellschaft, dem Herr Harms offenbar anhängt, sei laut dem Kriminologen falsch: „Ich denke, dass wir eher auf dem rechten, als auf dem linken Auge blind sind!“
Dem können wir uns nur anschließen. Für uns ist nicht nachvollziehbar, warum jemand, der offensichtlich verschwörungsideologische, rechte Narrative und Falschinformationen teilt wie Oliver R. Harms, als Kandidat zugelassen wurde. Wir sind der Meinung, dass Herr Harms in dieser E-Mail Einstellungen zeigt, die anknüpfungsfähig an das Weltbild der extremen Rechten sind. Wir befürchten eine dementsprechende Ausrichtung der Entscheidungen, die er fällen würden, sollte er in den Aufsichtsrat gewählt werden. Mit den Werten, die den SV Werder ausmachen, wird dies nur wenig zu tun haben.
Infamous Youth im August 2021