In der Nacht zum 07.03.2022 haben wir dem Bremer Standesamt einen Besuch abgestattet und die prunkvolle Fassade mit Farbe verschönert. Das Standesamt ist aus verschiedenen Gründen Ziel unserer Attacke zum 8. März geworden:
Seit über einem Jahr verweigert die Behörde die Ausstellung von Geburtsurkunden für die Babys Schwarzer Eltern. In der Regel warten Eltern maximal sechs Wochen auf die Geburtsurkunde, doch dieses verfassungsmäßige Recht wird Personen of Color in Bremen mit einer rassistischen Begründung verwehrt. Den Müttern wird pauschal unterstellt in ihrem Herkunftsland verheiratet zu sein, Scheidungsunterlagen und andere Dokumente werden von den Sachbearbeiter*innen angezweifelt und kostspieligen „Überprüfungsverfahren“ unterzogen. Die Kosten dieser langwierigen und erniedrigenden Verfahren müssen von den betroffenen Müttern getragen werden. Dadurch werden die Frauen* in ungeheure Kosten gestürzt und ihre Babys bekommen nicht die grundlegenden Rechte, die ihnen zustehen, bspw. eine Krankenversicherung. Dieser institutioneller Rassismus in Bremen zeigt die Macht, die von Behörden, den Sachbearbeiter*innen und von einem Stück Papier ausgeht. Diese Behördenpraxis ist widerlich!
Dass die Ehe überhaupt einen Einfluss auf die Geburtsurkunde von Babys hat, liegt an der patriarchalen Gesetzgebung. Nach dem deutschen Gesetz ist der Ehemann der Mutter automatisch der Vater des Kindes, nicht der biologische Vater. Hier werden Funktion und Ursprung der Ehe deutlich, was uns zu unseren zweiten Problem mit dem Standesamt führt: Die Ehe. Im 12. Jahrhundert wurde die Ehe von der Kirche zum Sakrament, als unauflösbar, monogam und heilig erklärt. Es waren einige von vielen Vorschriften, durch die die Sexualität, insbesondere der Frauen*, politisiert und durch repressive Maßnahmen eingeschränkt wurde. In der selben Epoche findet eine Neubestimmung der reproduktiven und produktiven Aufgaben, sowie der Geschlechterbeziehungen statt. Die Frau soll Hausfrau sein und die Kinder für den Staat gebären, während der Mann als Lohnarbeiter für finanzielle Sicherheit sorgen soll. Frauen wurden und werden durch zu niedrige Löhne in die Abhängigkeit von Ehemännern getrieben. Bis ins 19. Jahrhundert hinein übertrug sich die Vormundschaft über die Frau mit ihrer Heirat auf den Ehemann und wurde somit quasi weiter entrechtet. Aber auch die Einführung der bürgerlichen Ehe, das heißt der Möglichkeit, dass Ehen auch ohne den Segen der Kirche geschlossen werden können, hat an derRepressivität der Institution Ehe nichts verändert. Dafür steht das Standesamt symbolisch! Die Ehe schafft auch ein Trennung innerhalb der Geschlechterrollen in Wohnen und Arbeiten. Dies ist essenziell für das kapitalistische Wirtschaftssystem und lässt sich durch die gewaltvolle Staatsintervention „Ehe“ durchsetzen. Die konstruierten Geschlechterrollen in der Ehe, sowie die Erzählung des „überlegenden Mannes“, spaltet die Arbeiterschaft und bedeutet heute eine enorme Doppel- und Mehrbelastung von Frauen* und Müttern. Die Ehe treibt Frauen* in finanzielle Abhängigkeiten, in den Niedriglohnsektor und spätestens mit Kindern in Isolierung und Einsamkeit. Die bürgerliche Kleinfamilie als wichtigste gesellschaftliche Größe erteilt jeder Kollektivitäteine Absage und hält die ausbeuterischen Verhältnisse der heteronormativen Geschlechterrollen aufrecht.
Wir sagen: Scheiß auf die Ehe!
Nieder mit dem Patriarchat!
Für die Revolution!
Kampf dem Standesamt und allen anderen rassistischen und sexistischen Institutionen!
Solidarische Grüße an alle Papierlosen, an alle kämpferischen FLINTAs und queerfeministischen Aktionen zum 8. März 2022
Autonome Gruppen Bremen