Der 18. März wird seit über hundert Jahren als internationaler Tag der politischen Gefangenen begangen. Auch heute haben der Tag und sein Anlass nichts an Aktualität eingebüßt. Derzeit sitzen mehrere Freund*innen und Genoss*innen in deutschen Knästen ein. Auf einige von ihnen wollen wir auf der Demonstration am 18. März besonders aufmerksam machen. Ihre Kämpfe sind konkret und stehen zugleich stellvertretend für die vielen und vielfältigen Kämpfe um eine befreite Gesellschaft.
Antifaschistischen Selbstschutz organisieren – Freiheit für Lina und alle Angeklagten im Antifa-Ost Verfahren
Seit November 2020 sitzt Lina in Untersuchungshaft. In einem ersten Prozess werden sie und drei weitere Antifas vor dem Oberlandesgericht Dresden nach §129, wegen der Bildung einer kriminellen Vereinigung, angeklagt. Die Soko LinX – eine Sonderkommission der sächsischen Polizei – und die Bundesstaatsanwaltschaft werfen ihnen als Verbrechen vor, neonazistische Strukturen in Ostdeutschland zu schwächen, indem sie militant gegen deren Kader vorgegangen sein sollen.
In den letzten Jahren ist die faschistische Rechte in Deutschland wieder auf dem Vormarsch. Beängstigend ist dabei die Rolle vieler Staatsbediensteter in den deutschen Sicherheitsbehörden: sie fördern, finanzieren und heißen diese Gewalt von rechts willkommen. Dies verdeutlichen unendliche Skandale – von geleakten persönlichen Informationen von Antifaschist*innen, über Neonazis bei Polizei und Bundeswehr, bis hin zu gedeckten Terrorgruppen wie dem Nationalsozialistischen Untergrund (NSU), der über Jahre ungestört zehn Menschen töten konnte. Die bürgerliche Politik, von konservativ bis in Teile von SPD und Grünen, ignoriert diese Tatsache oder redet sie klein.
Die Arbeiter*innen haben kein Vaterland – Freiheit für Jo und Dy
Am 13. Oktober 2021 endete der Prozess gegen zwei Antifaschisten vor dem Stuttgarter Oberlandesgericht mit extrem hohen Strafen, die offensichtlich der Abschreckung dienen sollen: Gegen Jo verhängte das Gericht 4,5 Jahre Haft, sein Genosse Dy soll sogar für 5,5 Jahre ins Gefängnis. Den beiden Aktivisten wird vorgeworfen, am 16. Mai 2020 am Rand eines rechten „Querdenken“-Aufmarschs an einer körperlichen Auseinandersetzung mit Mitgliedern der faschistischen Pseudo-Gewerkschaft „Zentrum Automobil“ beteiligt gewesen zu sein.
Das „Zentrum Automobil“ versucht seit seiner Gründung 2009 vornehmlich in den Werken der deutschen Automobilindustrie die Belegschaften rassistisch zu spalten und damit die kollektive Interessensdurchsetzung der lohnabhängig Beschäftigten zu schwächen. Ihren Hauptgegner sieht sie in den DGB-Gewerkschaften, vornehmlich in der IG Metall, und deren Selbstverständnis in der Tradition der internationalen Arbeiter*innenbewegung.
Gegen die Stadt der Reichen – Freiheit für Jan und die Angeklagten im sog. Parkbankverfahren
Im Juni 2019 eskalierte eine Personenkontrolle am Jamnitzer Platz in Nürnberg. Das Viertel um den Jamnitzer ist seit Jahren einer fortschreitenden Gentrifizierung ausgesetzt. Nachdem die wohlhabenden Neuankömmlinge sich im Sommer an ihren weniger kapitalkräftigen Nachbarn störten, die ihre Freizeit auf dem Platz verbringen, riefen sie die Cops. Trotz Verstärkung mussten diese sich zurückziehen, weil sich zu viele Anwesende mit den Kontrollierten solidarisieren. Viele hatten die Schikanen satt und forderten die Polizei „lautstark“ zum Verlassen des Platzes auf. So steht es später in der Anklageschrift gegen zwei der angeblich Beteiligten. Einer von ihnen, Jan, muss für ein Jahr und zwei Monate in den Knast weil er „verbalen“ Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte geleistet habe.
In fast allen Großstädten vollzieht sich seit Jahren der gleiche Prozess. Die Mittelschichten drängen in die urbanen Wohngebiete der Innenstädte und mit ihnen die kapitalistische Inwertsetzung zu Lasten der Alteingesessenen. Wo früher türkische Supermärkte und Apotheken standen finden sich heute teure Hipster-Cafes und fancy Eigentumswohnungen. Die Verdrängung nutzt den Wohlhabenden, es entsteht eine Stadt der Reichen.
Auch in Hamburg findet seit vielen Jahren eine kontinuierliche Aufwertung und Verdrängung statt. Im Juli 2019 wurden drei Anarchist*innen nach intensiver Observation festgenommen, zwei von ihnen verbrachten daraufhin über ein Jahr in Untersuchungshaft. Ihnen wird die Vorbereitung militanter Aktionen im Zusammenhang mit dem Jahrestag der Proteste gegen den G20-Gipfel 2017 in Hamburg vorgeworfen. Ziel der geplanten Aktion sollen u.a. Fahrzeuge des Immobilienkonzerns Vonovia gewesen sein.
Das Urteil fiel im November 2020, die Strafen betragen zwischen einem Jahr und vier Monaten und einem Jahr und zehn Monaten Knast. Derzeit läuft das Revisionsverfahren. Sollte die Revision verworfen werden, folgen zeitnah die Haftantritte.
Die als „Parkbankverfahren“ bezeichnete juristische Farce zeigt, dass der Kampf gegen die Stadt der Reichen mit großem Aufwand kriminalisiert wird. Unsere Solidarität gilt den Anarchist*innen und anderen Widerständigen, die sich aktiv für das Recht auf Wohnen und solidarische Viertel einsetzen.
Die ökologische Krise ist eine kapitalistische Krise – Freiheit für Ella
Seit dem 26.11.2020 sitzt „Ella“ in der JVA Preungesheim ein. Sie hatte mit vielen anderen gegen die Rodung des Dannenröder Waldes protestiert, der mitten in der Klimakrise einer Autobahn weichen soll. Mit einem Großaufgebot der Polizei und unter Gefährdung von Menschenleben wurden in Mittelhessen wochenlang Aktivist*innen von den Bäumen geholt die sie schützen wollten. Auch Ella wurde in 15 Metern Höhe von einer SEK-Einheit aus dem Baum entfernt. Ein Gericht verurteilte sie dafür im Juni 2021 wegen „Widerstands“ und „tätlichen Angriffen auf Polizeibeamte“ zu zwei Jahren und drei Monaten Knast. Seit Januar 2022 läuft ihr Berufungsprozess. Bis heute gibt „Ella“ ihre Identität nicht preis. Dass das allerdings die lange Haftstrafe rechtfertigt ist zu bezweifeln. Vielmehr ist radikaler Klimaaktivismus mittlerweile Teil linksradikaler Politik für eine bessere Zukunft und wird entsprechend repressiv von der Ermittlungsbehörden bekämpft.
Im Dannenröder Forst zeigen sich unter dem Brennglas die Folgen einer destruktiven kapitalistischen Wirtschaftsweise. Im Angesicht einer eskalierenden globalen Klimakrise betreiben das Bundesverkehrsministerium und die schwarz-grüne hessische Landesregierung gegen die eigene Bevölkerung rücksichtslos eine weitere Verschärfung des menschengemachten Klimawandels. Ellas Kampf steht beispielhaft für den weltweiten Kampf unzähliger Aktivist*innen gegen die kurzfristigen Profitinteressen einiger Weniger und für den Erhalt der ökologischen Lebensgrundlage aller Menschen.
Biji Kurdistan! Gegen das Verbot der PKK!
Ahmed Çelik sitzt seit 2020 in Bremen im Knast, ihm wird die „Mitgliedschaft in einer terroristischen ausländischen Vereinigung“ nach §129b vorgeworfen. Die Deutschen Behörden konstruierten die Position des Gebietsleiters um sie Ahmed anzuhängen und ihm damit Aktivitäten für die in der BRD verbotene PKK nachzuweisen.
Die kurdische Bewegung kämpft für Geschlechtergerechtigkeit, Basisdemokratie, Ökologie und den Erhalt der Kurdischen Kultur und Sprache. Die selbstverwalteten kurdischen Gebiete in Nordsyrien sind ein emanzipatorischer Raum, der permanent vom Nato-Staat Türkei angegriffen wird. Die BRD beteiligt sich an diesen Angriffen zum einen durch Investitionen und Waffenexporte, zum anderen durch die Kriminalisierung der kurdischen Bewegung hier in Deutschland. Immer wieder werden kurdische Aktivist*innen mithilfe des §129b eingesperrt.
Wir solidarisieren uns mit den Kurdischen Kämpfen und fordern die Freiheit für Ahmed Çelik und alle politischen Gefangenen.
When they kick in your front door…
Auch in Bremen machen die Bullen und die konservative Presse mobil gegen Links. So wurde in Bremen dieses Jahr eine „Soko Linksextremismus“ gegründet, die sich u.a. „um die Früherkennung verhaltensauffälliger Personen in Bezug auf linksgerichtete Anschlagsgefahren“ kümmern soll. Dabei wird formell nach §129 ermittelt. Der Paragraph §129 (sowie der §129a/b) gilt als Schnüffel- und Gesinnungsparagraph deutscher Ermittlungsbehörden und ermöglicht den Cops umfangreiche Ermittlungsbefugnisse um soziale Bewegungen und ihr Umfeld zu durchleuchten. Da es meist nicht um konkrete Taten sondern die unterstellte Mitgliedschaft in einer konstruierten kriminellen Vereinigung geht kann es jede*n treffen.
Neben der Einrichtung der „Soko Linksextremismus“ zeigen auch die zahlreichen Hausdurchsuchungen, dass der Staat die Repression gegen Linke in Bremen anzieht. Immer wieder nutzt die Bremer Polizei Hausdurchsuchungen als politisches Bestrafungsinstrument um unliebsame Linke auch ohne juristische Verurteilung zu drangsalieren und einzuschüchtern.
Kampf der Klassenjustiz – Freiheit für alle politischen Gefangenen
Den hier genannten und allen anderen in den Knästen und auf den Anklagebanken wollen wir sagen: Ihr seid nicht allein! In Solidarität werden wir auf die Straße gehen und weiterhin unversöhnlich sein:
Unversöhnlich mit dem Staat und seinen Schergen, die uns drangsalieren und ausspionieren.
Unversöhnlich mit dem Faschismus in all seinen Formen.
Unversöhnlich mit den bestehenden Verhältnissen von Ausbeutung, Unterdrückung und Ausgrenzung.
Es bleibt dabei:
Unsere Solidarität gegen ihre Repression. Freiheit für alle politischen Gefangenen.
Mobivideo für Freitag:
https://twitter.com/BremenNika/status/1503640109559787525