Statement von Autonomie & Solidarität, gefunden auf kontrapolis.info
Statement zum EU-Verschlüsselungsverbot / Chatdurchleuchtungspflicht
Die EU-Kommission fordert in einem neuen Gesetzesentwurf eine sogenannte „Chatkontrolle“ und will damit sehr bald schaffen. Damit sollen zukünftig Dateien wie Bilder und Nachrichten direkt auf unseren Kommunikationsgeräten wie Smartphones, Laptops und PCs in Echtzeit „KI-basiert“ gescannt werden. Als problematisch erkannte Inhalte bzw. „Verdachtsfälle“ sollen dann an Stellen wie Behörden und bestimmte private Akteure (NGOs) weitergeleitet werden.
Linus Neumann vom Chaos Computer Club beschreibt das Vorhaben so: „Ohne erwartbaren Erfolg im Sinne des eigentlichen Ziels soll ein nie dagewesenes Überwachungswerkzeg eingeführt werden.“
Doch was ist das „eigentliche Ziel“ der EU-Kommission überhaupt? Als vermeintlich gute Absicht hinter diesem Vorhaben führt die Kommission den Kampf gegen Kindesmissbrauch an, den sie damit doch nur unterstützen wolle. Unter Internetaktivist*innen ist dieser Vorwand als eine altbekannte Rechtfertigungsstrategie bekannt, die zu den „vier Reitern der Infokalpyse“ zählt und die von Innenminister*innen und anderen Überwachungsstaatsarchitekt*innen gerne angeführt wird (die anderen drei „Reiter“ sind klassischerweise Terror, Drogenhandel und organisierte Kriminalität).
In Wirklichkeit versucht die Kommission hier mindestens ein indirektes Verbot von verschlüsselter Kommunikation und eine zukünftig erweiterbare, neuartige Form der Totalüberwachung direkt auf den Endgeräten der Nutzer*innen umzusetzen. Nicht nur würden Aktivist*innen, Journalist*innen und Whistleblower*innen durch ein de facto Verbot bzw. eine Umgehung von verschlüsselter Kommunikation angegriffen werden – es ist ein Angriff auf die Privatsphäre und die Vertraulichkeit der Kommunikation von uns allen. Sinnbildlich auf das Analoge übertragen wäre das nicht nur so, als würde der Staat dann jeden unserer Briefe öffnen und jedes Paket durchsuchen, um verdächtige Inhalte zu finden und dabei die Lieferanten zwingen, mitzumachen – es wäre sogar eher so, als ob Behörden ihre Mitarbeiter*innen in unseren Wohnungen und Unterkünften hätten und dort alles durchwühlen und Unerwünschtes weitergeben würden. Im Fall des jetzigen Vorhabens der EU-Kommission beträfe das dann übrigens auch die Nacktbilder von jungen Erwachsenen, die dann irgendwer „prüft“ und wer weiß was damit anstellen könnte. Soweit dann auch zum Verfehlden des „eigentlichen Ziels“, wie der CCC schreibt.
Dass eine einmal eingeführte Praxis wie diese zukünftig erweitert werden wird (z.B mit Scans nach „Urheberrechts“-Verletzungen, politischen Inhalten und was das autoritäre Herz noch so alles begehrt) würde eher der Regel als der Ausnahme bisheriger Überwachungspraktiken und Kontrolltechnologien entsprechen. Von den Gewöhnungseffekten und Rechtfertigungsnarrativen für weitere autoritäre Vorhaben ganz zu schweigen (Wer kennt sie nicht, Klassiker wie „Wir werden eh schon überwacht, da macht das keinen Unterschied“ und „Wer nichts zu verbergen hat, hat auch nichts zu befürchten“?)
Dass die EU-Kommission die Totalüberwachung und digitale Kontrolle im Internet genauso wie im Alltag, an ihren Außengrenzen zur Bekämpfung von fliehenden Menschen und im Inneren u.a. für den Datenkapitalismus weiter ausbaut, ist nichts Neues. Nicht nur besteht sie aus stramm neoliberalen, autoritären Politiker*innen, die schon zuvor immer wieder mit repressiven Vorhaben angekommen sind (Wir erinnern uns an „Zensursula“. Auch Thierry Bretons Begeisterung für den Trump-Unterstützer und Palantir-Gründer Peter Thiel ist kein Geheimnis) – es geht allgemein mit dem Überwachungs- und Krisenkapitalismus auch eine autoritäre Transformation einher.
Als Antiautoritäre stellen wir uns diesen Entwicklungen und Allen, die sie voranbringen wollen, entschlossen entgegen! Die angekündigten Proteste gegen die EU-Chatkontrolle werden wir unterstützen!
Auf die Straße!
Quellen: