Beim Landgericht Bremen wird am Freitag das Berufungsurteil zu Olaf Latzel verkündet. Das Amtsgericht Bremen hatte den evangelikalen Prediger wegen Volksverhetzung zu 8100 Euro Strafe verurteilt, da er unter anderem Homosexuelle als Degenerationsform der Gesellschaft und Menschen vom CSD als Verbrecher bezeichnet hatte. Latzel war in Revision gegangen.
Die Anwälte Latzels hatten sofort nach der Einreichung der Berufung ein theologisches Gutachten gefordert, um nachweisen zu können, dass Latzel die Position der Bibel vertrete und durch die Religionsfreiheit seine Aussagen vor strafrechtlicher Verfolgung geschützt seien.
Diese Ansicht allein offenbart ein sonderbares Bild dieser Gesellschaft und ihrem Rechtsverständnis. Würden alle Aussagen aus der Bibel, der Tora, dem Koran oder dem Buch Mormon durch die Religionsfreiheit gedeckt und somit über dem bürgerlichen Gesetzen wie Grundgesetz, dem Strafgesetzbuch oder dem BGB stehen, hätten man der Rechtsphilosophie der religiösen Dogmatiker nachgegeben, das bürgerliche Gesetze nur dann anzuerkennen sind, wenn sie im Einklang mit den Aussagen der alten Bücher stehen. Damit sind sich die christlichen Dogmatiker der Evangelikalen, der Katholiken und der Orthodoxen Kirche selbst mit den Islamisten einig. Islamisten vertreten konsequent die Position, dass das staatliche Strafrecht sich an der Sharia zu orientieren habe.
Das Landgericht Bremen hat sich darauf verständigt zwei theologische Gutachter zu befragen ob denn die von Latzel vertretenen Auffassungen durch die Bibel gedeckt seien.
Mit dieser Einlassung hat sich das Landgericht, unter Missachtung der Prinzipien eines säkularen bürgerlichen Rechtssystems, bereits auf die Argumentation des religiösen Blocks eingelassen.
Wenn strafrechtliche Tatbestände von Personen begangen werden, kann es allenfalls eine Rolle spielen ob die Person unter Umständen nur eingeschränkt strafmündig ist. Dies kann bei jugendlichen Tätern oder psychischen Erkrankungen der Fall sein. Ein politischer oder religiöser Hintergrund für ein Tatmotiv darf sich nicht strafmildernd auswirken, dies würde dem Gleichheitsgrundsatz der Gesetzgebung widersprechen.
Daher ist die Einlassung auf die Frage ob Volksverhetzung und Beleidigung unter die Religionsfreiheit fallen in sich schon eine Verletzung des Gleichheitsgrundsatzes und der postulierten Ansprüche, dass die Gesetzes vom Volke gemacht werden und nicht von Göttern, bzw. von ihren selbsternannten Stellvertretern.
Im Falle Olaf Latzels ist es daher völlig egal, ob Latzel seine Verkündigungen und Beleidigungen aus dem Kaffeesatz, einem Comic oder der Bibel ableitet. Das gesagte Wort und seine Intention zählen. In seinem Fall ist nicht nur aus den Verlautbarungen des Eheseminars, bekannt, dass er Gender, Homosexualität und Ehebruch für eine Sünde hält, die es mit allen Mitteln zu bekämpfen gilt. Diese Aussagen hat er wiederholt getätigt und finden sich auch im Gemeindebrief seiner Martinigemeinde wieder, zu deren Redaktion er gehört.
Aus dem Bremer Landgericht und dem Oberlandesgericht ist bekannt, dass acht der dort tätige Richter*innen auch in den zwei Gerichtskammern der bremischen evangelischen Kirche ehrenamtlich tätig sind. Paralleljustiz ? https://religionsfreiinbremen.de/2021/09/12/landgericht-und-oberlandesgericht-bremen-zu-kirchennah/
Die Berufungskammer beim Landgericht hat am 16. Mai eine Gutachten, das der „liberalen“ Theologin als Befangen abgelehnt.
„Der andere Gutachter, der katholische Theologe Schwienhorst-Schönberger, erklärte, Latzel habe für seine Bewertung der Homosexualität als sündhaft „von der Sache her eine gute biblische Grundlage“. Aus christlicher Sicht könne auch die radikale Gendertheorie als Widerspruch zur göttlichen Schöpfungsordnung gesehen werden. Das gelte auch für die Bewertung von Homosexualität als Degenerationsform der Gesellschaft. Diese Ansichten seien nicht Latzels „private Sondermeinung“, sondern würden weltweit nach wie vor von Theologen vertreten.“ Zitiert nach IDEA 13.Mai 2022