via kontrapolis
Wir machen uns auf den Weg. Mit vielen werden wir im Spätsommer in Kassel die Waffenproduktion empfindlich stören. Unser ungehorsamer Widerstand gegen Aufrüstung und Militarisierung ist heute so angebracht wie selten zuvor – und eine Voraussetzung, damit diese Zeiten zu unseren werden.
Es ist Krieg. Unsere Erde steht kurz vor dem Klimakollaps. Die Welt befindet sich in einer ökologischen und sozialen Krise besonderen Ausmaßes. Die Preise explodieren, die Armut steigt, die Lebensmittelversorgung in Teilen der Welt bricht zusammen. Gleichzeitig werden die Reichen immer reicher und die Rüstungskonzerne profitieren wie nie zuvor. Die deutsche Regierung trägt zu diesem Wahnsinn bei: Sie investiert mit neuen LNG-Terminals weiter in fossile Energien und steckt zusätzliche 100 Milliarden in die Hochrüstung der Bundesrepublik zur modernsten Militärmacht in Europa.
Es ist Krieg. Seit Jahren töten deutsche Waffen in Jemen, in Kurdistan und anderen Teilen der Welt. Diese Kriege bedeuten Tod, Gewalt, Armut und Vertreibung sowie sexuelle Gewalt gegen FLINTA*. Das NATO-Land Türkei ist im Begriff einen weiteren Angriffskrieg in Rojava zu beginnen. Erdoğans Kriege – mit Panzern, die in Kassel hergestellt wurden – haben die westlichen Regierungen nicht zu Solidaritätsbekundungen mit den angegriffenen Kurd*innen und mit den Selbstverteidigungseinheiten YPG/YPJ bewegt. Sowohl der Westen als auch Russland lassen Erdogan gewähren.
Es ist Krieg. Deutschland ist Kriegspartei im russischen Krieg in der Ukraine. Deutschland rüstet beide Seiten auf: mit der Lieferung von schweren Waffen an die Ukraine und mit dem Kauf von Öl und Gas aus Russland. So ergeben sich für eine wirkmächtige Antikriegsbewegung hierzulande zentrale Angriffsziele: Die großen Konzerne, die in Deutschland sowohl für fossile Energien als auch für Rüstung verantwortlich sind: Wintershall Dea, Rheinmetall, Krauss-Maffei Wegmann u.a.. Sie alle haben einen Firmensitz bzw. Produktionsstätten mitten in Kassel.
Die Verhältnisse schreien nach Zuspitzung
Wir haben zuletzt 2020 in Kassel und 2021 in Oberdorf vor den Toren der Rüstungsfirmen gesessen und mit unseren Blockaden dafür gesorgt, dass die Rüstungsproduktion kurzzeitig heruntergefahren werden musste. Die medienscheuen Konzerne hatten den meisten Mitarbeiter*innen für den Tag freigegeben und unsere Präsenz vor den Einfahrten still geduldet. Wir konnten danach ohne Personalienfeststellung abziehen. Alles schien möglich, jedenfalls viel mehr als eine eintägige Sitzblockade. Aus diesen Erfahrungen haben wir gelernt und bauen darauf auf.
Vom 29. August bis 4. September sind wir wieder in Kassel mit Camp und Aktionstagen. Unsere Gegner werden damit rechnen müssen, dass wir in der Woche um den Antikriegstag am 1. September den Ablauf und die Produktion in ihren Werken massiv stören werden.
Die Zeiten sind heute andere als noch zu Beginn unserer Rheinmetall-Entwaffnen-Initiative. Rheinmetall arbeitet derzeit mit Nachdruck an der Modernisierung von Panzern. Einen mehrtägigen Produktionsstopp wird der Konzern nicht einfach dulden können. Mit der Kunstausstellung documenta sind Tausende Menschen vor Ort, die sich wie wir in der Stadt bewegen werden. Diese Gelegenheit lassen wir uns nicht entgehen. Und unsere Antwort wird den katastrophalen kriegerischen Verhältnissen entsprechen. Hierbei können wir von anderen Initiativen wie zum Beispiel unseren Freund*innen von Ende Gelände lernen. Wir verbinden deren Erfahrungen der Besetzungen mit unserer gewohnt frechen Art, Blockaden und Barrikaden wie 2018/19 um die Rheinmetall-Fabrik in Unterlüß zu errichten. So werden wir im Sommer in Kassel gemeinsam die Kriegsproduktion nachhaltig treffen.
Es wird eine Menge passieren
In der Stadt wird wie in vergangenen documenta-Jahren viel los sein. Zahllose Initiativen nutzen die Kunstausstellung, um verschiedene politische Akzente zu setzen. Auch wir leisten unseren Beitrag, um den Rüstungsstandort Kassel aufzumischen.
Während unserer Aktionstage Ende August/Anfang September in Kassel wird es bunte Aktivitäten geben, die ein Bild der Vielfalt und Kreativität vermitteln. Als Menschen aus verschiedenen sozialen Bewegungen und politischen Spektren führen wir darüber hinaus gemeinsam eine massenhafte ungehorsame Aktion durch, die anschlussfähig für alle ist, die sich beteiligen wollen.
Ziel unseres Handelns ist das Lahmlegen der örtlichen Konzerne, nicht einzelne Beschäftigte. Wenn wir in Kassel sind, soll keine Rüstungsproduktion stattfinden. So markieren und sabotieren wir die Waffenfirmen durch originelle und effektive Aktionen mit dem Einsatz unserer Körper und weiterer kreativer Mittel. Dank unserer Aktionstrainings sind wir gut vorbereitet und entschlossen. Wir bilden Bezugsgruppen. Mit vielen Menschen bewegen wir uns wie die Finger einer Hand, die sich auffächern und unterschiedliche Wege einschlagen können, gut organisiert auf unsere Ziele zu. Weder bauliche Barrieren noch Absperrungen der Polizei hindern uns daran. Wenn nötig umfließen wir diese, um zu den Konzernen vorzudringen. Dabei achten wir auf uns und unterstützen uns gegenseitig. Möglichen Rechtsfolgen begegnen wir gemeinsam und solidarisch.
Den Normalzustand durchbrechen
Wir lassen uns nicht einschüchtern, selbst wenn die Polizei ihr gesamtes Repertoire in Kassel stationiert und die Konzerne in diesen sechs Tagen und sechs Nächten wie eine Festung gesichert sein werden. Mit einem massiven Polizeiaufgebot tragen sie selbst zu Störungen und Blockaden bei und verunmöglichen die planmäßige Arbeit in den Betrieben.
Von der Polizeipräsenz in Kassel aber werden die Anwohner*innen und die zahllosen documenta-Besucher*innen entsetzt sein. Gleichzeitig sind sie so unmittelbar mit der Realität der Rüstungsstadt Kassel konfrontiert. Deshalb werden wir und unsere Aktionen von allen verstanden, die mit uns die Auffassung teilen, dass die Welt am Kollabieren ist, dass die soziale Ungerechtigkeit zum Himmel schreit und dass wir unsere praktischen Kämpfe zuspitzen müssen.
Weil wir entschieden und zielstrebig vorgehen und für die Polizei unberechenbar bleiben, wird es uns gelingen, unsere Pläne in die Tat umzusetzen. Wenn wir uns in Bewegung gesetzt haben, wenn wir die Zufahrten versperrt haben, wenn die Maschinen still stehen und die Arbeit und die Produktion nicht wieder aufgenommen werden können, beginnt unsere Zeit.