Eins vor den Latzel knallen – Religionsfreiheit deckt keine Queerfeindlichkeit!

kopiert von indymedia

Der Pastor Olaf Latzel verbreitet Hetze gegen queere Menschen – und wird vom Landesgericht Bremen freigesprochen. Wir stellen uns vehement dagegen und fordern Konsequenzen, allen voran eine Verurteilung Latzels!

Olaf Latzel ist Pastor der St. Martini Gemeinde mitten in der Bremer Innenstadt, einer der Landeskirchen der Evangelischen Kirche Deutschlands. In einem sogenannten „Eheseminar“, das später auf YouTube verbreitet wurde, äußerte er sich mehrmals extrem homophob und queerfeindlich. Wir wollen seine Äußerungen an dieser Stelle nicht reproduzieren.

Das Bremer Amtsgericht hatte Latzel aus diesem Grund 2020 wegen Volksverhetzung zu einer Geldstrafe verurteilt. Latzel ging daraufhin in Berufung. In dem darauffolgenden Berufungsprozess sollte festgestellt werden welches Grundrecht hier geschützt werden soll: Die Würde des Menschen, unabhängig von seiner Sexualität, oder die Religionsfreiheit. Fraglicherweise wurde sich von Seiten des Gerichts dazu entschieden ein Guatachten in Auftrag zu geben, das prüfen sollte, inwiefern Latzels Aussagen von der Bibel gedeckt seien. Anstatt sich um die Rechtssprechung zu Gunsten von marginalisierten Menschen zu kümmern, ging es im Prozess plötzlich um Bibelauslegungen. Aber das war noch nicht genug: Als Gutachter wurde Christoph Raedel ausgewählt. Der Gießener Theologe hatte selbst Homosexualität als Sünde bezeichnet und sich darüber hinaus öffentlich homophob geäußert. Aufgrund seiner mangelnden Neutralität als Sachverständiger wurde Raedel später wegen seiner Befangenheit vom Prozess ausgeschlossen.

Im weiteren Prozess kamen zwei andere Gutachter:innen zu Wort: Die Bochumer Theologieprofessorin Isolde Karle bewertete Latzels Aussagen als nicht christlich und betonte, dass solche Aussagen nicht von der Religionsfreiheit gedeckt werden dürften. Der Wiener Theologieprofessor Ludger Schwienhorst-Schönberger wiederum behauptete, dass die Aussagen des Angeklagten von der Bibel gedeckt und damit im Rahmen der Religionsfreiheit von Rechten seien. Dieser Einschätzung wurde sich seitens des Landgerichts angenommen und Latzel wurde durch Richter Hendrik Göhner freigesprochen.

Kurz nach dem Freispruch ist die Staatsanwaltschaft in Revision gegangen. 

Die christliche Kirche und ihre Werte haben seit Jahrhunderten einen enormen Einfluss auf unsere Gesellschaft. So mag es mit der Aufklärung zu einer Trennung von Staat und Kirche gekommen sein, doch ist das nicht mehr als ein formaler Ausdruck. Denn bis heute sind die Praktiken der christlichen Kirche tief in unserem Alltag verwurzelt, ob wir das wollen oder nicht. Bis heute ist das konservative, starre Konstrukt des Christentums maßgebend für den Umgang innerhalb unserer Gesellschaft. So gehört es auch zum Alltag, dass Geistliche wie Latzel die Freiheit besitzen öffentlich gegen queere Menschen und ihren Aktivismus zu hetzten ohne dafür Konsequenzen fürchten zu müssen. Unter dem Deckmantel der Religionsfreiheit wird hier strukturelle Homo- und Queerfeindlichkeit weiter institutionalisiert und reproduziert. Wie das Wort „Religionsfreiheit“ schon impliziert, sind wir frei zu glauben an was wir wollen, ohne dafür Repressionen fürchten zu müssen. Doch ist der Moment in dem der Glaube eines*r Anderen die eigene Lebensqualität einschränkt, ein repressiver Moment und darf somit nicht von der Religionsfreiheit gedeckt werden.

Wie der Fall von Olaf Latzel jedoch zeigt, gilt das nicht für jede Religion. Wo z.B. beim muslimischen Glauben in Alemania schon bei der schieren Existenz eines Kopftuches die Grenze des Ertragbaren gezogen wird, lässt sich unter christlichen Glauben nun legal Hassen. Bei der Verfolgung dieses Prozesses muss sich mensch die Frage stellen, ob wir uns wieder im 18. Jahrhundert befinden, wo die Bibel noch maßgebend für die Beurteilung von Vergehen war. Denn es ist außerordentlich fragwürdig, welche Relevanz ein theologisches Gutachten in der Frage um die Menschenwürde queerer Menschen hat. 

Wir schätzen es auch nicht als Zufall ein, dass in dem Prozess um Latzel die cis-männlichen weißen Stimmen am Ende das letzte Wort hatten. Sowohl das Urteil der Richterin Ellen Best aus 2020 als auch die Einschätzung der Gutachterin Isolde Karle wurden revidiert. Das zeigt uns ein weiteres Mal wer im Patriarchat die Macht und das vermeitliche Recht innehält.

Seit Jahrhunderten werden unsere Körper kontrolliert, diffamiert und sexualisiert. Sie haben uns verfolgt, bestraft und ermordet. Und all das auch immer wieder im Namen der Religion. Dieses Urteil ist ein weiterer Tritt ins Gesicht für alle queeren Menschen, die gezwungen sind auf den Staat zu vertrauen, wenn es um die Verflechtung ihrer Menschenwürde geht. Wieder einmal wurde uns das Gegenteil bewiesen, wieder einmal wurde uns deutlich gemacht, dass wir als Menschen zweiter Klasse wahrgenommen werden.

Wir schließen uns den Forderungen der Queerloby Bremen an und fordern eindeutige Konsequenzen für Olaf Latzel! Diskriminierung kann niemals durch Religionsfreiheit legitimiert werden. Queerfeindlichkeit muss als solche benannt und bekämpft werden. Es ist seine Verantwortung sich den Konsequenzen seines Handelns zu stellen, nicht die von Gott. Wir unterstützen eine Verurteilung Latzels, denn menschenverachtender Hass ist in keinem Kontext zu tolerieren. Des Weiteren ist auch die evangelische Landeskirche zu kritisieren, die sich mit ihren schwachen Rückrad nicht aktiv von Latzel zu distanzieren mag. Die Institution der Kirche trägt heutzutage immer noch dazu bei, dass Hass und Diskriminierung in ihren Gemeinden in Frieden keimen können. Dem ist entschieden entgegenzuwirken und daher fordern wir nicht nur Konsequenzen für Latzel sondern auch für die evangelische Landeskirche Bremen, denn Queerfeindlichkeit hat keinen Platz in unserer Stadt.

Wir sagen es an dieser Stelle ganz deutlich: Vor Feminismus gehört das Queer. Unsere Kämpfe wollen wir gemeinsam und intersektional führen. Wir haben keinen Bock auf christliche Werte aus vergangenen Jahrhunderten! Latzel ist dafür nur ein Beispiel. Jedes Jahr finden sogenannte 1000 Kreuze Märsche in mehreren Städten der Bundesrepublik statt, die zutiefst antifeministisch sind. Und auch die Aufhebung des Rechts auf Schwangerschaftsabbrüche in den USA erschüttert uns. Wir wollen uns diesen Entwicklungen entschieden entgegenstellen! Wir prangern Menschen wie Olaf Latzel für ihre Aussagen und ihr Verhalten an! Wir sind laut! Und wir wollen Gerechtigkeit!

Kein Gott, kein Staat, kein Patriarchat!

Quellen:

https://www.butenunbinnen.de/nachrichten/latzel-prozess-staatsanwaltschaft-berufung-bremen-100.html

https://www.butenunbinnen.de/nachrichten/urteil-prozess-volksverhetzung-bremer-pastor-latzel-102.html

https://taz.de/Freispruch-fuer-Olaf-Latzel/!5853386&s=latzel/

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