Erklärung zur Veranstaltung Die Frauen*- und Arbeiter*innenbewegung im Iran
Was, eine Veranstaltungsreihe zu Islamismus?!?
Was gibt es nicht im Vorhinein schon alles für Unterstellungen, warum wir diese Veranstaltungsreihe machen. Der mildeste Vorwurf ist dabei noch, wir würden ganz naiv gar nicht bemerken, dass wir einem rechten Diskurs in die Hände spielten – der schlimmste, wir täten das mit Absicht. Tatsächlich haben wir innerhalb unserer Gruppe bereits schon länger zu diesem Thema gearbeitet und darüber diskutiert. Zweck der Veranstaltungen ist, uns in dieser Weise damit weiter auseinanderzusetzen.
Aber natürlich gehen wir von ein paar inhaltlichen Vorannahmen aus: Dass das Thema hier und jetzt gesellschaftlich relevant ist. Und natürlich auch solche über die Begriffe von Betroffenheit, radikaler Gesellschaftskritik und wie das in einem Verhältnis zueinander steht.
Dieser Text soll dazu dienen, unsere (keineswegs abgeschlossene) Position deutlich zu machen. Dabei gehen wir auf einige Kritikpunkte ein, die an uns gerichtet wurden.
Rechte „Islamkritik“?
Wir behaupten, dass die „Islamkritik“ der Rechten keine ist. Sie ist schlicht Rassismus. Ihnen geht es nicht um eine Kritik von Religion als Ideologie bzw. der gesellschaftlichen Verhältnisse, die sie hervorbringen. Stattdessen lehnen sie Muslim*innen als Menschen ab. Sie sagen Islam, sie meinen „die Anderen“. Sie sind auch nicht bereit, etwa Menschen aus Afghanistan, die vor dem islamistischen Terror fliehen, Asyl zu gewähren. An einer Analyse des Islamismus und einer tatsächlichen politischen Analyse seiner Inhalte ist den Rechten gar nicht gelegen. Denn dann müssten sie sich eingestehen, dass sie in Punkto Frauen*feindlichkeit, Antisemitismus und dem Wunsch, in einer Masse von Gleichen endlich alle „Anderen“ verjagen, zerstören, vernichten zu dürfen, gar nicht so verschieden sind von ihren vermeintlichen Gegnern. Die angeblich „islamkritische“ PEGIDA-Bewegung richtete sich von Anfang an explizit gegen die PKK, also gegen eine Gruppe, die wichtige Verbündete des Kampfes gegen den IS sind. Und die Sorge rechter Männer um „unsere Frauen“ meint vor Allem, dass sie glauben, das alleinige Vorrecht auf Frauen*körper beanspruchen zu dürfen.
Über Religion…
Ja, es stimmt, wir nehmen uns raus, Religion als Ideologie rundweg abzulehnen. Und zwar jede. In der Vergangenheit haben wir uns vor allem an christlichen Fundamentalist*innen, zum Beispiel Abtreibungsgegner*innen und Homohasser*innen, abgearbeitet. Auf der Straße, aber auch bei Veranstaltungen und Workshops zum diesem Thema.
Das heißt aber nicht, dass wir deshalb religiöse Menschen hassen oder alle Gläubigen in einen Topf werfen mit solchen aus ihrer Mitte, die der ganzen Gesellschaft ihre religiösen Vorstellungen aufzwingen wollen. Was religiöse Autoritäten sagen und was die Gläubigen dann tun, darin besteht zum Glück ebenfalls ein Riesenunterschied. Ideologiekritik, das ist für uns keine abstrakte Kritik des Denkens, am besten noch gepaart mit erhobenen Zeigefingern und identitär-moralischen Anwürfen an andere.
Ideologiekritik ist vor allem die praktische Kritik der gesellschaftlichen Umstände, die die Ideologie hervorbringt. Deswegen ist die Kritik der Religion für uns auch nicht trennbar von der Kritik ihrer Voraussetzungen, von Patriarchat und Kapitalismus, der bürgerlichen Gesellschaft in ihrer Gänze.
Für uns ist jede Vorstellung darüber, wie die Gesellschaft auszusehen hat, politisch. Sie darf deshalb keinem besonderen Schutz vor Kritik beanspruchen, nur weil Leute glauben, ein allmächtiger Gott hätte sie ihnen geflüstert. Wir wollen uns nicht bei denen einreihen, die meinen, „der Islam“ sei besonders grausam oder reformunfähig oder menschenfeindlich „aus sich heraus“. Weil es für uns keine „wahre, gottgewollte Religion“ geben kann, ist weder der Islamismus kein Teil des Islams, noch führt der muslimische Glauben zum Islamismus.
… und religiöse Menschenfeinde
Dass aber Islamist*innen eine reale Gefahr sind, kann unserer Meinung nach niemandem entgangen sein. Ob das religiös-nationalistische Regime in der Türkei, die brutalen Anschläge und das Terrorregime des IS oder das religiöse Regime im Iran – sie alle bedrohen Frauen*, Linke, LGBTIQ*, Jüd*innen und überhaupt alle, die nicht in ihre rigiden Glaubensvorstellungen passen (das sind, nicht zuletzt, andere Muslim*innen). Sie tun das nicht nur in ihrem Land, sondern ermorden und verfolgen ihre tatsächlichen oder vermeintlichen Gegner*innen auf der ganzen Welt. Wer das übersieht, schlafwandelt wohl eher durch die Welt.
Dass auch andere Religionen das Zeug zur extremen Menschenverachtung haben, ist selbstverständlich. Das zeigen historisch die klerikalfaschistischen Regime Spaniens und Kroatiens, der Hindufaschismus in Indien oder aktuell das brutale Morden an und die Vertreibung von den Rohingya.
Betroffenheit?
Zum Thema “Betroffenheit”. Wir stehen als antinationale Linke für globale Solidarität ein. Wir wollen eine ganz andere Gesellschaft, in der alle ohne Angst verschieden sein können. Das heißt auch, alle menschenfeindlichen Ideologien zu kritisieren, egal, ob sie religiös, nationalistisch, marktliberal oder sonstwie daherkommen.
Schlicht respektlos ist es, von Mina Ahadi zu behaupten sie würde sich von uns als „Kronzeugin“ benutzen lassen. Während Menschen uns vorwerfen, wir würden uns zu Fürsprecher*innen machen wollen (für wen oder was eigentlich?), diffamieren sie eine wortgewaltige Person wie Mina quasi als Mitläufer*in.
Wir meinen, nicht alle Ansichten mit ihr teilen zu müssen, um es trotzdem richtig zu finden sie als atheistische Linke und als Expertin für die politische Situation im Iran und den politischen Islam einzuladen. In diesem Sinne sind natürlich alle herzlich willkommen, kontrovers mit ihr zu diskutieren.
In diesem Sinne hoffen wir, uns auf den kommenden Veranstaltungen zu treffen, auszutauschen, gemeinsam zu lernen und solidarisch zu streiten.
Eure BA
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