Ahmet Agir nicht vergessen

Die Staatsanwaltschaft Bremen hat zwei Jahre nach Ahmets Tod 2017 in der Forensik Bremen-Ost wiederholt versucht, das Verfahren bezüglich Ahmets Tod nach einem Absonderungsversuch einzustellen bzw. eine Anklage zu verhindern.

Von Anfang an war zu erkennen, dass Zeugenaussagen von Inhaftierten nicht den gleichen Stellenwert erhielten wie Aussagen des Personals. Auch dass es trotz des Ermittlungsverfahrens wegen Körperverletzung mit Todesfolge zu keinen Suspendierungen/Versetzungen der Tatbeschuldigten kam, verriet, wie „objektiv“ auf die Begebenheiten geschaut wurde. Wurde anfangs noch versucht, eine gänzlich andere Version zu konstruieren (eine von Ahmet verweigerte Urinkontrolle), wird nun seitens der Staatsanwaltschaft Bremen nur noch der Vorgang im Raucherraum verhandelt. Die Tatbeschuldigten befanden sich laut Staatsanwaltschaft in einer „Notwehrsituation“, da Ahmet, nach Angaben des Personals, mit einem Glasaschenbecher warf. Die „Notwehrsituation“: erst drei Personen gegen Ahmet, dann über 20 Pfleger*innen und Securitymitarbeiter gegen ihn, so verschriftlicht es die Staatsanwaltschaft, machen Zeugenaussagen von Mitinhaftierten nicht weiter notwendig.

Auch rechtfertigt diese „Notwehrsituation“ angeblich die angewendeten (KDM)-Kampftechniken. Eine Fixierung in Bauchlage, die von Amnesty International als Folter bezeichnet wird und in den USA seit 20 Jahren verboten ist, war für die Staatsanwaltschaft Bremen eine angemessene „Selbstverteidigung“ der Tatbeschuldigten. Ahmet ́s Kampf um Luft vor seiner Bewusstlosigkeit war kein Grund, von ihm abzulassen. Die Staatsanwaltschaft bewertet: da Ahmet noch lautstark schrie, kann er nicht wirklich in Not gewesen sein. Weiter, dass zu keinem Zeitpunkt Ahmets Luftzufuhr blockiert wurde. Dabei kosten angewendete KDM-Techniken und Fixierungen in Bauchlage immer wieder Menschen das Leben („Gewahrsamstod“).

Dass Ahmet, bevor es im Raucherraum zur Gewalteskalation kam, sich von der Ausgangssituation (verweigerte Ausgabe seines Tablettes) abwendete, sich somit deeskalativ gegenüber der Provokation der Pflegerin verhielt und in diesem Moment der Absonderungszugriff (Eberhardt) ausgelöst wurde, bleibt ebenfalls unerwähnt. Auch dass, nachdem Ahmet im Zuge der Gewaltorgie das Bewusstsein verlor, erst über Minuten später der Notruf ausgelöst wurde, betrachtet die Staatsanwaltschaft nicht als fahrlässig. Sie erklärt, dass fälschlicherweise ein zweiter „Notfall-Zugriff-Alarm“ (Eberhardt) statt des Notrufs (Elonore) ausgelöst wurde. Auch lässt die Staatsanwaltschaft Bremen unberücksichtigt, dass mehrere Defibrillatoren der forensischen Psychiatrie nicht einsatzbereit waren und im Zuge der polizeilichen Ermittlungen die Chips der Geräte nicht ausgelesen wurden/werden konnten.

Die Rechtsmedizin kam zu dem Befund, dass erhebliche Vorerkrankungen Ahmet ́s Tod (mit)begründeten. Dass Ahmet unter „Fürsorgepflicht“ im forensischem Vollzug unter Psychopharmaka über 40 Kilo Körpergewicht zunahm und zuvor Arztkonzile verhindert wurden, bleibt von der Staatsanwaltschaft ebenfalls ausgespart.

Somit soll Ahmet ́s Tod als einer von vielen „tragischen Unfällen“ im Vollzug, als „schicksalshafter Tod“ unverantwortet bleiben. Weder Ahmets Angehörige, noch Mit-Inhaftierte und Aktivist*innen akzeptieren, dass der „Fall“ zu den Akten gelegt wird. Es wird ein Klageerzwingungsverfahren angestrengt. Oben genannte hoffen auf Solidarität und Unterstützung und fordern Politik sowie Fachaufsicht und Besuchskommission auf, für eine objektive und transparente Aufklärung zu sorgen.

Quellen:
Frontal 21, 9.10.18: Psychiatrie Bremen-Ost Schwere Vorwürfe gegenKlinik
https://www.zdf.de/…/fronta…/psychiatrie-bremen-ost-100.html
TAZ, 11.5.18: Die Station ist Trübsal pur – Mahnwache gegen Zustände in
der Psychiatrie: https://taz.de/Mahnwache-gegen-Zustaende-in-der-Psychiat…/…/
GefangenInfo 408: „In Gedenken an Ahmet Agir“ und GefangenInfo 409:
„Ende einer Therapie“

Unterzeichner*innen:
Familie und Freunde Ahmet ́s, AK- Psychiatriegewalt stoppen, Irren-Offensive, Landesverband, Psychiatrie-Erfahrene Berlin-Brandenburg, Werner-Fuss-Zentrum, Psychiatrie-kritische-Initative-Tübingen (PKIT), Initative Zwangsbefreit, Psychiatrie-kritische Gruppe Bremen, Seebrücke Bremen, Justice For MbobdawMbobda, Black Community in Hamburg Rote Hilfe e.V., Claudia Beck, Lordi Schadt (Schriftsteller), Heike O., Julia Benz u. Gabor Kovacs (Weglaufhaus-Initative-Ruhrgebiet), Dr. med. Regina Möckli, Pascale Schanck, Rechtsanwaltskanzlei Stefan Minninger(Kiel), Torsten Poenisch, Bärbel Bodendörfer, Tanja Kreutz, Inki Rose, Steffi Ant, Helge Thoelen, Brigitte Pusch, Sabine Schütenberg, Silke Kurzweg, Patty Badarau, Dr. Astrid Hirsch, Christian Lehmann-Feddersen, Kristina Dernbach (Mitglied im geschäftsführenden Vorstand des Bundesverbandes Psychiatrie-Erfahrener e.V.), Aziz Firat, Fatma Firat, Nahsen Yalçın, Gülay Yalçın, Alican Yalçın, Nesrin Yalçın, Mesut Zungur, Zöhre Zungur, Alper Zungur, Ekrem Zungur, Yunus Zungur, Ercan İlter, Azize İlter, Seval İlter, Alettin Firat, Gülay Firat, Azizcan Firat, Saim Firat, Zayide Firat, Pinar Firat, Mahmut Firat, Hasan Firat, Ahmet Firat, Zehra Zungur, Elisabeth Demirovska, Katarina Steinchen, Vanessa Taube, Mustafah Fedai, Sigrid Wolf Steinchen, Andreas Wolf, Magdalena Chilla, Benjamin Kraka, Orhan Gündogan, Berkan Gündogan, Seyhan Gündogan, Fatma Can, Dalar Hartani, Marenn Bock, G.Ghazaryan, Dieter Ahlemann-Bock, Emel Korkmaz, Saddetin Korkmaz, Aslan Korkmaz, Özcan Korkmaz, Gülizar Korkmaz, Dilşin Korkmaz, Fannado Korkmaz, Axel Korkmaz, Ferkur Korkmaz, Ercan Korkmaz, Medine Yaldiz, Seline Yaldiz, Dilvin Yaldiz, Dilşad Yaldiz, Rahmi Korkmaz, Gürkan Korkmaz, Imad El-Hadi, Abed Dagal, Adnan Malta, Sefa Eser, Tayfun Capalar, Zurafete Kumar, Mexhide Kraka, Zemona Golig, Linda Nickel, Ahmet Eser, Seher Eser, Ferize Eser, Funda Heleman, Ibrahim Heleman, Samentha Fox, Sona Merziç, Rijad Merziç, Elif Zehra Vurgun, Nur Tuba Ndour, Göksan Vurgun, Ovat/Rojda Deran, Emine Sgarra, Angelo Sgarra, Giuseppina Sgarra, Kaya Aldullah, Tayboga Muhammed, Firat Safiye, Sibel Agir, Pavum Naserian, Hulm Jacquenne, Merike Liebert, Max Boldt, Janis Wendland, Bas Geilten, Bas Kazim, Okur Marzena, Joachim Lauer, Sebastian Lindner, Daniela Bartnitzki, Özdemir Onur, Al-Kassaba Naser, Ahmad Alhaj-Ali, Zakaria Oklaa, Aljnied Diaa, Wise Osama, Afranjieh Amar, Issa Wafie, Kazah Muhamet, Oklaa Hazem, Muhamet Alhaj-Ali, Gahith Alhaj-Ali, Tolnea Aksuy, Cem Aksuy, Cengiz Aksuy, Öznur Cizdam, Almina Sezer, Gözde Sezer, Ahmet Eser, Seher Eser, Ferize Eser, Funda Heleman, Ibrahim Heleman, Samentha Fox, Sona Merziç, Rijad Merziç, Elif Zehra Vurgun, Nur Tuba Ndour, Göksan Vurgun, Alev Demir, Sider Hydogdu, Mehmet Önder, Filipoca Ceylan, Volkan Tava, Abdulbazri Bazkir, Yakah Hacan, Mohammed Akran, Bicah Aykut, L. Shugb, Khalit Sundus, Ali Kilius, Tolgay Yilmaz, Rainer Blum, Marun Meypienin, Murphy Timothy, Mustafa Okun, Sadettin Taskin, Mustafa Cakicn, Murat Güren, Aksay Birol,Tuncay Kasikci, Birol Aksay, Tuncay Kasikci, Cengiz Cahit, Turan Angici, Kadir Yigit, Murat Has, Murat Saygili, Zeynep Okur, Aleyna Okur, J. Spieß, Yasaman Mahclavid, Aricen Bayat D., Aydin Mohamet, Trang Thao My, Ümit Demirtay, Özgin Celik, Joan Hann, A. Hering, Alma M., Sven Bernsee, Lalchuir Sandhu, Melissa Eren, Vishal Kumar, Thelaxsan Antonistunar, Kerstin M., Can Artan, Samantha Focks, Ariana Focks, Detlev Bachmann, Nadine Wessel, Michelle Wessel, Karina Wessel, Bernd Focks, Mirtat Hardan, Maurice Focks, Pierre Focks, Peter Tietje, Rolf Rerzel, Edith Ahrens, Volker Hackeman, Petra Zander, Morkraf Tourmeh, Yousef Tourmeh, Ahmad Tourmeh, Mohammed Arfin, Mohammed Aras, Lorenz Steffen, Andreas Voß, Ömur Özdemir, Yagmur Özdemir, Musa Özdemir, Nurten Özdemir, Abdul Malak Zafer, Anna Abdul-Malaka, Ragid Khayri, Madhkov Messauda, Helali Amer, Omer Toumeh, Fahida Toumeh, Mouhammed Külünk, Yahya Külünk, Fatih Külünk, Hülya Yilmaz, Erdal Turan, Erkan Turan, Bürkan Kaya, Burak Kaya, Bünyamin Kaya, Thorsten Krüger, Ilkay Güler, Even Güler, Simge Güler, Malik Isskan, Mahmmud Isskan, L. Kapeas, Fenoozan Nino Rezaei

2 thoughts on “Ahmet Agir nicht vergessen

  1. Ich bin auch Patient in dieser Klinik und fühle mich auch ausgeliefert.Seit 2016 sitze ich erwiesener Unschuld in dieser Klinik fest.nur weil die Klinikleitung nicht einsieht das die Staatsanwaltschaft das Ermittlungsverfahren eingestellt hat. Wegen mangelnde Beweise und wegen den Zeugen.

  2. Das ist eine solche Unverschämtheit, jeder Polizist wird suspendiert wenn Todesfälle nicht geklärt werden und die Täter in der Klinik gehen locker und fröhlich ihren Job weiter nach. Behörden unternehmen Nichts was für eine Schande und Ignoranz der leidenen und gequälten Menschen gegenüber. Ich frage mich ernsthaft ob es überhaupt Gerechtigkeit für jeden Menschen gibt ? Ist ja nur ein Patient in der Forensik oder was ? Mal abgesehen davon das viele Patienten in der Forensik dort überhaupt nicht hingehören und nur wegen Fehldiagnosen von Idiotischen Psychologen dort landen und dort offiziel gequält,bestraft,gedemütigt, und sogar getötet werden und das alles ohne Folgen. Was für eine Schande.

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