Der Flüchtlingsrat fordert den Senat dazu auf, im Umgang mit der Corona-Krise die Diskriminierung von geflüchteten Menschen zu beenden:
Die Erstaufnahmestelle muss evakuiert werden. Die Gemeinschaftsunterkünfte müssen besser ausgestattet werden. Abschiebungen sind auszusetzen. Duldungen, Aufenthaltserlaunisse, Versicherungskarten und der Bezug sozialer Leistungen müssen ohne Vorsprache verlängert werden.
Die mit 700 Menschen überbelegte Landesaufnahmestelle in der Lindenstraße ermöglicht schon jetzt kein menschenwürdiges Leben. Dies wird sich im weiteren Verlauf der Krise verschlechtern. Sie muss deshalb sofort geschlossen und die Menschen an anderen Orten der Stadt dezentral untergebracht werden. Gesundheitlich besonders gefährdete Menschen benötigen Unterkünfte mit eigenem Koch- und Sanitärbereich. „In ganz Bremen stehen derzeit Hotels, Hostels und Ferienappartements leer. Diese kann die Sozialbehörde anmieten, leergezogene Unterkünfte können reaktiviert werden“, erläutert der Flüchtlingsrat Bremen. „Wer in Lagern leben muss, das eigene Leben nicht selbst bestimmen kann, vom Zugang zu Informationen und der regulären gesundheitlichen Versorgung abgeschnitten ist, hat eine geringere Chance gesund zu bleiben – oder auch zu überleben. Hier muss die Behörde sofort handeln.“
In Verdachtsfällen ist für Bewohner*innen von Sammelunterkünften der sofortige Zugang zur Testung sicherzustellen. Nicht-Betroffenen sind schnellstmöglich andere Unterkünfte bereit zu stellen. Sollte eine Quarantäne nötig werden, muss für eine adäquate soziale, medizinische und psychologische Betreuung der betroffenen Menschen gesorgt werden.
„Wir befürchten, dass die Behörde die Situation eskalieren lässt, bis nur noch die repressive Abriegelung durch Polizei und Security als Lösung erscheint. Das wäre kein Schutz, sondern Freiheitsentzug im Internierungslager. Die Erfahrungen, wie jüngst in Thüringen, zeigen, dass es dabei zu Gewalt gegen die Bewohner*innen kommt“, erklärt der Flüchtlingsrat.
Außerdem muss der Zugang zu umfassenden, verlässlichen, tagesaktuellen mehrsprachigen Nachrichten und Informationen sichergestellt werden. Unerlässlich ist dafür die Installation kostenfreien WLANs in allen Wohnräumen von Sammelunterkünften (nicht nur im Eingangsbereich), der Zugang zu PCs in den Unterkünften, sowie die Einrichtung mehrsprachiger Telefon-Hotlines für Flüchtlinge und Migrant*innen „Unter den Menschen in der EAE und den Übergangswohnheimen gibt es ein großes Informationsbedürfnis, seriöse Informationen in den benötigten Sprachen fehlen flächendeckend“.
Die Reinigungsfrequenz in Sammelunterkünften für Gemeinschaftsflächen, Küchen, Sanitärräume muss erhöht, Desinfektionsmittelspender müssen bereitgestellt werden. In gemeinschaftlichen WC-Anlagen und Küchen müssen Desinfektionsmittelspender, Papierhandtücher, Flüssigseife in ausreichendem Umfang zur Verfügung stehen.
Um persönliche Vorsprachen in den Behörden zu vermeiden, muss das Migrationsamt außerdem verlässlich Aufenthaltsdokumente und Duldungen verlängern und diese per Post zustellen. Ein Prozedere bei Erstausstellungen und Ersterteilungen muss erarbeitet und Transparenz darüber sichergestellt werden. Die Sozialbehörde muss Sozialleistungen von Amts wegen verlängern, auch wenn die entsprechenden Aufenthaltstitel oder Duldungen aufgrund der Corona-Krise (noch) nicht vorliegen. Fristsetzungen müssen aufgehoben und die Menschen tagesaktuell in den jeweiligen Sprachen informiert werden.
Schließlich muss der gleichberechtigte Zugang geflüchteter Menschen zu Arztpraxen und allen notwendigen Medikamenten sichergestellt werden. Für Menschen ohne Papiere und von Sozialleistungen ausgeschlossene EU-Bürger*innen muss der Zugang zum regulären Gesundheitssystem und zu Corona-Tests ermöglicht werden – unter der Zusicherung, dass keine Informationen an die Ausländerbehörden oder die Polizei weitergegeben werden. Die Schließung der Humanitären Sprechstunde durch das Gesundheitsamt darf die bestehende Versorgungslücke nicht noch vergrößern.
Abschiebungen in alle Länder sind sofort offiziell auszusetzen. Abschiebungen bedeuten nicht nur die Gefahr einer Infektion zwischen Abgeschobenen, Polizei und Flugpersonal, sondern auch der weltweiten Verbreitung des Virus. „Die Bundesrepublik ist ein Hochrisikogebiet“, so der Flüchtlingsrat. „Die Betroffenen müssen daher unverzüglich Duldungen bis zum Jahresende ausgestellt bekommen.“
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