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Steigende Mieten und Zukäufe im Ausland haben dem größten börsennotierten Vermietungskonzern Europas, Vonovia SE, im ersten Quartal deutlich mehr Gewinn beschert. So stiegen die Mieteinnahmen im ersten Quartal dieses Jahres um ein Fünftel auf 505 Millionen Euro – mit einem Gewinn von gut 200 Millionen Euro. Seit Jahresbeginn hat die Aktie bis Anfang Mai 17% zugelegt. Anfang der Woche erhöhte der DAX-Konzern sein Kapital um 744,14 Millionen Euro, mit dem u.a. ein Wohnungsportfolio in Schweden finanziert werden soll.
Nicht nur die Gewinne steigen, die Proteste gegen Vonovia SE auch!
Nachdem in Kiel Mieter*innen von Vonovia SE über geplante Baumaßnahmen informiert wurden, bildeten diese daraufhin ein Mieter*innenkomitee und kündigten Widerstand gegen die drastischen Mieterhöhungen von bis zu 60% an. Nach mehreren erfolgreichen öffentlichen Protestveranstaltungen gab das Unternehmen bekannt, von den geplanten Modernisierungsvorhaben vorerst abzusehen. Auch in Bremen-Gröpelingen, Stuttgart, Witten, Konstanz oder in Nürnberg organisieren sich Mieter*innen und wehren sich gegen den Wohnungskonzern.
Ferner kommt es bundesweit immer wieder zu Inbrandsetzungen und zu gezielten Sabotageakten an Fahrzeugen aus dem Vonovia SE Fuhrpark.
Im Wuppertaler Briller Viertel brannte vor dem ersten Mai laut Westdeutscher Zeitung ein Kleintransporter. Berichten zufolge handelte es sich bei dem Kleintransporter, der am 30.04. um kurz nach halb 3 Feuer fing, um ein Fahrzeug von Vonovia SE. Da in der gleichen Nacht, laut verschiedener Quellen, in Wuppertal-Oberbarmen bei einem weiteren Transporter die Reifen zerstochen und die Fensterscheiben stark beschädigt wurden, kann von einem Zusammenhang mit Bezug auf die aktuellen Proteste gegen Vonovia SE ausgegangen werden.
Im Jahr 2018 hat das größte Mietunternehmen Deutschlands einen Rekordgewinn von 1,07 Milliarden Euro (Vorjahr: 920,8 Millionen Euro) erzielt. Der Großteil des Gewinns stammt aus Mieteinnahmen. Nach Vorstellungen des Konzernvorstands soll der Überschuss in großem Maßstab umverteilt werden: Geplant ist, auf der morgigen Aktionärshauptversammlung in Bochum eine Dividende von 1,44 Euro für jede Aktie zu beschließen. Insgesamt sollen damit 746 Millionen Euro an die Anteilseigner*innen ausgeschüttet werden. Eine riesige Summe, die den Mieter*innen ohne Gegenleistung entzogen wird. Von jedem Euro Miete fließen etwa 38 Cent an die Aktionär*innen.
Erzielt wurde dieser Gewinn auf Kosten der Mieter*innen. Im vergangenen Jahr lag die Mietpreissteigerung konzernweit bei 4,4% (2017: 4,2%) auf jetzt durchschnittlich 6,52 Euro pro Quadratmeter. Seit dem Börsengang sind die Mieten der Vonovia SE, früher unter Deutsche Annington bekannt, bereits um 20% gestiegen, – ein Durchschnittswert, hinter dem sich zum Teil extreme Mietensprünge verbergen.
Aufgrund der dominanten Marktposition hat sich der DAX-Konzern, der in Deutschland, Österreich (2018 wurde die BUWOG für 3,6 Milliarden Euro gekauft) und Schweden (2018 wurde die Victoria Park für 770 Millionen Euro gekauft) knapp 395.000 Wohnungen – darunter viele einstige kommunale oder Werkswohnungen, die privatisiert wurden – besitzt, zu einem entscheidenden Mietpreistreiber in vielen Großstädten entwickelt.
Deutschlands größtes Mietunternehmen greift dabei auf Modernisierungsmaßnahmen zurück, denn die dafür anfallenden Kosten dürfen vollständig auf die Miete umgelegt werden und gehen damit allein zu Lasten der Mieter*innen. Diese können die Mieterhöhungen hinnehmen oder werden aus ihren Wohnungen verdrängt. Der Konzern hingegen profitiert von dauerhaft höheren Mieteinnahmen und zusätzlich von Wertsteigerungen seiner Immobilien. Die potentiellen Einsparmöglichkeiten auf Mieter*innenseite etwa bei den Energiekosten sind hingegen kaum spürbar. Entsprechend viel wird modernisiert. Während für Instandhaltung 2018 lediglich 290 Millionen Euro ausgegeben wurden, entfielen auf Modernisierungsmaßnahmen 1,14 Milliarden Euro. Im Rahmen der „Mietenwahnsinn stoppen“-Kampagne haben viele Menschen gegen diese Praxis protestiert und seit Anfang 2019 dürfen nur noch 8% statt 11% der Modernisierungskosten auf die Miete umgelegt werden. Die grundsätzliche Benachteiligung bleibt aber weiterhin bestehen, die Mieter*innen haben die Kosten zu tragen, ob sie wollen oder nicht.
Auch an anderer Stelle zeigt sich, dass es der Vonovia SE nicht um die Interessen ihrer Mieter*innen geht, sondern darum, maximale Profite aus dem Grundbedürfnis Wohnen zu ziehen. Bei den Betriebskosten verfolgt Vonovia SE eine „Insourcing“-Strategie, d.h. sie beauftragt Tochterunternehmen mit der Wartung und Pflege der Immobilien. Die Tochterunternehmen wiederum stellen die Leistungen dem Konzern in Rechnung. Dass diese Rechnungen niedrig ausfallen, daran hat Vonovia SE kein Interesse, streicht sie doch auch den Gewinn der Tochterunternehmen ein. Diese Tricks bei den Nebenkosten werden in einem unübersichtlichen Geflecht aus über 350 Tochterunternehmen versteckt. Zu den spezialisierten Tochterunternehmen gehören u.a. die „Vonovia Wohnumfeldservice GmbH“ für Gartenpflege, Winterdienst und Müllreduzierung, die „Deutsche Multimedia Service GmbH“ für Kabelgebühren oder die „Vonovia Immobilienservice GmbH“ für die sogenannte Objektbetreuung, die den Mieter*innen als „Hauswartkosten“ in Rechnung gestellt werden. Durch die Schöpfung immer neuer umlagefähiger „Dienstleistungen“ (von der „Objektbetreuung“ über die „Baumwartung“ bis zum „Müllmanagement“) lässt sich das Geschäftsfeld der willkürlichen Abwälzung von Gewinnmargen auf die Mieter*innen immer weiter ausbauen.
Zudem profitiert der Konzern von Steuervergünstigungen: Für die Leistungen der Tochterunternehmen fällt keine Mehrwertsteuer an. Die Mieter*innen spüren davon jedoch nichts, weil Vonovia SE die gleichen oder eben höhere Preise verlangt – und damit noch einmal kräftig kassiert.
Das Kerngeschäft der heutigen, in einem mehrstufigen Prozess entstandenen finanzindustriellen Wohnungsvermietungskonzerne ist nicht die möglichst teure Vermietung selbst, es ist die Nutzung der vermieteten Immobilie für die Konstruktion global konkurrenzfähiger Finanzanlageprodukte, was Mieterhöhungen geradezu erzwingt. Unter Anwendung standardisierter und automatisierter Verfahren werden mietrechtliche Spielräume, Differenzen zwischen Bestands- und Neuvermietungsmieten, territoriale Unterschiede in den Mietgefügen sowie die soziale Zusammensetzung, die ökonomische Lage, die Mentalitäten der Mieterschaften ebenso systematisch ausgenutzt wie „Optimierungspotentiale“ bei der Finanzierung, der Steuerbelastung, der Wohnungsverwaltung oder der Unternehmenskommunikation.
Durch territoriale Expansion, Insourcing und die Entwicklung neuer Geschäftsfelder versuchen die Konzerne wie Vonovia SE, ihre Kontrolle über für sie attraktive Wohnungsmärkte, Lieferketten und Dienstleistungen auszubauen. Es entstehen vertikal integrierte und horizontal expandierende Wohnungskonzerne, die über Standorte an vielen Orten Deutschlands und teilweise schon darüber hinaus verfügen. Über die Vermietung der bloßen Wohnung hinaus versuchen sie, weitere Leistungen zu verkaufen, deren Bezug für die Mieter*innen verpflichtend ist. Auf diese Weise monopolisieren sie einen ganzen Strauß an Dienstleistungen, ohne dass den Mieter*innen ausreichende Möglichkeiten der Kontrolle über die tatsächliche Leistungserbringung und -abrechnung zur Verfügung stehen würden.
Vonovia SE steht mit seiner Strategie beispielhaft für Gewinnmaximierung und die Finanzialisierung der Wohnungsbranche auf Kosten der auf bezahlbaren Wohnraum angewiesenen Mieter*innen. Das Grundbedürfnis Wohnen wird vom Konzern und dessen Aktionär*innen ausgenutzt, um individuelle Profitinteressen zu befriedigen. Einige wenige Personen erzielen dabei auf Kosten hunderttausender Menschen riesige Gewinne. Allein der Vorstandsvorsitzende der Vonovia SE, Rolf Buch verdiente im vergangenen Jahr 4,7 Millionen Euro.
Auch wenn es zukünftig in der Substanz keine Änderung der Mieterhöhungspolitik gibt, bleibt doch bemerkenswert, dass der größte deutsche Vermieter bekundet, mit einer wichtigen Strategieänderung auf Proteste der Mieter*innenschaft zu reagieren. Die (potentielle) Artikulation ist zu einem Faktor im Kalkül eines DAX-Konzerns geworden. Das ist ein relatives Novum und der vorläufige Höhepunkt eines Konflikts, der sich in den letzten Jahren immer mehr zugespitzt hat. Bei der Durchführung großer Modernisierungsprojekte zeigt sich immer häufiger, dass die Vonovia SE die soziale Lage und die Stimmung der Mieter*innen völlig falsch eingeschätzt hatte. Es ist auch deutlich, dass ihre kostenoptimierte Strukturen und automatisierten Verfahren nicht in der Lage sind, die komplexen Anforderungen bei größeren Projekten zu bewältigen.
Während die Vonovia in früheren Jahren Mieter*innenproteste und rechtliche Widersprüche mittels kleinerer, individueller Zugeständnisse und der üblichen Beschwichtigungsrhetorik der Pressesprecher*innen lokal beschränken konnte, gelang dies im Jahr 2018 nicht mehr. Mieter*innengruppen organisierten sich, ein handfester antagonistischer Interessenkonflikt lag vor.
Um möglichst gar nicht erst eine eigenständige Artikulation der Mieter*inneninteressen aufkommen zu lassen, stellt Vonovia SE inzwischen zusätzliches Personal ein, das sich um das Härtefallmanagement oder die Durchführung von Mieter*innenversammlungen kümmert. Damit versucht der DAX-Konzern, die Kontrolle über die Sorgen und Kommunikationswege der Mieter*innen zurückzugewinnen.
Klar bleibt: Wohnen darf keine Ware sein. Die Mieter*innenproteste gegen Vonovia und CO wachsen und die Debatte um Enteignung solcher Mietsteigungsmaschinen ist gerade aktueller denn je. Also: Weiter organisieren, Fahrzeuge demolieren – egal wie – egal womit, sich vernetzen, Mieter*innenkomitees bilden… Die Möglichkeiten für den Gegenwind sind vielfältig! Feuer und Flamme für Vonovia SE!
Aktionen gegen den Vonovia-Fuhrpark, der sehr präsent ist weil der Konzern im gegensatz zur Konkurrenz die Hausmeisterdienste selber abwickelt, aus den Städten Bremen, Wuppertal, Dresden, Berlin, Stuttgart, Hannover, Frankfurt und Leipzig sind hier einige dokumentiert: https://chronik.blackblogs.org/?s=vonovia