Konfuse Dete-Verhandlungen und diffuse Gefühle dazu

Ein Versuch zu verstehen, wie plötzlich eine Vereinbarung entstand

Wir, zwei Kartoffel-Menschen, die an dem Verhandlungsprozess – um die Detebesetzung – beteiligt waren, schreiben dieses Statement aus einer Ohnmacht & Enttäuschung heraus. Uns selbst & auch allen anderen Beteiligten gegenüber. Haben wir die Intentionen der Besetzung verraten? Wir könnten feiern – es wurden vielleicht „Ergebnisse“ erzielt, es wurden Teile von Forderungen durchgesetzt – doch das Gefühl der Freude stellt sich nicht ein. Eher herrschen Zweifel & das Gefühl, zu wissen, wir sind uns selbst nicht treu geblieben. Zu wissen, dass aus einer Hausbesetzung eine Vereinbarung mit der Stadt wurde.

SPANNUNGSFELDER DIE BLEIBEN
Anarchismus vs. linke Realpolitik
Konsens vs. Selbstverrat
Naivität vs. Skepsis
Wohlwollen vs. Erfahrungspraxis
Klare Haltung vs. Kompromiss
Ideale vs. Pragmatismus
Druck vs. Raum für Bedachtsamkeit
Angst vs. taktische Vorgehensweise

STROBO-EINDRÜCKE FÜR EIN EINBLICK IN DIE VERHANDLUNGEN
Es ist kalt. Schlafmangel allgegenwärtig. Wir haben nichts gegessen. Müssen pissen, aber dafür ist keine Zeit. Das Plenum wieder sehr zehrend.
Erschöpfte Supporter*innen(-Strukturen).
Ein Entwurf – nicht geeint – ohne Unterschrift. Von der Senatorin für Klimaschutz „…bla…“. Kurz vorm Plenum abgeben. Der Grünenpolitiker ER kündigt sich um 16 Uhr an. Um über diesen Entwurf zu sprechen. Es werden zwei Kartoffeln benannt, die während des laufenden Plenums kurz zu ER gehen sollen, nur um Fragen zum Entwurf zu klären. Soweit der Wissensstand der Kartoffeln. Ein 10-Augen-Gespräch mit der Vertretung des Senats. Wir dachten, wir reden kurz allein mit ihm. Plötzlich konkrete Verhandlungen.
Wann wurde das ausgemacht?

„In 15 Minuten will Mäurer räumen lassen.“
„Sowie ich außerhalb der Barrikade bin wird geräumt – wenn wir uns jetzt nicht einigen.“
„Wir reden hier nicht von Stunden, sondern von Minuten.“

6 Stunden. 3-4 Verhandlungsrunden. Im Wechsel mit Großplena-Absprachen. Auf einmal ist eine Situation geschaffen, in der behauptet wird, es MUSS eine Vereinbarung getroffen werden – wenn nicht geräumt werden soll. Entscheidungen müssen her. Ganz schnell. Immer wieder wird mit Bullen gedroht. Wer gibt uns das Recht Entscheidungen zu treffen? Strukturelle Macht. Strategische Manipulation. Gepaart mit emotionalen Einstreuungen von Anekdoten der kleinen Tochter – der Vertretung der Senatorin – die vergangenen angeblichen ähnlichen Verhandlungen mit dem Sportamt und dem Ölhafen wären doch ach so supi gelaufen. & schließlich würde ER sich ja nicht für jede Sache so einsetzen. ER stehe ja auch zwischen den Stühlen. ER möchte das ja auch nicht.
So wurden Tatsachen geschaffen – obwohl mehrfach der Zeitdruck stark kritisiert wurde. Unter Druck. In der Kälte. Es sind nicht alle da. Nicht alle gehört oder vertreten. & dann am Ende – wird eine Entscheidung getroffen, weil keins* mehr kann. Ein Zwangskonsens.
& dann die Krönung: die ausgedruckte Vereinbarung wird von einem Kumpel der Vertreter*innen, einem Sunnyboy a la Sexismus pur – der sich wiederholt sexuell-übergriffig in seinem Mackertum alle Ehre genommen hat – vorbeigebracht. & ER fragt: & hätte ihr gedacht, dass ihr soweit kommen werdet?

Soweit so eklig.

WIE ENTSTAND DRUCK
Ressourcenmangel – Petition der Nachbar*innen (Unterschriftensammlung für eine sofortige Räumung der Barrikaden ausgehändigt durch Mackerhabitus während des Plenums) – Dauerzustand: Druck – die Schwere der Tragweite der Entscheidung & der damit einhergehenden Verantwortung – Innere Aushandlungskämpfe – Überforderung – Fehlende juristische Kenntnisse – Fehlende Absprachen und dazugehörige Räume – Extremsituationsentwicklung – Erschöpfte Support*innen(-Strukturen) – Internalisierte Weiblichkeitsanforderungen – Kapitalistische Verwertungslogik, in Verbindung mit dem Gedanken „lieber eine Vereinbarung, als gar nichts haben“

OFFENE FRAGEN, DIE BLEIBEN
Haben wir den Anarcho-Queerfeminismus & unsere eigenen Ideale verraten?
Waren wir Spielfiguren oder haben wir ein Spiel mitgespielt – oder beides gleichzeitig?
Wurde durch die eingegangene Verhandlung mit den Vertreter*innen der Senator*innen, automatisch auch mit der Polizei zusammengearbeitet?
Gab es eine Manipulationskette?
Sind wir, durch die auf uns ausgeübten Manipulationen, zu Manipulator*innen geworden?
Haben wir, durch den auf uns ausgeübten Druck direkt den Druck weitergeleitet?
Kommt Bremermann mit strategischem Leerstand & mutwilligem Verfall von Wohnraum ein weiteres Mal durch?
Gibt es keine negativen Konsequenzen für Bremermann, sondern nur positive publicity?
Was ist mit der Verantwortung der Stadt?
Profilieren sich Parteien, wie die Grünen, durch die Besetzung der Dete, obwohl sie seit etlichen Jahren als mitregierende Partei den Leerstand – wie zum Beispiel bei der Dete seit 6 Jahren – nicht verhindern?
Wie kann es sein, dass keine FLINTA*-Only-Räume in Bremen existieren?
Wie kann es sein, dass kein Kulturbetrieb es bewerkstelligt hat, eine FLINTA*-Only-Veranstaltung auf die Beine zu stellen?
In wie weit sind die Dynamiken im gesamten Besetzungsprozess von sexistischen Strukturen geprägt?

& es bleibt das Gefühl versagt zu haben – oder reiht sich auch das in eine Reihe typischer, internalisierter Weiblichkeitsanforderungen- & Sozialisierungslogiken ein?

INTENTIONEN DIESES STATEMENTS
Wir wollen aus unseren Fehlern lernen, diese transparent machen, damit sie sich nicht wiederholen.
Wir wollen unsere Solidarität mit der Rosaroten Zora & allen zwiegespaltenen FLINTA*s & Unterstützenden ausdrücken.
Wir brauchen Strukturen & Erfahrungsaustausch, damit so etwas SO nicht nochmal passiert.
Für eine queerfeministische Zukunft.

Solidarität mit Liebig 34, Dete und allen FLINTA-Räumen überall.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert.