Fern jeder Rationalität – als gäbe es keine weltweite Klimakatastrophe und als hätte es die vielen hundert Demonstrationen von Fridays for Future nie gegeben – erhält die deutsche Automobilindustrie im November 2020 weitere fünf Milliarden Euro an staatlicher Unterstützung. – Und der Reiseveranstalter TUI ein drittes Rettungspaket mit Finanzhilfen in Höhe von 1,8 Milliarden Euro.
Damit nicht genug: während die Bundesregierung seit Beginn der Pandemie immer weiter ihr goldenes Füllhorn über die Wirtschaftsunternehmen mit hunderten von Milliarden Euro ausschüttet, bekommen ALG 2-Empfänger im Jahr 2020 eine Erhöhung um 14 Euro monatlich. – Dies in einer Situation, in der Arme in unserer Gesellschaft weniger offene Wärmestuben und Stadteiltreffs vorfinden, weniger Räume für soziale Begegnungen haben, und selbst das Flaschenpfand – für viele Mittellose eine notwendige Ergänzung zum Lebensunterhalt – aufgrund der leeren Straßen und Plätze massiv einbricht.
Der Kunst- und Kulturbereich in Deutschland wird an die Wand gefahren, außer Lippenbekenntnissen bleibt nichts. Theater, Museen, Kleinkunstbühnen und Kabaretts sind seit vielen Monaten geschlossen oder pleite. Kulturschaffende und Solo-Selbständige erhalten für ihre Existenz nicht mehr als ein Almosen, nämlich eine einmalige Unterstützung von 5000 Euro, die den Zeitraum bis Juni 2021 abdecken soll. – Unserer Gesellschaft ist das Angebot ihres kulturellen Bedarfes – das gerade jetzt so dringend notwendig wäre – zusammengebrochen.
Dagegen setzen Künstlerinnen und Künstler in vielen Städten seit Beginn der Pandemie immer wieder hervorragende Beispiele. Mit unentgeltlichen Theateraufführungen auf Straßen und Plätzen, mit Fensterkonzerten, Internetauftritten, Lesungen, Ausstellungen Solidaritätsauftritten für streikende Belegschaften und anderen vielfältigen Aktionen haben sie sich gegen den kulturellen Verfall gestellt.
Es sind Zeichen der Solidarität und Menschlichkeit, aber auch des Widerstands.
Der Anstieg psychischer Erkrankungen und Gewalttaten im engsten sozialen Umfeld zeigt, dass mit der Pandemie und den durch sie verstärkten Problem viel mehr gefährdet ist als unsere körperliche Gesundheit. Menschen sind soziale Wesen mit kulturellen Bedürfnissen.
In Deutschland geht die Rechtsentwicklung seit der Corona-Krise massiv weiter. Von Beginn der Pandemie an wurde durch die Regierung – ohne große Rücksicht auf parlamentarische Gremien – abrupt Einfluss genommen auf den Verlust der demokratischen Teilhabe von zivilgesellschaftlichen Organisationen, von Gewerkschaften, Betriebs- und Personalrats-Gremien, Bürgerinitiativen und Sozial – und Umwelt-Bewegungen.
Zugleich veranstaltet seit einem Jahr immer wieder ein rechter Mob aus Alt- und Neonazis, Antisemiten und Corona-Leugnern in Deutschland Demonstrationen und Aufmärsche, die inzwischen auch das wahre Gesicht der AfD als rechtsextremistischer Partei zeigen. Organisiert werden solche Kundgebungen häufig unter dem Dach von „Querdenken“. Faschismus und Rassismus erscheinen bei ihnen als „Meinungen“, die eben zu akzeptieren seien.
Nach den Bränden der Flüchtlingslager in Moria und in Bosnien wurde die Aufnahme von Flüchtlingen aus humanitären Gründen bis auf eine geringe Zahl – von vielen kaum wahrgenommen – beerdigt. Friedrich Merz beschreibt das mit den Worten: „Der Weg (nach Deutschland) ist nicht mehr geöffnet.“
Wir fordern auf zum solidarischen Handeln mit allen Betroffenen und zum politischen und kreativen Widerstand von Künstlerinnen, Künstlern und Kulturschaffenden! Lasst uns vor Ort gemeinsam mit Gewerkschaftern, Beschäftigten und anderen gegen den sozialen und kulturellen Kahlschlag Aktionen durchführen! Wir sagen klar: Wir brauchen eine Wende zur Umverteilung von oben nach unten – jetzt! Milliarden für Millionen statt für Millionäre.
Über 2100 KünstlerInnen und Kulturschaffende, andere Persönlichkeiten und Organisationen haben seit Sommer 2009 den bundesweiten Aufruf www.unruhestiften.de unterzeichnet. Es ist ein Aufruf gegen rechts, gegen die Abwälzung der Krisenfolgen und für die Umverteilung von oben nach unten, gegen die Kriegspolitik der Bundesregierung – und für die Förderung der kulturellen Vielfalt.