Stell dir vor es ist Pandemie und das Gesundheitssystem soll sich immer noch noch rechnen
Beim Klinikverbund Gesundheit Nord (GENO) sollen 450 Vollzeitkräfte entlassen werden. Grund dafür ist, dass die vier stadteigenen Bremer Krankenhäuser Mitte, Nord, Ost und „Links der Weser“ seit Jahren Minus machen. Letztes Jahr betrug das Defizit allein 40 Millionen Euro. Moment? Defizite bei Gesundheit? Sollte es da nicht um mehr, um bessere Gesundheitsversorgung, um mehr Betten, Stellen, um andere, bessere Arbeitsbedingungen für die gehen, die dort arbeiten? Um die „Helden“, denen wir erst vor ein paar Monaten noch zuklatschen sollten? Schließlich ist der Zweck eines Krankenhauses doch dafür zu sorgen, dass es denen die krank o.ä. sind wieder besser geht. Und dann war da doch noch was mit einer gewissen Pandemie… Wie naiv gedacht!
Natürlich ist der Zweck von Krankenhäusern im Kapitalismus nicht das es kranken Menschen wieder besser geht! Genauso wenig wie es der Zweck eines Supermarktes ist Hungrige mit Lebensmitteln zu versorgen, geht es auch im Gesundheitssystem um Profit. Wie alles andere auch, ob wir ein Dach über dem Kopf haben oder satt werden, ist auch die Frage unserer Gesundheit die einer Rechnung. Und auch hier sind die Menschen, wir, nur Mittel zum Zweck in dieser Rechnung. Einer sehr komplizierten Rechnung übrigens, in der in sog. diagnosebezogene Fallgruppen (auf englisch Diagnosis Related Groups (DRGs)) pauschal der Wert bestimmter (Be)Handlungen in Krankenhäusern anhand von medizinischen Daten bestimmt, Fallgruppen zugeordnet und so zu einander in ein Verhältnis gesetzt werden soll, dass die Behandlungen sich rechnen. Es gibt also eine pauschale Vergütung, egal, wie viel die Behandlung tatsächlich kostet. Klingt unnötig kompliziert? Ist es auch! Kein Wunder deshalb, das inzwischen ein großer Teil der Arbeiten die in einem Krankenhaus anfallen nicht unserer Gesundung dienen, sondern der Abrechnung samt anschließenden Rechtsstreitigkeiten mit den Krankenkassen. Denn, keine Überraschung, auch Krankenkassen müssen sich in dieser Gesellschaft natürlich rechnen – und damit stehen sie in dieser Frage in einem Interessengegensatz zu den Krankenhäusern wenn es darum geht, ob und wieviel für unsere Behandlung bezahlt werden soll.
Bei solch einer Gesellschaft, bei solch einem Gesundheitssystem ist es deshalb kein Zufall und auch keine Folge eines besonders schlechten Managements o.ä., dass es sowohl um die Arbeitsbedingungen der Kolleg*innen die in den Krankenhäusern arbeiten elendig bestellt ist als auch um die Gesundheitsbedingungen derjenigen, die sich keine Privatbehandlung leisten können. Das wohlgemerkt alles bereits vor Corona.
Politisch verwaltet in Bremen wird die GENO durch das Gesundheitsressort, die Gesundheitssenator*in Claudia Bernhard von der Linkspartei. Die Linkspartei, wir erinnern uns, hatte ja erst vor kurzem beschlossen SPD und Grüne bei der Verwaltung und Organisation unserer miesen Lebensbedingungen nicht allein zu lassen. Seit 2019 bilden sie miteinander die Landesregierung und jetzt ist es an der Linkspartei unter der Überschrift des „kleineren Übels“ und auf Grund von „Sachzwängen“ uns die Suppe auszuteilen die sich mit dem Regierungsbeitritt selbst einbrockt hat.
Doch es regt sich erster Protest. Ver.di verurteilte die Pläne am Dienstag scharf und auch der Betriebsratsvorsitzende des Klinikums Links der Weser, selber übrigens Kommunalabgeordneter der Linkspartei, empörte sich in der Ausgabe vom 11. Februar des Weser Kuriers über die anstehenden Kürzungen. Die „Ankündigung, die Pflege von den Kürzungen auszunehmen, sei nur die halbe Wahrheit. Denn diese Zusage betreffe nur die Stammbeschäftigten. Die Geno wolle aber auch Leiharbeit abbauen, sodass letztlich doch Kapazitäten in der Pflege verloren gingen. „Das ist nicht angemessen für eine linke Senatorin“, findet Fabian.“
Letztendlich ist auch im Kapitalismus die konkrete Ausgestaltung des Gesundheitssystem, wenn auch begrenzt durch eine Gesellschaft in der selbst unsere Gesundheit in wert gesetzt und damit eine Ware ist, eine Frage des gesellschaftlichen Kräfteverhältnisses. Selbst im Kapitalismus wäre es möglich das Gesundheitssystems jedenfalls zweitweise wieder dem Markt zu entziehen. Nötig dafür ist die Ersetzung der DRGs durch die (Wieder)Einführung der Bedarfsorientierung und Selbstkostendeckung im Gesundheitsbereich. Weitere nächste Schritte könnten die massive Ausbildung neuer Kräfte (bzw. Rückgewinnung) in diesem Bereich durch Verbesserung der Arbeitsbedingungen mittels der Einführung einer bedarfsorientierten Personalbemessung und der Erhöhung der Löhne sein. Die Selbstverwaltung der Krankenhäuser durch Teamdeligiertenstrukturen könnte ein erster Schritt auf dem Weg sein, die Verwaltung unserer Gesundheit auch nachhaltig dem bürgerlichen Staat zu entziehen.
Für die Erkämpfung solcher Reformen ist aber mehr nötig als nur der gute Wille, selbst als linkssozialdemokratische Gesundheitssenator*in. Der Platz hierfür ist nicht im Diskurs oder gar im Senat, in einer Koalition mit SPD und Grünen. Das gesellschaftliche Kräfteverhältnis werden wir nur zu unseren Gunsten verändern können, wenn es uns gelingt genügend Druck aufzubauen. Wenn der Schaden den wir anrichten (könnten) größer ist, als die Sachzwänge des Kapitalismus, von Politik und Behörde, Recht und Gesetz. Dafür ist der Platz auf der Straße, in den Gewerkschaften, bei den Kolleg*innen in den Krankenhäusern. In Bündnissen, mit denen es uns gelingt diese Kräfte schlagkräftig zu bündeln.
Das Bremer Bündnis für mehr Personal im Krankenhaus
( http://mehr-krankenhauspersonal-bremen.de/ )hat eine Online-Petition gegen den geplanten Stellenabbau gestartet. Ob dies ein geeignetes Mittel ist, den notwendigen Druck und Schaden aufzubringen, wissen wir nicht. Vielleicht ist es aber ein erster Ort um etwas weitergehendes gemeinsam mit vielen anderen zu starten. Packen wir es gemeinsam an!
Basisgruppe Antifa (BA)