Zur Brache hinterm Güterbahnhof

Stellungnahme von den Bewohner_innen des Wagenplatz Querlenker

Die Bewohner_innen des Wagenplatzes Querlenker möchten hiermit zu den Vorgängen um den Güterbahnhof Stellung beziehen, die uns und unsere Nachbar_innen betreffen.
Am Montag, den 4. Februar 2019 begann die Räumung der Brache hinter dem Güterbahnhof, die von uns und verschiedenen obdachlosen Menschen bewohnt wird. Seit Monaten leben wir mit einer erhöhten Polizeipräsenz, die in wenigen Wochen zu einer dauerhaften Überwachung durch Securities, eventuell Wachschutz und Polizei führen wird. Den Verlauf der Geschehnisse und einen Ausblick möchten wir nun skizzieren.

„Der Zaun wird kommen“

Im Dezember wurden wir, der Querlenker e.V. darüber informiert, dass unsere Vertragspartner_in, die Wirtschaftsförderung Bremen (WfB), den Auftrag gegeben hat, einen Zaun entlang der Gleise vom Güterbahnhof bis zum Wendehammer unter der Hochstraße, sowie mehrere Tore, um die einzelnen abgetrennten Areale zu erreichen, zu bauen. Am 14.01.2019 haben sich deshalb Vertreter_innen des Querlenkers und Vertreter_innen des Verein 23 (Mieter des Güterbahnhofs) mit Vertreter_innen von der WfB getroffen. Letztere verdeutlichte, dass der Zaun auf jeden Fall gebaut und die Brache komplett geräumt wird. Der Verein 23 und der Querlenker wurden von der Räumung ausgeschlossen. Die Frage nach dem Zeitraum wurde damit beantwortet, dass es frühestens im April dazu käme. Wir erhofften uns hier einen Handlungsspielraum um Kontakte zu unseren Nachbar_innen und Vertreter_innen der Stadt knüpfen.
Denkste! Seit dem 29.01. wurden wir mehrmals aufgefordert, eine Mitgliederliste des Vereins auszuhändigen, um unseren Aufenthalt auf der Brache zu rechtfertigen. Wir haben uns entschieden vorerst keine Vereinsmitgliederliste weiterzugeben. Zum einen, weil es mehr Vereinsmitglieder als Bewohner_innen gibt und zum anderen gibt es den gewichtigeren Grund, dass wir Polizei- und Sicherheitskräfte nicht bei der Selektion und der Räumung der Brache unterstützen wollen.
Am 04.02. kam es zu einer ersten Ansprache der Brachenbewohner_innen durch die Polizei und Vertreter_innen der WfB. Von offizieller Seite wurde uns der Räumungsverlauf beschrieben:
Zunächst wurden Zettel ausgeteilt, auf dem in mehreren Sprachen steht, dass die Brache verlassen werden soll. Am Donnerstag, 07.02.2019 hat die innere Mission die Brachenbewohner_innen besucht, außerdem kann es ab diesem Zeitpunkt schon zu Anzeigen wegen Hausfriedensbruch durch die Polizei kommen. An diesem Tag wurde auch die Allgemeinverfügung rausgegeben, dass die Brache innerhalb von 14 Tagen zu verlassen ist.
Das Hab und Gut unserer Nachbar_innen soll zwischengelagert werden. Menschen aus dem europäischen Ausland haben für vier Wochen die Möglichkeit in einer Notunterkunft unterzukommen. Menschen mit deutschen Pass können länger unterkommen.
Nach 14 Tagen soll die Brache dann, bis auf den Verein Querlenker e.V., geräumt werden, eine Sicherheitsfirma übernimmt die Überwachung der Brache.
Und wie wird das ganze gerechtfertigt? Einmal mit der Fürsorgepflicht. Die WfB sagt, sie möchte nicht für den Erfrierungstod obdachloser Menschen verantwortlich sein, die nebenbei bemerkt, dort seit Jahren leben und sich zu helfen wussten. Außerdem gaben sie an, auf der Brache wohnten Menschen aus dem europäischen Ausland und dies seit mehr als sechs Monaten. Es sei also die Pflicht der Eigentümerin die Ausweisung anzuweisen. Schließlich wurde immer wieder erwähnt, dass die Brache eine Fläche sei, die gepflegt werden und sauber gehalten werden müsse. Bald wird also „Tabula Rasa“ gemacht.
Bewohner_innen des Querlenkers haben am Wochenende des 02.02. und 03.02. Brachenbewohner_innen, die sie angetroffen haben, informiert, dass es zu einer Räumung kommenwird um zu vermeiden, dass die Botschaft zu erst von Polizei und Vertreter_innen der WfB überbracht wird.
Von einem Tag auf den anderen sollen sie von der Brache vertrieben werden, ohne zu wissen wohin sie nach diesen vier Wochen sollen. Zwar sollen ihre Sachen zwischengelagert werden– aber wo können sie diese wieder aufbauen? Wer entscheidet, was es „wert“ ist aufgehoben zu werden?
Es darf deswegen davon ausgegangen werden, dass sie und ihre Wohnungen (Wohnwägen, selbst gebaute Hütten), nicht an einen anderen, besseren Ort kommen werden und viel trotz alledem verschrottet und weggeworfen wird. Die WfB hat uns gegenüber klar gemacht, dass es ihnen bewusst ist, dass das „Problem“ verlagert wird. Sie hätten jedoch keine Verantwortung für diese Menschen. Sie handeln nach Weisung des Wirtschaftsressorts der Stadt Bremen.
Die Brache soll gesäubert werden. Die Frage stellt sich: Wofür? Bisher gibt es keine ausgereiften Konzepte.
Bis vor wenigen Tagen dachten wir, dass wir durch unseren seit zehn Jahren immer wieder erneuten Zwischennutzungsvertrag sicher sind. Wir stehen mit der WfB immer wieder im Austausch. Dieses Privileg haben unsere Nachbar_innen nicht. Für die obdachlosen Menschen kommt die Räumung daher völlig unvorbereitet. Auch wenn es ein teils schwieriges nachbarschaftliches Verhältnis mit einigen Gruppierungen der dort Wohnenden ist, und wir mit der Lage um uns herum überfordert waren und soziale Unterstützung gefordert haben, halten wir eine Räumung der Brache ohne längerfristige Lösung für völlig inakzeptabel.
Wir sind strikt dagegen, Menschen die sowieso schon unter schwierigen Bedingungen leben, ohne Grund ihre Lebensgrundlage zu nehmen. Zusätzlich ist ein Teil unserer Nachbar_innen von antiziganistischen Ressentiments betroffen.
Anstatt in einen Dialog mit den auf der Brache Lebenden, (oder ganz allgemein, mit allen auf Bremens Straßen lebenden Menschen) zu gehen und dauerhaft Konzepte zu entwickeln, die für Menschen in der, oft auch selbst gewählten Wohnungslosigkeit hilfreich sind, bedient sich Bremen der üblichen Reflexe unter dem Deckmantel der Sauberkeit und der Sicherheit. Denn nicht nur die Brache hinter dem Güterbahnhof soll geräumt werden. Hinter dem Güterbahnhof und einer Brache, die zwischen Schallschutzmauer und Hemmstraße liegt, wohnt jetzt auch kein Mensch mehr.
Den Verantwortlichen müsste mittlerweile eigentlich klar sein, das unerwünschte Personen nicht einfach verschwinden, weil man sie verdrängt und unsichtbar gemacht hat. Sie sind einfach nur woanders. Die Probleme bleiben dieselben und die Menschen können noch schwerer erreicht werden.
Wir halten es daher für richtig, dass die WfB unsere NachbarInnen nicht räumen lässt, sondern die Senator_innen dafür sorgen, dass mit jedem Einzelnen der Brachenbewohner_innen und obdachlosen Menschen eine für sie akzeptable und soziale Lösung entwickelt wird.
Eine Verbesserung der Infrastruktur auf städtischen Plätzen wie das Aufstellen von Mülltonnen, mobilen Toiletten und dem Zugang zu sauberem Wasser, oder die zur Verfügungstellung sicherer Räume für besonders Gefährdete wie Frauen und Minderjährige oder kostenloser Schließfächer für die Wertsachen wäre ein erster Schritt in Richtung wertschätzender Hilfe. Nicht dazu zählen wir käfigartige Anlagen ohne Regenschutz, wie sie an der Seite des Intercity Hotels am Bahnhof errichtet wurden.
Mit dem Blick auf die momentan stattfindende Verdrängung hier auf der Brache und der Infragestellung alternativer Wohnräume in Bremen insgesamt, fragen wir uns als Wagenplatz Querlenker natürlich, ob wir nicht die Nächsten sein werden, die dieser Entwicklung zum Opfer fallen sollen. Uns wurde deutlich gemacht, dass die Existenz des Platzes nicht gesichert ist, wenn wir keine Mitgliederliste aushändigen. Allerdings fragen wir uns seit Monaten wo unsereVertragsverlängerung zum Unterzeichnen steckt. Es ist davon auszugehen, dass die Existenz des Querlenkers nicht von einer Namensliste abhängt, sondern davon, ob wir in das zukünftige saubere Brachenkonzept passen.
Wir fordern deshalb mehr Transparenz und eine offene Kommunikation von Seiten der WfB: Wie sieht die Zukunft der Brache und des Querlenkers an diesem Ort aus? Unsere Auffassung ist, das ungenutzte Räume, brachliegende Gelände, leerstehende Gebäude dafür da sind um von Allen genutzt zu werden, anstatt als Spekulationsobjekte zu dienen und nur zu verfallen.

Die Bewohner_innen des Wagenplatz Querlenker

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