Eine kleine Zusammenfassung von 2020 und Ausblick ins neue Jahr
Noch ein paar Tage, dann ist das Jahr 2020 zu Ende. Zeit für einen kurzen Blick zurück, wie ist 2020 aus Sicht der Stadtteil-Gewerkschaft verlaufen und was erwartet uns 2021?
Wie alle anderen wurden auch wir bei Solidarisch in Gröpelingen im März erstmal von der Pandemie und deren Auswirkungen überrascht. Viele der Aktivitäten konnten wir zunächst nicht wie gewohnt weiterführen und es hat etwas gedauert, bis wir die Situation verstehen und einordnen konnten. Im Rückblick hat die besondere Situation uns aber auch Zeit und Raum verschafft, dass wir ein paar wichtige Veränderungen umsetzen konnten und neue Projekte entwickelt haben.
Dazu zählt z.B. unsere Stadtteil-Zeitung, die wir seit April in unregelmäßigen Abständen herausgeben und im Stadtteil verteilen. Für die Zeitung haben wir viele spannende Interviews mit Menschen aus Gröpelingen geführt und durch das Verteilen der Zeitung neue Mitstreiter*innen gefunden. Für die letzte Ausgabe haben wir die Tochter und die Schwägerin von Mohamed Idrissi interviewt. Mohamed Idrissi wurde am 18.06.2020 von der Polizei vor seiner Haustür in Gröpelingen erschossen. Wie viele andere Nachbar*innen aus Gröpelingen waren auch wir von Solidarisch in Gröpelingen von dem Ereignis schockiert. Deshalb haben wir uns dem Bündnis Justice for Mohamed angeschlossen. Es besteht aus Angehörigen von Mohamed Idrissi und verschiedenen anderen politischen und sozialen Gruppen. Unser Ziel ist es, dass die Tat aufgeklärt und die Verantwortlichen zur Rechenschaft gezogen werden. Gerechtigkeit für Mohamed Idrissi heißt aber auch, dass die Tat nicht vergessen wird und wir alle dafür Sorge tragen, dass so etwas nicht mehr passiert. Zusammen mit dem Bündnis haben wir deshalb in den letzten 6 Monaten einige Kundgebungen und Demonstrationen organisiert und Gedenkorte aufgestellt, zuletzt am 18.12.2020 in Gröpelingen. Das Thema wird uns sicher auch noch 2021 weiter begleiten, denn bis heute gibt es keine Verantwortungsübernahme der staatlichen Stellen und keine wirkliche Aufklärung.
Neben der Zeitung und den Aktivitäten im Bündnis war auch das Mietkomitee der Stadtteil-Gewerkschaft während Corona weiter aktiv. Im Mietkomitee organisieren sich v.a. Mieter und Mieterinnen, die bei vonovia wohnen. Im Sommer hat das Mietkomitee gleich zwei Briefe mit Forderungen an vonovia überreicht: die erste Forderung bezog sich die hohen Betriebskosten Abrechnungen: 2017 und 2018 hatten wir zusammen mit vielen Mieter*innen Widerspruch gegen die intransparenten und hohen Betriebskosten eingelegt. Vor allem die Rechnungen, die sich vonovia durch Subunternehmen selbst stellt, sind undurchschaubar. Bisher konnte vonovia in keinem Gerichtsverfahren bundesweit belegen, wie diese Kosten wirklich entstehen. Wir haben deshalb von vonovia gefordert, 50 % der Betriebskosten zu erlassen – also genau den Anteil der Betriebskosten, der auf Rechnungen von diesen Subunternehmen zurück geht. Die zweite Forderung kam von den Mieter*innen aus der Selsinger Straße. Sie hatten sich zusammen getan, um eine gerechte Entschädigung für die mehr als 12 Monate andauernden nervenaufreibenden Modernisierungsarbeiten zu fordern. Beide Forderungen sind jedoch in der Luft hängen geblieben, weil am Ende nicht mehr genug Mieter*innen die Zeit und Kraft hatten, um den Druck auf vonovia durch gemeinsame öffentlichkeitswirksame Aktionen zu erhöhen. Deshalb hat das Mietkomitee Ende Herbst begonnen, die Erfahrungen der letzten Jahre auszuwerten um sich auf neue Beine aufstellen zu können und in Zukunft kraftvoller zu sein. Aktuell überlegen wir, wie wir mehr Mieter*innen für das Mietkomitee gewinnen können und was unsere Schwerpunkte für das kommende Jahr sein werden. Wir freuen uns über alle, die sich am Mietkomitee beteiligen wollen.
Im Sommer haben wir auch begonnen unseren Laden in der Liegnitzstraße – nach einer längeren Corona-bedingten Pause – wieder regelmäßig zu öffnen. Beim offenen Freitagstreff können Menschen vorbei kommen, die uns und die Stadtteil-Gewerkschaft kennen lernen wollen oder andere Fragen und Anliegen haben. Außerdem ist der offene Freitagstreff ein Ort, an dem Menschen Unterstützung beim Lesen, Verstehen und Übersetzen von Briefen bekommen können. Alle, die dabei helfen wollen, sind herzlich willkommen. Seit einigen Wochen haben wir zudem angefangen, ausführlichere Beratungen für Menschen anzubieten, die Probleme mit dem Jobcenter, auf der Arbeit, mit dem Aufenthalt oder Vermieter*innen haben. Diese Beratungen wollen wir in Zukunft ausbauen und mit einer gemeinsamen Organisierung verbinden.
Denn wir wissen, dass die Pandemie und die Corona Maßnahmen viele unserer alltäglichen Probleme in Zukunft weiter verschärfen werden. Weil eben auch in Zeiten von Corona das Funktionieren der Wirtschaft das wichtigste Ziel der Regierungen bleibt. So haben wir gesehen, wie die Regierung in den letzten Monaten Milliarden in die Hände genommen hat, um große Firmen durch die Krise zu retten, während viele der Kulturschaffenden, Klein-Selbstständigen oder Arbeiter*innen mit Verlusten, Kurzarbeit oder ohne Job zurück geblieben sind. Wir wissen auch, dass sich die Regierung die Milliarden in den nächsten Jahren zurückholen wird, indem sie Ausgaben in Bereichen wie Bildung, Gesundheit, Soziales, Freizeit etc. kürzt (der Bundeshaushalt für 2021 zeigt, wohin die Reise geht http://solidarisch-in-groepelingen.de/ruestung-und-waffen-statt-kinderbetreuung-und-gesundheitsversorgung/). Und als wäre das nicht schon genug, nutzen viele Unternehmen die Krise aus, um lang geplante Umstrukturierungen durchzusetzen. Das ist häufig verbunden mit Entlassungen, Lohnkürzungen, Arbeitsverdichtung etc.
2021 wird also nicht ganz einfach werden. Die Krise wird vor allem in Bezug auf soziale und gesellschaftliche Auseinandersetzungen andauern. Umso wichtiger, dass wir zusammen rücken und lernen, wie wir uns gegen solche Angriffe gut zur Wehr setzen können.
Sich wehren können heißt für uns: Zum einen müssen wir unsere Rechte kennen und unsere Situation verstehen. Denn nur wer seine Rechte kennt, kann diese auch durchsetzen. Das ist aber nicht ganz einfach. Viele verstehen die vielen Briefe nicht, die täglich im Briefkasten landen. Und auch die Gesetze sind nicht einfach zu verstehen und nicht immer auf unserer Seite. In der Stadtteil-Gewerkschaft werden wir im neuen Jahr deshalb das Beratungangebot in verschiedenen rechtlichen Bereichen ausweiten. Wenn Leute Lust haben, uns hierbei zu unterstützen, freuen wir uns sehr, z.B durch Übersetzung, Hilfe beim Lesen der Briefe oder andere Unterstützung. Beratung in rechtlichen Fragen ist sehr wichtig. Aber sie ist unser Meinung nach nicht ausreichend. Denn auch die Gesetze sind oft nicht auf unserer Seite, sondern dazu da, das allgemeine kapitalistische Treiben zu gewährleisten (so wie das Mietrecht regelmäßige Mieterhöhungen zulässt, während es kein Gesetz gibt, das regelmäßige Lohnerhöhungen festlegt).
Deshalb heißt sich wehren für uns auch: sich organisieren. Denn oft müssen wir für bessere Arbeits- oder Lebensbedingungen auf die Straße gehen, Protestaktionen organisieren, Flyer schreiben usw. So kann es z.B. erfolgreicher und nachhaltiger sein mit vielen Leuten und Presse zu einer Leiharbeitsfirma zu gehen und dort zu protestieren, als wenn alle nur einzeln mithilfe von Beratung die Korrektur der falschen Lohnabrechnungen einklagen.
Damit wir uns in Zukunft nicht immer nur alleine und einzeln mit dem alltäglichen Ärger auseinander setzen, soll es in Zukunft bei Solidarisch in Gröpelingen neben Beratungen auch regelmäßige Versammlungen geben. Dort besprechen alle gemeinsam – also Leute, die beraten; Leute, die Beratungen in Anspruch nehmen, Leute, die unterstützen und Leute, die irgendwie anders bei Solidarisch in Gröpelingen aktiv sind – welche Themen in den Beratungen häufig aufgetaucht sind und was wir dagegen gemeinsam unternehmen können. Oder auch was im Stadtteil so passiert.
Und wenn es die Corona Situation wieder zu lässt, werden wir auf den Versammlungen hoffentlich auch gemeinsame Aktivitäten planen, wie Filmabende, Spiele Nachmittage, gemeinsame Essen, Deutschkurse, Partys und was uns sonst noch so einfällt.
Wir freuen uns über alle, die uns in 2020 unterstützt haben und auch 2021 mit uns an einer Organisierung im Stadtteil in Gröpelingen mitwirken wollen!
Wenn ihr also Lust habt, Teil von Solidarisch in Gröpelingen zu werden, dann meldet euch bei uns !
Für eine solidarische und kämpferische Stadtteilgewerkschaft! Für eine solidarische Gesellschaft ohne Unterdrückung und Ausbeutung !