„Was alle brauchen, darf niemandem gehören.“

„Landwirte blockieren erneut Aldi-Zentrallager in Dreye“
„Landwirte blockieren Aldi-Zentrallager“
„Trecker-Blockade: Aldi-Vertreter sprechen mit Bauern“

Was geht eigentlich ab in Dreye bei Bremen? Zum wiederholten Mal haben kurz vor Weihnachten Bäuer*innen im Treckerkonvoi das ALDI-Gelände zum Protest blockiert. „Lebensmittel-Lockangebote mit Preisen unterhalb der Herstellungskosten“ sind „nicht in Ordnung“, werden sie in den Medien zitiert. Wer sich im letzten Jahrzehnt mal aus der urbanen Blase herausbegeben hat, weiß, was die Bäuer*innen zu ihrem Protest treibt: Kleine landwirtschaftliche Betriebe müssen schließen, Bäuer*innen schuften als „Solo-Selbstständige“ oder gefangen im Familienbetrieb Tag und Nacht und rund ums Jahr, jonglieren mit Vorschriften, Quoten und Kosten – und leben von minimalem Einkommen, die durch die Lebensmitteldiscounter immer weiter geschmälert werden. Krank zu werden oder mit 67 in Ruhestand zu gehen, kann sich kein*e Bäuer*in, die keine Agrarindustrielle mit zehntausenden in Tierfabriken zusammengepferchten Lebewesen ist, leisten.

Zum Hintergrund:
1960 gab es auf dem Gebiet der („alten“) BRD noch ca 1,5 Millionen landwirtschaftliche Betriebe. Von denen hatten ca 340.000 eine Landfläche von 5 bis 10 ha, 100 und mehr ha hatten nur ca 2600 Betriebe. 2016 dagegen waren es insgesamt in der heutigen BRD nur noch 275.000 landwirtschaftliche Betriebe. Davon hatten 43.000 eine Landfläche von 5 bis 10 ha LF, dagegen ca 37.000 100 ha LF und mehr. Das zeigt: Es gibt einen massiven Prozess der Monopolisierung, die Soloselbständigen und kleinbäuerlichen Betriebe sind allen staatlichen Hilfen zum Trotz eine kleine, im Verschwinden begriffene Gruppe. Bei Protesten wie hier in Dreye schließt sich eine in der Konkurrenz sehr schwache Gruppe zusammen, um wenigstens etwas Marktmacht zwischen den Agrarkonzernen und dem Einzelhandel zu gewinnen.
Also ein ganz legitimer Protest derer, die die Lebensmittel für uns alle herstellen?
Klar, die Imperien von ALDI, LIDL & Co. sind auf jeden Fall Endgegner: Nehmen von den Kleinen, scheffeln ohne Ende Geld, und dominieren Markt & Preise… Trotzdem ist es wichtig zu wissen, dass die hier protestierende Gruppe nicht die gesamte Branche repräsentiert ( als “die Bäuer*innen”). Und was fordern die Landwirt*innen genau? Aufhänger ihrer Proteste sind staatliche Bestrebungen, das durch Überdüngung verpestete Grundwasser weniger stark belasten zu dürfen und den Verbleib von z.B. Gülle besser nachweisen zu müssen. Genaugenommen wollen die Landwirt*innen also auf ihren Ackern einfach weiterhin ungehindert tun, was sie für richtig halten. Und hier liegt die Krux: Zurzeit werden die Bäuer*innen zermalmt zwischen zwei Dynamiken: Einerseits den Gesetzen des Marktes, der auf die „blinde“ Produktion von Lebensmitteln ausgerichtet ist, die auf den Markt geworfen und dann in der Konkurrenz mit anderen Produzent*innen im Preis gedumpt werden. Das zwingt die Bäuer*innen, möglichst effizient, intensiv zu wirtschaften: Sprich Ausmergelung der Böden, Überdüngung, Massentierhaltung mit Qualzuchten… Die andere Dynamik sind die staatlichen Eingriffe in die Landwirtschaftpolitik: Um die Versorgung der Bevölkerung zu sichern, aber auch, um die Produktion international wichtiger Handelsgüter (Lebensmittel werden massiv im- und exportiert) zu steuern, und drittens, um umweltpolitisch einzugreifen, um generell die Lebensgrundlagen (Luft, Trinkwasser, Boden) der Bevölkerung zu erhalten (nicht, dass es nicht tausende Ausnahmen und Gegenbeispiele zu dieser Tendenz gäbe, aber dennoch), gibt es viele nationale und EU-Regularien die Landwirtschaft betreffend.
Diese widerstrebenden Dynamiken treffen hier im Konkreten aufeinander und sorgen, tatsächlich, für eine beschissene und hoffnungslose Situation für kleine landwirtschaftliche Betriebe. Die Lösung der Misere wäre allerdings nicht, dass ALDI das Preisdumping sein ließe oder das die Lebensmittel teurer werden müssten. Die Lösung kann nur sein: Die Grundlage unseres Lebens, Luft, Trinkwasser, Boden, zu vergesellschaften. Was alle brauchen, darf niemandem gehören. Sie vernünftig (planvoll) zu bewirtschaften, sprich ausgerichtet nach Bedarfen. Sie ökologisch zu bewirtschaften, also so, dass Pflanzen und Lebewesen geschont werden, dass diverse Lebensräume und ökologische Nischen erhalten bleiben. Und ja, dann wäre immer noch genug essen für alle da.

siehe auch
Weser Kurier: Landwirte blockieren erneut Aldi-Zentrallager in Dreye
Weser Kurier: Landwirte blockieren Aldi-Zentrallager
butenunbinnen: Landwirte blockieren erneut Discounter-Zentrallager in der Region
NDR: Trecker-Blockade: Aldi-Vertreter sprechen mit Bauern

checkt basisgruppe-antifa.org

1 thought on “„Was alle brauchen, darf niemandem gehören.“

  1. Was schert mich das Gejammer kapitalistischer Unternehmer?
    Solange sie erfolgreich am Abzocksystem Marktwirtschaft teilnehmen, rechtfertigen sie ihre zulasten der Allgemeinheit „erwirtschafteten“ Profite mit dem „unternehmerischen Risiko“ und scheißen breitbandigst darauf, daß die Mehrheit ihrer Mitbürger als Nettoverlierer endet – aber wenn’s schlecht läuft, weil andere Marktteilnehmer noch erfolgreichere Abzocker sind, dann wird mangelnde Fairness beklagt.
    Wenn eine Branche systemrelevant ist, sei es nun, weil ihre Produkte existenznotwendig sind, oder ihre Produkte und Produktionsmethoden signifikante Auswirkungen auf Gemeinschaft und Umwelt haben, dann gehört sie in ein staatliches Monopol überführt und nicht dem konkurrenzgetriebenem Ränkespiel kapitalistischer Parasiten überlassen.

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