Vortragsveranstaltung mit dem Sozialwissenschaftler Holger Marcks
Dienstag, 3. September 2019 | 19.30 Uhr | Kukoon
Obwohl die Debatten um eine „neue Klassenpolitik“ in der (radikalen) Linken zunehmend Raum einnehmen, werden ihre (oft) subkulturellen Organisationspraxen wenig bis gar nicht hinterfragt. Doch auf die unteren Klassen, welche sie nun vorgeblich adressieren will, wirkt sie u.a. gerade damit eher abstoßend. Mit dem Sozialwissenschaftler Holger Marcks wollen wir diskutieren wie etwa eine Transformationspolitik effektiv zwischen Utopie und Realität vermitteln kann.
Utopisches Denken ist in der Öffentlichkeit nicht unbedingt positiv besetzt. Immerhin endeten die historischen Versuche radikalen Ordnungswandels meist in autoritären Regimen oder forderten reaktionäre Entwicklungen heraus. Auch die heutige Linke gibt mit ihren utopischen Vorstellungen, die sie in ihren Organisationspraxen – verstanden als „Keimformen“ der Utopie – vorleben möchte, kein gutes Bild ab. Bestehend aus subkulturellen Zirkeln fehlt ihnen in aller Regel die Anschlussfähigkeit an breitere Kreise. Und gerade auf die unteren Klassen, welche die Linke vorgeblich adressiert, wirkt sie so eher abstoßend. Linke Transformationspolitik ist so vor allem wirkungslos und vergeblich.
Holger Marcks erläutert einführend die Probleme linker Transformationspraxen, die sich stets in einem Spannungsfeld von Sachzwängen der Massenorganisierung und der Bewahrung emanzipatorischer Prinzipien bewegen. Dargelegt wird, wie die Transformationspolitik der Linken seit 1968 sich einseitig auf letzteren Pol verlegt hat – und dadurch keine Wirkungs-, Handlungs- oder Gegenmacht entfalten kann. Ihre neo-anarchistischen Praxen sind nämlich nicht aufnahme-, leistungs- oder durchsetzungsfähig, so dass sie nur für Szenemenschen interessant sind, die sich selbst entfalten wollen. Im Endeffekt wird damit auch der Anspruch einer „Klassenpolitik“ unterlaufen.
Dem wird im Vortrag eine „reflexive Praxistheorie“ entgegengehalten, die Organisationspraxen daran bemisst, ob sie überhaupt mit den materiellen Realitäten der unteren Klassen kompatibel sind. Denn eine utopische Keimform kann noch so idealistische Beziehungsweisen hochhalten – wenn sie keine Beziehung zur Realität der Menschen herzustellen vermag, ist sie zwecklos. Zur Diskussion steht deshalb wie etwa eine Transformationspolitik effektiv zwischen Utopie und Realität vermitteln kann. Eingeschlossen ist dabei auch eine kritische Auswertung syndikalistischer Praxis – und nicht zuletzt die Frage, wie ein modernes Programm des „konstruktiven Sozialismus“ aussehen könnte.
/Holger Marcks ist Sozialwissenschaftler und aktiv in den sozialen Bewegungen. Sein Forschungsinteresse gilt unter anderem dem Scheitern revolutionärer Politikansätze und realutopischen Möglichkeiten der Transformation./
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**Der „syndikalistische Neustart“ ist eine Gruppe aus bisherigen Mitgliedern der FAU Bremen und SympathisantInnen, die in Bremen eine Basisgewerkschaft nach Vorbild der FAU Berlin neu aufbauen wollen.*