Vor mittlerweile zwei Jahren wurden die Gesetze hinsichtlich der Zeug*innenvorladung verschärft (§ 163 Abs. 3 StPO). Wir hatten in letzter Zeit den Eindruck, dass oftmals nur ein Teil des Gesetzes im Bewegungsgedächtnis hängengeblieben ist, und wollen von daher ein weiteres Mal darauf hinweisen, was das eigentlich für die Praxis bedeutet. Eine kleine Frischzellenkur für die juristisch-politische Selbstverteidigung.
- Richtig ist, dass die Polizei Personen als Zeug*in vorladen kann und dem entsprechend Folge geleistet werden „muss“[1], WENN diese Vorladung im Auftrag der Staatsanwaltschaft verschickt wurde und dieser Auftrag auch ausdrücklich im Schreiben erwähnt wird, aber nur dann!
- Das heißt im Umkehrschluss, dass, wenn die Vorladung nicht im Auftrag der Staatsanwaltschaft verschickt wurde, alles beim Alten bleibt: Ignorieren – Wir gehen nicht zu den Cops!
- Die Gesetzesverschärfung berührt nicht das Recht auf anwaltliche Begleitung (Zeug*innenbeistand). Wir raten dringlichst allen Personen, die in Kontakt mit diesem neuen Repressionsinstrument kommen, nur gemeinsam mit Anwält*innen dort aufzutauchen.</li
Das sind die Basics. Wir wollen darüber hinaus noch auf die Problematiken und Gefahren dieser Gesetzesverschärfung hinweisen und damit die Dimensionen der Verschärfung aufzeigen.
Aus Zeug*innen werden Beschuldigte – haben die Cops beispielsweise einen Anfangsverdacht, ist es möglich, die verdächtigten Personen erst einmal nur unverdächtig als Zeug*innen vorzuladen, um das Schweigerecht auszuhebeln. Beschuldigte haben stets das Recht ihre Aussage zu verweigern. Hingegen gilt dieses Recht nicht für Zeug*innen vor Gericht, bei staatsanwaltlichen Befragungen oder eben auch bei polizeilichen Befragungen im Auftrag der Staatsanwaltschaft – außer sie sind mit einem*r Beschuldigten verwandt oder würden mit einer Aussage sich selbst oder Angehörige belasten. Somit befindet sich eine hier vorgeladene Person in einer gefährlichen Doppelrolle, denn das von ihr Ausgesagte kann und wird natürlich auch gegen sie und andere verwendet.
Sollte es während einer polizeilichen Maßnahme, beispielsweise einer Hausdurchsuchung, zu einer „spontanen Zeug*innenbefragung“ bzw. Vorladung kommen, sollten wir zwei Sachen im Hinterkopf haben: Erstens auf eine*n Anwält*in bestehen und zweitens eine schriftliche Vorladung zu einem anderen Termin unter anderen Bedingungen verlangen.
Ansonsten alles wie immer: never talk to cops!
Euer EA
[1] Ein Punkt, der hier etwas zu weit führt, aber uns diskutierenswert erscheint: „Müssen“ wir einer Ladung als Zeug*in im Auftrag der Staatsanwaltschaft folgen? Was kann passieren, wenn wir es nicht tun? Zwangsvorführung und Ordnungsgeld drohen. Was kann passieren, wenn wir erscheinen, aber dennoch die Aussage verweigern? Ordnungsgeld und schlimmstenfalls Beugehaft sind möglich. Sind die Konsequenzen wirklich untragbar oder lässt sich darüber unsere Widerständigkeit zum Ausdruck bringen? Das sollten wir angesichts der jeweiligen Umstände (Lebenssituation, Tatvorwurf …) abwägen.
Genoss*innen,
die Konsequenzen konsequenter Aussageverweigerung auch als Zeug*innen sind nicht „untragbar“ … das wissen alle, die sich mit der Geschichte der Linken in diesem Lande befassen oder befasst haben – deswegen ist es äußerst verwirrend, dass ihr eine solch konsequente Aussageverweigerung auch als Zeug*in hier relativiert und mit etwaigen Tatvorwürfen oder „Lebenssituationen“ zusammen denkt …
Genoss*innen sagen nicht gegen Genoss*innen aus, das ist doch immer klar gesagt und gefordert worden – da gibt es überhaupt nichts abzuwägen!
Wer jetzt schon darüber nachdenkt, unter welchen Umständen es gerechtfertigt erscheint gegen Genoss*innen auszusagen, bereitet faktisch einer Entsolidarisierung den Weg! Ich hoffe auf schnelle Klarstellung von eurer Seite! Solidarische Grüße, die Ritter*in von der Schwafelrunde