Am 30.06.2021 fand in der Westerstraße ein äußerst aggressiver Polizeieinsatz statt, der sich gegen zwei schwarze junge Männer richtete. Mehrere Passant*innen, u.a. auch die Verfasser*innen dieser öffentlichen Stellungnahme, haben den Einsatz beobachtet und aufgrund des brutalen Verhaltens der Polizeibeamt*innen gegenüber einem der jungen Männer versucht, zu intervenieren. Nach dem Einsatz hat die Bremer Polizei eine haarsträubende Pressemitteilung veröffentlicht (https://www.presseportal.de/blaulicht/pm/35235/4957513), die vom Weser Kurier und von buten un binnen unhinterfragt übernommen wurde. Mit unserer Stellungnahme wollen wir die Darstellungen der Bremer Polizei zurückweisen und die versuchte polizeiliche Diskursverschiebung markieren.
Nach unseren Kenntnissen waren die beiden schwarzen Personen in der Westerstraße in einen Konflikt mit einem weißen Mann geraten. Die dazu gerufenen Polizist*innen übernahmen nach ihrem Eintreffen vor Ort offenbar fraglos die Version des weißen Mannes, denn sie sprachen ruhig mit ihm und ließen ihn gehen. Die beiden schwarzen jungen Männer wurden von den Polizeibeamt*innen hingegen direkt festgesetzt. Es wurde seitens der Polizei kein Versuch unternommen, die Situation zu klären und/oder beide Seite anzuhören. Vielmehr eskalierte die Situation und kurze Zeit später lag einer der Betroffenen am Boden und mehrere Beamt*innen knieten auf seinem Rücken, einer davon auf seinem Nacken. Der junge Mann schrie immer wieder, „Mein Bein ist gebrochen, lassen sie mich los!“. Die Polizist*innen verdrehten mehrfach den Kopf des jungen Mannes und drückten ihn an eine Hauswand, so dass der Betroffene aus der Nase oder dem Mund blutete.
Das gesamte Vorgehen der Polizeibeamt*innen war äußerst aggressiv und eskalativ, so dass viele Passant*innen stehen blieben und aufgrund der Schreie des am Boden liegenden Mannes besorgt versuchten, mit Rufen zu intervenieren. Die Aggressivität der Polizist*innen richtete sich von Anfang an auch gegen die Passant*innen. So lief ein Polizeibeamter auf eine der ersten Beobachterinnen zu, stellte sich 50 cm vor sie und brüllte sie an, sie solle sofort weiter gehen. Auch versuchten Polizeibeamten im weiteren Verlauf Personalien aufzunehmen und verlangten von einem Passanten, der die Szene gefilmt hatte, das Video im Beisein der Polizeibeamten zu löschen. Zudem wurde ihm gedroht, er würde sich strafbar machen, sollte er das Video verbreiten. Einem anwesenden Bürgerschaftsabgeordneten wurde ein Platzverweis ausgesprochen.
Am Tag nach dem Polizeieinsatz veröffentlichte die Bremer Polizei eine haarsträubende Pressemitteilung. Diese enthält Drohungen, Verdrehungen, Falschinformationen, Anspielungen und rassistische Markierungen.
Wozu zum Beispiel erfahren wir, dass der Betroffene somalischer Staatsangehöriger ist? Warum wird der Supermarkt ins Spiel gebracht, der sich lediglich in Sichtweite befand? Warum erfahren wir von einem Messer, dass es dann am Ende gar nicht gibt? Mit diesen „Informationen“ spielt die Pressemitteilung bewusst auf die Ereignisse in Würzburg an – und sie spielt damit auf der Klaviatur rassistischer Ressentiments und Bilder. Durch die dadurch entstehenden Bilder versucht die Bremer Polizei, die Situation im Nachhinein aufzubauschen, um ihr gewaltvolles Vorgehen zu rechtfertigen.
Die Pressemitteilung geht insgesamt auffällig über das gängige Format von Polizei-Pressemitteilungen hinaus, denn sie diffamiert gezielt die kritische Öffentlichkeit und versucht, sie einzuschüchtern. Der Polizei geht es einmal mehr darum, den Diskurs über (gewaltvolle) Polizeieinsätze und deren angebliche Notwendigkeit zu bestimmen.
Fakt ist: Es hat eine Polizeimaßnahme stattgefunden, die aufgrund der Aggressivität der beteiligten Beamt*innen zahlreiche Passant*innen dazu bewegt hat, stehen zu bleiben, diese zu beobachten und aus Sorge um die körperliche Unversehrtheit des Betroffenen zu intervenieren. Fakt ist auch: Eine kritische Öffentlichkeit ist häufig die einzige Möglichkeit, Polizeigewalt zu dokumentieren, sichtbar zu machen und in vielen Fällen auch das Schlimmste zu verhindern. Die Verbreitung von Videos über Polizeigewalt hat in den letzten Jahren weltweit eine wichtige Rolle gespielt, um Polizeigewalt öffentlich und sichtbar zu machen. Kein Wunder, dass die Dokumentation und Verbreitung zunehmend verhindert werden soll, entweder per Gesetz wie zuletzt in Frankreich oder – wie im vorliegenden Fall – durch Verdrehung der Tatsachen, Drohungen und Falschinformationen. Nur um das nochmal klar zu stellen: Das Filmen von Polizeieinsätzen als Gesamtgeschehen ist in der Bundesrepublik zulässig und nicht per se strafbar. Sämtliche Aufforderungen der Polizei, solche Videos zu löschen und abzugeben, sind daher gezielte und illegitime Einschüchterungen.
Am Mittwoch Abend versuchte die Polizei die Beobachter*innen des Einsatzes nicht nur vor Ort einzuschüchtern und zu bedrohen. Mit der Pressemitteilung legt die Polizei auch noch nach. Denn darin diskreditiert und degradiert sie die kritische Öffentlichkeit als „Schaulustige“, also als Zuschauer*innen, die behindern und sensationslüstern sind. Was die Bremer Polizei mit der Pressemitteilung durchsetzen möchte, ist klar: Polizeieinsätze im öffentlichen Raum sollen unter Ausschluss der Öffentlichkeit stattfinden – unkontrolliert, undokumentiert, unwidersprochen.
Das werden wir niemals zulassen. Wir werden weiterhin stehen bleiben. Wir werden uns weiterhin einmischen. Wir werden weiterhin filmen und die Filme öffentlich verbreiten. Wir werden weiterhin Betroffene von Polizeigewalt unterstützen.
Und wir fordern alle anderen auf, dies ebenfalls zu tun.
Bremen, 06.07.2021
AG Cop Watch Bremen