oder warum Sozialer Wohnungsbau für die Reichen / Besitzenden so attraktiv ist…
Eine Analyse vom Bremer Erwerbslosenverband (BEV) und dem Bremer Bündnis gegen Zwangsräumungen
Mehr „Sozialer Wohnungsbau“ wird gemeinhin als Lösungsmittel für knappen und immer teureren Mietwohnraum angesehen. „Mehr preisgünstige Wohnungen bauen“ so schallt es aus der Politik, den DGB-Gewerkschaften und etlichen Mieter*innenverbänden. Dies schlägt sich auch in der Koalitionsvereinbarung von rot / rot / grün in Bremen nieder. Dort wird die Ausweitung des „Sozialen Wohnungsbaus“ vorrangig behandelt. So soll die Zahl der „Sozialwohnungen“ von etwa 7000 in 2019 auf 8000 im Jahre 2023 erhöht und die Laufzeit der Sozialbindung auf 30 Jahre verlängert werden.
Der „Soziale Wohnungsbau“ hat jedoch zwei Seiten, die im Folgenden dargestellt werden.
Zunächst eine Erläuterung, wie „Sozialer Wohnungsbau“ funktioniert. Baut ein Unternehmen, egal ob Privatunternehmen oder kommunale Wohnungsbaugesellschaft, ein Wohnhaus mit 10 Wohnungen, kann es für einen bestimmten Zeitraum eine Mietsubvention bekommen wenn das Unternehmen sich verpflichtet zu einem niedrigeren Preis als die Kostenmiete an Menschen mit unterdurchschnittlichem Einkommen zu vermietet. Die Berechtigten müssen einen sogenannten B-Schein vorwiesen. Etwa die Hälfte der Bremer Haushalte hat einen Anspruch auf einen B_Schein.
In Bremen wird die Kostenmiete von den Unternehmen mit ca. 11 bis 12 Euro pro qm Wohnfläche angegeben. Im „Sozialen Wohnungsbau“ ist in Bremen vom Mieter nur ein Nettokaltmiete von 6,50 Euro pro qm zu bezahlen. Den Rest, in diesem Beispiel also 4,50 bis 5,50 Euro pro qm zahlt die Stadt an den Vermieter. Der Vermieter erhält also „seine“ von 11 bis 12 Euro Kostenmiete mit Hilfe dieser staatlichen Subvention.. Da die Laufzeit einer „Sozialwohnung“ auf 30 Jahre begrenzt ist, kann der Vermieter nach Ablauf der Frist die Miete auf den ortsüblichen Mietzins anheben. In Bremen wurde die Laufzeit der Sozialbindung kürzlich von 20 auf 30 Jahre verlängert. Bei einer Haltbarkeit von 100 Jahren für ein Wohnhaus, ist die „Sozialbindung“ nur für 30 Jahre gegeben.
Laut einer Berechnung des Statistischen Bundesamtes vom 26.7.2021 (Bauen und Wohnen, Seite 18) kostet die Herstellung einer Wohnung in einem Mehrparteienhaus im Jahre 2020 etwa 1953 Euro pro qm. Bei einer 62 qm Wohnung ergibt dies 151 677 Euro Gesamtkosten. Wenn jetzt für 30 Jahre 6,50 vom Mieter gezahlt werden ergibt dies 145 000 Euro und die Stadt zahlt 100 440 Euro. Damit ist dem Wohnungsunternehmen ein deutlicher Profit sicher. Die vom Staat gezahlten 100 000 Euro machen fast 70 Prozent der Baukosten einer Wohnung aus.
In den vom Wohnungsbauunternehmen errechneten Kostenmieten sind unter anderem die Kosten des Grundstückskaufes, die Baukosten, die Darlehenszinsen eine 4 bis 6 Prozentige Verzinsung des Eigenkapitals und Pauschalen für die Instandhaltung und Vermietungsverwaltung enthalten.
Anders ausgedrückt: Der Staat bezahlt dem Wohnungsunternehmen den größten Teil der Baukosten und darf dann 30 Jahre „seine“ Bürger*innen mit geringem Einkommen in diesen Wohnungen unterbringen. Jeder Manager eines Privatunternehmens würde für für einen derart „schlechten Deal“ gefeuert.
Ein Blick auf die Wohnungssituation in Bremen
In der Stadt Bremen gibt es nach der letzten Erhebung für das Jahr 2020 des statistischen Landesamtes fast 300 000 Wohnungen. Davon sind etwa 173 000 Mietwohnungen, die alle Preisklassen und Größen umfassen. Ein Blick auf die Einkommenssituation zeigt, dass etwa 150 000 Haushalte ein unterdurchschnittliches und 100 000 Haushalte ein prekäres Einkommen haben. Das prekäre Einkommen bewegt sich etwa in Höhe des Hatz IV Satzes und den darin enthaltenen Mietanteilen oder knapp darüber. Sicherlich wohnen auch Menschen mit geringem Einkommen in einer Eigentumswohnung oder einem Eigenheim, aber die meisten wohnen zur Miete. Wenn jetzt die Zahl der „Sozialwohnungen“ bis 2023 um 1000 erhöht werden soll werden, reicht dies noch nicht einmal für 1 Prozent der berechtigten Mieter*innenhaushalte. Insgesamt wohnen nur 4 Prozent der Mieter*innenhaushalte im „Sozialen Wohnungsbau“.
Haushaltszahlen zum Vergleich: Hartz IV ca. 40 000, Grundsicherung 12 000 Asylbewerberleistungsgesetz ca. 2000, Studierende ca. 21 000, Dunkelziffer für Leistungsverzichter*innen ca. 30 000.
Der „Soziale Wohnungsbau“ ist in Bezug auf die Zahl der Anspruchsberechtigten der berühmte Tropfen auf den heißen Stein und für die Menschen mit geringem Einkommen nur eine minimale Chance auf preisgünstigen Wohnraum. Das Versprechen mit dem „Sozialen Wohnungsbau“ das Problem steigender Mieten zu mindern ist ein Fake.
Die Vorteile für die Unternehmen liegen klar auf der Hand. Mit dem Bau von Wohnungen, die in Bremen gegenwärtig für 12 bis 14 Euro Neubaumieten auf den Markt kommen gehen sie ein wirtschaftliches Risiko ein. Gibt es genug Kunden für dieses Preisniveau ? In einigen Neubauprojekten gibt es einen zunehmenden Leerstand.
Im „Sozialen Wohnungsbau“ droht Leerstand nicht. Die geforderte Miete, die die Kunden nicht zahlen können, wird vom Staat übernommen. Dies hat zwei Wirkungen. Der Gewinn des Unternehmens wird garantiert, allerdings sind auch keine kühnen Spekulationsgewinne auf zukünftige Mietsteigerungen möglich. Das unternehmerische Risiko eines Leerstandes der Wohnungen ist nahezu ausgeschlossen, denn Mieter*innen die die subventionierte Miete zahlen können gibt es massenhaft.
Gleichzeitig wird mit einer Mietgarantie von mindestens 11 bis 12 Euro Nettokaltmiete, einschließlich der kalkulierten Gewinnmargen, auch der Mietpreis insgesamt nach oben gedrückt. Die Subventionen wirken in den Wohnungsmarkt mit der Tendenz ein hohes Mietniveau durchzusetzen. Die steile These, mehr günstige Wohnungen zu bauen, wirkt sich entlastend auf die Mieten aus, verkehrt sich mit dem „Sozialen Wohnungsbau in das Gegenteil. Die Mietpreise werden durch die stattlichen Subventionen nach oben subventioniert. Preisbildung durch Angebot und Nachfrage wird mit dem staatlichen Eingriff zugunsten der Unternehmer beeinflusst.
Die Auswirkung besteht darin, dass nur 4 Prozent (7000) der Mieter*innenhaushalte in den befristeten Genuss einer heruntersubventionierten Miete kommen, während 100 000 Haushalte mit steigenden Mieten zu kämpfen haben.
Milliardäre verzichten nicht auf Subventionen
Auch der reichste Bremer, Kurt Zech, mit einem Vermögen zwischen 2,3 und 2,5 Milliarden Euro, profitiert vom „Sozialen Wohnungsbau“. Die „Gustav Zech Stiftung“ mit ihrem Hauptsitz in der Steueroase Lichtenstein verwaltet das angesammelte Kapital des Milliardärs. Diese Stiftung ist Eigentümerin des neuen Hochhauses im Hafen. Dort sollen auch 88 „Sozialwohnungen“ vermietet werden. Im „Lofthaus Nord“ werden „Sozialwohnungen“ zu Preisen von 6,50 Euro pro qm angeboten. Im gleichen Haus liegt der qm Preis für Wohnungen ohne staatlichen Zuschuß zwischen 12,10 bis 12,25 pro qm. Die „Steuersparstiftung“ kassiert von der Stadt Bremen so ca. 10 bis 12 Millionen Euro in den nächsten 30 Jahren.
Die Alternativen
Der Staat hat zwei Möglichkeiten die Mieten gering zu halten. Durch die entsprechenden Gesetze wie ein Mietendeckel, Verteilungsschlüssel bei Modernisierungen (Umlage derzeit in 11 Jahren) oder die Kappungsgrenze. Durch die Kappungsgrenze sind gegenwärtige in Bremen Mietsteigerungen bis zu 15 Prozent in drei Jahren zulässig. Durch den Bau eigenen Wohnungen, die quasi zum Selbstkostenpreis vermietet und mit denen keine Gewinne erwirtschaftet werden.
Der Staat könnte auf eigenem Grundstücken, durch städtische Wohnungsbaugesellschaften wie Brebau und GEWOBA oder durch Wohnungsbaugenossenschaften Wohnungen bauen lassen. Die Kosten würden sich durch den Bau auf eigenen Grundstücken deutlich verbilligen und es gäbe keine Gewinne die aus der Kostenmiete zu bestreiten wären. Zudem hätte die Stadt und städtische Gesellschaft und Genossenschaften den dauerhaften Zugriff auf diese Wohnungen. Während durch die Subvention im Rahmen des „Sozialen Wohnungsbaus nur ein Belegungsrecht für 30 Jahre „gemietet“ wird, könnte faktisch mit dem annähernd gleichen Mitteleinsatz wie für den „Sozialen Wohnungsbau“eine günstige „Selbstkostenmiete“ für die gesamte Lebensdauer eines Wohnhauses erzielt werden.
Selbst unter Bedingungen einer Marktwirtschaft ließen sich mit kommunalen Mitteln Wohnformen entwickeln in denen die Marktmechanismen, die Profitstreben der Investoren nicht ungebremst durchsetzen könne.
Derartige Wohnmodelle gibt es in Wien und Zürich. Die große Mehrheit der dortigen Mietwohnungen sind kommunal bzw. im Eigentum von Genossenschaften und die Mieten sind im Länder bzw. Städtevergleich enorm günstig.
Eine gezielte Entwicklung von Mietwohnungen in Bremen durch Genossenschaften und kommunale Unternehmen bauen zu lassen, würde den privaten Wohnungsunternehmen das Geschäft versauen. Höhere Mieten wären in einem vom kommunalen Gesellschaften und Genossenschaften dominierten Markt nicht mehr durchsetzbar. Grand City, Justus Grosse (Eigentümer Linnemann / Diakon im Dom und in der Handelskammer) Zech und Co, würde die Gewinne wegbrechen.
Der Grund für die ungebrochenen Mietsteigerungen ist in der Tatsache begründet, dass in Deutschland jährlich 70 bis 80 Milliarden Euro von Banken, Hedgefonds, Immobilienfonds und Versicherungen in den Immobilienmarkt gepumpt werden. Ein Werbespot vor der Tagesschau versprach unlängst 6 Prozent Rendite für Anlagen in Immobilien. Etwa ein Drittel aller Kreditvergaben in Deutschland fließen in den Immobiliensektor.
Dieser Kapitalzufluss und Spekulationsgewinne beim Handel mit Immobilien oder Gewinnausschüttungen basieren alle auf dem Versprechen zukünftig mehr und höhere Gewinne einzufahren. Dies geht bei Immobilien nur mit der einzigen Einnahmequelle – den Mieten. Diese müssen steigen, um das Karussell aus Kapitalzufluss und Gewinnversprechen am Laufen zu halten. Käme es zu relevantem Mietpreisverfall, Mietendeckelungen oder Schlagzeilen über große Leerstände, würde die Blase platzen, Spekulanten und Anlagefonds müssten gewaltige Kapitalmengen abschreiben. Dies möchten die Eigentümer*innen des in Immobilien investierten Kapitals (Die Personen des oberen Zehntels des Einkommensbezieher*innen) mit aller Macht verhindern. Also entsteht ein ständiger Druck auf die Anhebung der Mieten.
Die Gewinne werden von den Investoren einkassiert, und die Mieten in der großen Mehrheit durch von Lohnarbeit lebenden Menschen sowie Sozialleistungsbezierher*innen bezahlt.
Wohnungspolitik ist Klassenkampf
Wer nach „Sozialem Wohnungsbau“ ruft, bedient die Interessen des Wohnungskapitals.