#1 – Bremen – Juli
Wandzeitung gegen das neue Polizeigesetz
Ein neues, verschärftes Polizeigesetz
Im Januar hat die Bremer Innenbehörde einen Getzesentwurf für ein neues Polizeigesetz vorgelegt. Der Entwurf scheiterte im parlamentarischen Prozess an den Grünen, die das Gesetz so wie es war, nicht unterzeichnen wollten. Nun hat die Bremer CDU einen neuen Entwurf konzipiert. Ihre Ziele sind der erweiterte Einsatz der elektronischen Fußfessel, die Ausweitung von Kameraüberwachungen im öffentlichen Raum, umfangreiche Befugnisse im Bereich der Telekommunikationsüberwachung wie zum Beispiel das Abhören von Telefongesprächen, Nachrichten etc. sowie den Einsatz von Entschlüsselungstechniken für verschiedene Messenger (WhatsApp, Telegram, Signal). Und das alles soll nicht nur bei mutmaßlichen Täter*innen in Kraft treten, sondern – und das ist neu – auch bei Personen, die mit einer „konkreten Wahrscheinlichkeit“ in der Zukunft welche werden könnten. Wer das Gesetz zum ersten Mal liest könnte meinen, es sei auf die Verfolgung und Verhinderung von Terroranschlägen zugeschnitten. Jedoch wird im selben Zug mit der Erweiterung der Befugnisse der Polizei auch die Definition einer „terroristischen Straftat“ aufgeweicht. Im Grunde sind alle Menschen von diesem Gesetz betroffen.
Alle, die sich zusammenschließen, weil sie etwas ändern möchten und sich dabei nicht penibel dem Gesetz unterwerfen, sind potenziell eine „terroristische Vereinigung“. Die Krux ist, dass die Frage was als „terroristisch“ definiert wird und was nicht, Auslegungssache der Bullen wird und somit die Gewaltenteilung effektiv übergangen wird. Auf all die juristischen Feinheiten und verschleierten Schlupflöcher, die in dem 48 Seiten langen Entwurf stehen, können und wollen wir hier nicht eingehen. Eines sollte jedoch deutlich werden: Was hier durchgesetzt werden soll, ist eher ein Gesetz für den permanenten Ausnahmezustand, als eines für „Sicherheit und Freiheit“ der Staatsbürger*innen. Mittels Militärtechnologie wird die gesamte Bevölkerung und das gesamte Terrain überwacht und kategorisiert.Das Ziel ist die „gefährlichen“ Elemente effektiv zu isolieren, zu überwachen und zu neutralisieren. Doch wir sollten nicht in Schockstarre verfallen. Was zählt sind nicht die gegenwärtigen und künftig dazu kommenden Mittel der Repression, sonder der Drang zur Freiheit.
Gegen die Politik
Während die CDU sich durch den aktuellen Vorstoß in Form eines eigenen Entwurfes für ein Polizeigesetz als Partei der Stärke, der Praxis und der Sicherheit inszenieren will, haben die Grünen die Rolle der kritisch-aufgeklärten Demokrat*innen mit Auge auf die Bürger*innenrechte für sich gepachtet – ein inszeniertes politisches Stellungsspiel. Tatsächlich wollen auch die Grünen ein neues Polizeigesetz. Sie halten das neue Gesetz, trotz Einwänden, für „einen Entwurf mit Augenmaß“. Ob das neue Gesetz so kommt wie es die CDU oder der SPD-Innensenator Mäurer vorgeschlagen haben oder ob vorher, wie es die Grünen gefordert haben, „eine breitere gesellschaftliche Diskussion geführt“ wird und ein „Abwägungsprozess“ stattfindet, am Ende – das wissen wir alle – wird das Selbe geschehen. Lasst uns dieses Gesetz verhindern, egal wer es vorschlägt!
Staatsgewalt
Die Polizei war nie unser*/e* Freund*in! Gesetz hin oder her – in dem ganzen Diskurs um die Verschärfung der Gesetze, der Bewaffnung und der neuen Befugnisse für die Bullen geht eines bisher völlig unter, nämlich was die Polizei eigentlich ist. Losgelöst von der aktuellen Gesetzesdebatte betrachtet, sind sie diejenigen, die das Gesetz durchsetzen; die sich schützend vor die Reichen stellen und damit die Verhältnisse der Ausbeutung stabilisieren. Es sind diejenigen, die Abschiebungen absichern, die uns überwachen, kontrollieren, bedrängen und gängeln. Die Polizei steht für die uralte Lüge, dass Freiheit durch eine bewaffnete Macht gesichert werden könne. Die Freiheit jedoch, von der wir sprechen, wird weder gewählt, noch gewährt, sondern entspringt unseren Fähigkeiten innerhalb der Kontexte in denen wir leben zu handeln und uns zu organisieren. Freiheit wird erkämpft!
Werden wir gefährlich!
Wir wollen einen Widerstand der jenseits der Politik stattfindet und der sich zwischen uns als Individuen entwickelt, weil unsere konkreten Bedürfnisse und Eigenheiten niemals in ein Parteiprogramm passen. Was wir brauchen ist unkontrollierte Bewegung, die sich die Straße und die Mittel nimmt, die sie braucht, ohne um Erlaubnis zu bitten. Wir wollen einen direkten Widerstand, der in unserem Alltag Ausdruck findet und Solidarität mit den vielen Menschen zeigt, die tagtäglich kontrolliert werden oder die von Repressionen und Gewalt betroffen sind. Es braucht Widerstand, der die Strukturen der Überwachung und Unterdrückung theoretisch hinterfragt und praktisch angeht; der sich in Gesprächen, in Texten, in Graffito und in Taten ausdrückt. Gegen das Polizeigesetz! Gegen die Polizei!
Wir erkennen das Urteil nicht an!
Der Prozess in München hat keine Aufklärung des NSU-Komplexes gebracht. Die Vertreterin der Nebenklage Angelika Lex sagte dazu:
Es gibt immer noch viel zu wenig Ermittlungsverfahren gegen lokale Unterstützernetzwerke und es gibt keine gegen staatliche Helfer und Unterstützer, gegen V-Leute des Verfassungsschutzes. Es fehlen vollständig die Verfahren gegen Ermittler, gegen Polizeibeamte, gegen Mitarbeiter des Verfassungsschutzes, gegen Präsidenten und Abteilungsleiter von Verfassungsschutzbehörden. Verfahren, die nicht nur wegen Inkompetenz und Untätigkeit sondern auch wegen aktiver Unterstützung geführt werden müssten.
Wesentliche Fragen sind nicht beantwortet worden: Wie groß war der NSU wirklich? Welche Rolle spielte der Verfassungsschutz? Welche Verantwortung trug institutioneller Rassismus? Was hatte der Verfassungsschützer Andreas Temme zur Tatzeit am Tatort der Ermordung von Halit Yozgat zu suchen? Hat er an der Ermordung des jüngsten NSU-Opfers mitgewirkt oder „nur“ zugesehen? Wie viel Geld ist vom Verfassungsschutz an den NSU geflossen? Mit einer Kundgebung am Marktplatz und einer einigermaßen kraftvollen Demonstration vom Ziegenmarkt zum Landgericht erinnerten mehr als 350 Leute an die Verbrechen des NSU und das uneingelöste Aufklärungsversprechen. Begleitet wurde die Demonstration von ca. 10 Polizeifahrzeugen, Riotcops und Zivten. Die ersten Reihen wurden die ganze Zeit gefilmt. Die Wut über diese Maßnahmen zur Einschüchterung und Kriminalisierung fand im Verlauf der Demo (leider) kein Ventil. Dennoch, die Bullen konnten nicht verhindern das die Leute ihre Haltung zum Ausdruck bringen konnten: Kein Schlussstrich! NSU-Komplex aufklären und auflösen! Verfassungsschutz abschaffen!