„Bremer Bauwagenbewohner suchen immer noch eine Heimat“

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Seit mehr als anderthalb Jahren sucht die Ölhafen-Wagenplatzgruppe nach einem Stellplatz in Bremen. Mehrere Angebote schlug sie aus. Laut Stadtplaner ist die Stadt langsam genervt.


Die Ölhafen-Crew parkt in der Nähe der Universität Bremen – doch lange dürfen sie dort nicht mehr bleiben.

Die Luft ist klar und kühl an diesem Mittwochmorgen, das Thermometer misst zwei Grad. Das spärliche Gras auf der Wiese vor den Wohnwagen wirkt wie durch die Winterkälte ausgetrocknet. Mo* (Name von der Redaktion geändert), die Kapuze hochgezogen, sitzt auf einem roten Plastikstuhl vor einem Gartentisch. Etwas weiter schwelt das Feuer in einem offenen Eimer neben einem Liegestuhl, der an wärmere Tage erinnert. Eine heiße Teekanne steht auf dem Tisch. Ob es im Winter nicht ein bisschen zu kalt sei, um in einem Bauwagen zu leben? Mo lächelt, als wäre ihm die Frage nicht zum ersten Mal gestellt worden. „In meinem Wagen gibt es einen Ofen, es ist warm genug, dass man sich morgens leicht bekleidet bewegen kann. Wir haben Solarpanels, Strom und Wasser durch Tanks oder Kanister in den Wohnmobilen.“

Die Faszination des Lebens im Bauwagen ist nicht schwer nachzuvollziehen. Es sei das Gefühl von Freiheit, das man aus dem Campingurlaub kenne, sagt Mo. „Tür auf und raus“, fügt Steffen*, ein weiterer Bewohner, hinzu. Anders als es unter Nachbarn in vielen Stadtwohnungen der Fall ist, wollen sie miteinander zu tun haben.

Am jetzigen Standort dürfen sie nicht lange bleiben

Am Ende einer Einbahnstraße, deren Ränder mit abgestellten Autos, roten Universitätsgebäuden und sparsam begrünten Flächen gesprenkelt sind, hat die Ölhafen-Gruppe ihre Wohn- und Bauwagen momentan geparkt. Doch hier, in der Nähe der Universität Bremen, dürfen sie nicht länger bleiben. Das bestätigt Thomas Lecke-Lopatta, Stadtplaner beim Bausenator. Das Ordnungsamt habe sich beschwert.

Langfristig hier zu bleiben, kommt auch für die Bauwagen-Gruppe nicht infrage. „Das ist nicht der Ort, wo wir wohnen oder Projekte starten möchten“, sagt Mo und blickt auf das karge Areal. Eine Zwischenstation sei das hier – wie schon viele andere davor. Bereits auf sechs Plätzen in Bremen hat die Gruppe in knapp zwei Jahren ihre Wagen abgestellt. Eine langfristig praktikable Lösung konnten sie bisher nicht finden, sagen sie.

Ende Oktober hatten sie ein Areal auf dem Europahafen besetzt, das Exxon Mobil gehört. Der Konzern hat sie nach kurzer Zeit aufgefordert, das Grundstück zu verlassen. „Es ist eine Industriebrache und nicht zum Bewohnen gedacht – das wünschen wir nicht“, bestätigte ein Exxon-Sprecher.

Auch auf dem vorherigen Grundstück hatten sie kein Glück: In der Neustadt, neben der ehemaligen Unruh-Spedition, drohte der Eigentümer Aurelis Real Estate mit einer Räumung. Ebenso scheiterte der Plan, eine Bleibe im neuen Hulsberg-Viertel zu finden. Die Geno hat die Anfrage für das Krankenhausgelände abgelehnt. „Aus unserer Sicht kommt die Unterbringung einer Wagenburg auf dem Klinikgelände nicht infrage. Eine solche Geländenutzung verträgt sich nicht mit der Sicherstellung des klinischen Betriebs und auch nicht mir der direkt angrenzenden Baustelle“, teilt die Geno-Sprecherin, Karen Matiszick, auf Anfrage mit.

Nächster Standort noch unklar

Wo die Gruppe demnächst hinziehen wird, will sie nicht verraten. Für ihr Projekt sucht die Gruppe nach einem Ort im Stadtgebiet. „Wir haben ein paar Vorschläge abgelehnt, weil sie zu weit weg waren“, sagt Mo. Ein Angebot hat die Gruppe erst vor wenigen Tagen ausgeschlagen: den alten Campingplatz am Unisee. „Ein Grund dafür war, dass schon Leute auf der Fläche sind und wir Bedenken haben, dass es für sie nicht cool sein könnte. Der zweite Grund ist, dass der Ort zu weit weg vom Stadtgebiet ist. Das ist keine langfristige Lösung“, sagt eine Sprecherin der Gruppe. Dass sie Brachen besetzen, begründen die Aktivisten mit der Tatsache, dass sie sonst nicht ernst genommen würden.

Es gebe mehrere Brachen, die langfristig für ihr Projekt in Frage kämen, sagt die Crew. In einem offenen Brief nannten sie Anfang des Jahres etwa zehn. In einer Antwort auf eine Anfrage der Linken stellt der Bremer Senat jedoch fest, dass „auf allen vorgeschlagenen Flächen mehr oder weniger kurzfristige Entwicklungsabsichten der Eigentümer bestehen.“

Stadtplaner: Ich kann ihnen auch kein Grundstück schenken

Der Stadtplaner Lecke-Lopatta hat die Hoffnung noch nicht ganz aufgegeben, dass sich eine Lösung für die Gruppe findet. Doch er klingt irritiert. Langsam seien auch die Stadt und die Polizei genervt, sagt er. „Ich kann ihnen auch kein Grundstück schenken“, fügt er hinzu. Erschwert wird die Suche der Ölhafen-Aktivisten durch ihre eigenen Ansprüche, denn sie suchen nicht nur nach einem Platz zum Wohnen: Sie wollen ein Kulturprojekt auf die Beine stellen.

    Uns ist es wichtig zu betonen, dass es sich hier nicht nur um eine private, alternative Wohnform handelt. Wir möchten auch einen kulturellen Raum für alle anbieten.
    Mo, Gruppenmitglied

Einen „fahrenden, mobilen Freiraum“ nennt es Mo. Wie dieser aussehen soll, davon hat die Gruppe bereits einige konkrete Vorstellungen. Zum einen sollte eine Kunst- und Kulturwerkstatt für handwerkliche Arbeit mit Holz, Stoff oder Metallen entstehen, zum anderen soziale Räume wie ein Café oder eine Kneipe geschaffen werden. „Auch Nachbarschaftsfeste oder vielleicht eine Kinderbetreuung wären denkbar, wir müssten dann die Leute drum herum ansprechen“, sagt er.

Ob dafür Bauwagen zu öffentlichen Räumen umgebaut oder etwa Hütten errichtet würden, sei noch zu klären. Die Expertise dürfte ihnen nicht fehlen: Unter den 15 Mitgliedern befinden sich auch Studenten, Handwerker und Freiberufler. Und sieben Hunde, betont Steffen mit einem Schmunzeln. Während er spricht, toben sich mehrere von denen auf der Freifläche neben den Wohnwagen aus.

* Namen von der Redaktion geändert

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