Queeren Geflüchteten droht Abschiebung

kopiert aus dem Weser Kurier

Obwohl zwei schwulen Geflüchteten in ihren Heimatländern Verfolgung droht, sollen sie abgeschoben werden. Bremer Aktivisten und Juristen kritisieren deshalb das Gericht und das Bamf scharf.

Zwei vermeintlich homosexuelle Flüchtlinge aus Bremen droht die Abschiebung in ihre Herkunftsländer. Aktivisten und Juristen üben scharfe Kritik daran. Die jungen Männer aus Ägypten könnten wegen ihrer sexuellen Orientierung verfolgt werden. Anlass dafür sind ein ablehnendes Urteil des Bremer Verwaltungsgerichts und ein negativer Bescheid der Bremer Außenstelle des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge (Bamf).

Aufgrund dieser Entscheidungen steht den Flüchtlingen nun die Abschiebung bevor. „Es ist unglaublich perfide mit welchen offensichtlich diskriminierenden Begründungen queeren Geflüchteten der Aufenthalt in Deutschland abgesprochen wird“, heißt es in einer Stellungnahme des Bremer Beratungszentrums Rat und Tat. Der Mitarbeiter des Beratungszentrums, Ali Naki Tutar, spricht von einer neuen Qualität von Gerichts- und Bamf-Entscheidungen.

Antragsteller sei noch nicht in der Homosexualität gefestigt

Einer der beiden Männer ist erst wenige Monate in Deutschland. Nach Angaben seiner Anwältin Nina Markovic besuchte der junge Mann bereits vor der Anhörung im Bamf das Beratungszentrum Rat und Tat und sprach dort über ein Coming Out. Beim Bamf beantragte er Asyl, weil ihm als Homosexuellen in Ägypten Verfolgung droht. „Im ersten Interview hat er von seiner sexuellen Orientierung erzählt“, sagt Markovic. Sie selbst habe bei der Anhörung auch die schwierige Situation für Homosexuelle in Ägypten dargestellt.

Doch das Bamf lehnte den Asylantrag ab. Die Begründung: Der Antragsteller befinde sich in einer Phase der „ersten Orientierung“ und sei noch nicht in seiner Homosexualität gefestigt. „Es handelt sich um ein Ausprobieren, eine Experimentierphase, das Erforschen der eigenen Möglichkeiten und Wünsche, nicht um eine gefestigte Präferenz“, heißt es in dem Bescheid. Und da niemand in Ägypten seine Orientierung kenne, könne er dort unbehelligt leben.

„Er ist also nur ein bisschen schwul“, kommentiert Markovic sarkastisch. Der Rechtswissenschaftler Andreas Fischer-Lescano findet diese Einteilung von sexueller Orientierung in die erste Orientierungsphase und eine Festlegung völlig inakzeptabel. Das widerspreche diversen Gesetzen, auf nationaler und internationaler Ebene. „Denn Orientierung ist nicht gradualisiert, sondern wird entweder zugeschrieben und/oder ausgeübt oder nicht“, erläutert der Professor der Universität Bremen. Das Gesetz schütze die Orientierung des Ägypters.

Das Bamf wollte sich zu dem Fall nicht äußern, weil es sich an die Schweigepflicht gebunden sieht. Bamf-Sprecher Jochen Hövekenmeier wies jedoch darauf hin, dass Homosexualität allein noch nie als Grund für einen Asylstatus gereicht habe. Ein Antragsteller müsse zudem glaubhaft machen, dass ihm höchstwahrscheinlich in seinem Herkunftsland schwerwiegende Menschenrechtsverletzungen drohen würden.

Glaubhaftigkeit der Sexualität wird bezweifelt

„Ihm drohen Verhaftung und Folter“, sagt Anwältin Markovic. Jüngste Medienberichte geben ihr Recht. Immer häufiger landen Homosexuelle in ägyptischen Gefängnissen, obwohl die sexuelle Orientierung in Ägypten nicht unter Strafe steht. Der Europäische Gerichtshof entschied 2013, dass homosexuelle Flüchtlinge nicht abgeschoben werden dürfen, wenn ihnen in ihrem Heimatländern Haftstrafen aufgrund ihrer sexuellen Orientierung drohen.

Auf dieses Urteil bezieht sich auch Rechtswissenschaftler Fischer-Lescano. Doch damit dieser Schutz greift, müssen homosexuelle Asylbewerber ihre Sexualität glaubhaft machen. Das verlangt nicht nur das Bamf, sondern auch das Bremer Verwaltungsgericht. Die Glaubhaftigkeit der Sexualität bezweifelt das Bremer Verwaltungsgericht im Fall des anderen Ägypters. Seine Chancen, in Bremen zu bleiben, sind sogar noch schlechter.

Sein Asylgesuch wurde bereits vom Bamf abgelehnt. Er hatte gegen den Bescheid geklagt. Doch das Verwaltungsgericht wies seine Klage ab. Seine Angaben seien widersprüchlich, heißt es in dem Urteil. Der Richter befand den Kläger nicht für glaubwürdig. Im Urteil führt es verschiedene Versionen seiner Fluchtgeschichte an, die der Flüchtling vor dem Bamf, in seiner Klageschrift und in einer mündlichen Anhörung vor Gericht erläuterte.

Zunächst sei er aufgrund eines Verhältnisses mit der Nachbarstochter von dem Vater weggejagt worden. Später hatte ihn die Nachbarstochter als Regierungsgegner angezeigt. In der Anhörung gab der Mann an, homosexuell zu sein. Gemerkt habe er dies bei einer Vergewaltigung. Der Richter schließt daraus: Sowohl die sexuelle Orientierung als auch seine politischen Aktivitäten habe der Kläger aus taktischen Gründen vorgetragen. Warum das Gericht die Homosexualität des Ägypters nicht anerkennt, kann Fischer-Lescano anhand des Urteils nicht nachvollziehen. Die Begründung genüge nicht den Anforderungen, die der Europäische Gerichtshof aufgestellt habe, erläutert er.

„Viele Mandanten sprechen nicht über ihr Sexleben“

Die Anwältin Dominique Köstens kritisiert das Urteil. Sie sei zwar überrascht gewesen, als ihr Mandant in der Gerichtsverhandlung angab, homosexuell zu sein, erklärt sie. Aber sie findet diese Handlung im Gegensatz zum Richter nachvollziehbar: „Viele Mandanten sprechen nicht über ihr Sexleben.“ Sie hätten Angst, dass sich ihre Homosexualität in der Flüchtlingsunterkunft herumspricht. Außerdem habe der Richter kaum Nachfragen gestellt.

Köstens fordert, dass sich Richter mehr Zeit für solche sensiblen Themen nehmen. Diese Kritik weist die Sprecherin des Bremer Verwaltungsgerichts Verena Korrell entschieden zurück. „Es gab keinen Zeitmangel“, sagt sie. So schwierig sich die Fälle auch darstellen, für die Anwältinnen Dominique Köstens und Nina Markovic ist klar: Flüchtlinge dürften im Zweifelsfall nicht in ihre Heimatländer abgeschoben werden, wenn ihnen dort Verfolgung oder sogar der Tod wegen Homosexualität droht.

Quelle: weser-kurier.de

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