Senat plant neuen Anlauf zur Reform des Polizeigesetzes

kopiert aus dem Weser Kurier

Wenn Bedienstete des Zolls bei einer Kontrolle zufällig auf einen Straftäter stoßen, dürfen sie diesen in Bremen nicht festnehmen. Der Senat möchte dies im Zuge der Reformierung des Polizeigesetzes ändern.

Wenn Zollbeamte auf der Suche nach Schwarzarbeitern eine Baustelle kontrollieren und dabei zufällig auf einen gesuchten Straftäter stoßen, dürfen sie diesen nicht festnehmen. Genauso ergeht es ihnen, wenn sie auf der Suche nach Drogen einen betrunkenen Autofahrer antreffen. Sie müssen stattdessen auf ihre Kollegen von der Polizei warten.

Das möchte der Bremer Senat ändern. Zollvollzugsbeamte sollen im Eilfall, also in Fällen, in denen die Polizei nicht vor Ort ist und die keinen Aufschub gestatten, polizeiliche Aufgaben übernehmen dürfen. In das Bremer Polizeigesetz soll im Zuge seiner Reformierung eine sogenannte Eilzuständigkeit für Zollbeamte im Vollzugsdienst aufgenommen werden, die diese Unterstützung rechtlich möglich macht. Im Koalitionsvertrag von SPD, Grünen und Linke heißt es dazu: „Den polizeilichen Einsatz des Zolls in Eilfällen werden wir ermöglichen.“

Wann die Änderung des Polizeigesetzes umgesetzt wird, konnte die Innenbehörde von Ulrich Mäurer (SPD) allerdings nicht sagen. Der Senator arbeite derzeit an dem Gesetzentwurf, die Koalitionäre berieten sich. Der innenpolitische Sprecher der SPD-Bürgerschaftsfraktion, Kevin Lenkeit, sagt: „Das Gesetz soll noch dieses Jahr auf den Weg gebracht werden.“ Er erklärte, es gehe nicht darum, dass Mitarbeiter des Zolls bei Heimspielen von Werder Bremen eingesetzt würden, sondern nur um Ausnahmesituationen. Es gehe um Fälle, in denen Gefahr im Vollzug sei. Lenkeit ist überzeugt, dass die Zollvollzugsbeamten für polizeiliche Festnahmen gut ausgebildet sind. „Ich habe keinerlei Bedenken, dass die Kollegen der Zollbehörde nicht ähnlich gut ausgebildet sind wie die Polizei“, sagt er.

Nicht alle Zollbeamten wären von der Änderung betroffen, sondern nur Zollvollzugsbeamte. Als Vollzugskräfte gelten jene Beamte, die hoheitliche Aufgaben übernehmen, also auch Gewalt anwenden dürfen. Im Hauptzollamt Bremen sind einem Sprecher zufolge über 320 Vollzugskräfte angestellt, diese sind nicht ausschließlich in Bremen und Bremerhaven tätig sind, sondern auch in der Stadt Delmenhorst und in den Landkreisen Cuxhaven, Stade und Osterholz-Scharmbeck. Hinzu kommen noch Vollzugsbeamte der Zollfahndung in Bremen und Bremerhaven.

Gesetzesänderung macht’s möglich

Die Einführen der Eilzuständigkeit von Zoll-Mitarbeitern ist rechtlich möglich geworden mit einer Änderung des Zollverwaltungsrechts im Jahr 2017. Seither haben zahlreiche Bundesländer diese Möglichkeit in ihre Landespolizeigesetze aufgenommen. Dazu zählen etwa Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen und Baden-Württemberg. Auf dem Gebiet der Bundespolizei gilt die Eilzuständigkeit ohnehin schon, dies betrifft also Zollvollzugsbeamte am Bremer Bahnhof und am Flughafen. Der Zoll ist eine Behörde des Bundes und dem Finanzministerium unterstellt.

Dass Zollvollzugsbeamte in Niedersachsen schon Festnahmen machen dürfen, in Bremen aber nicht, stelle die Vollzugsbeamten vor eine Herausforderung, sagt Olaf Wietschorke. Er ist Vorsitzender der Deutschen Zoll- und Finanzgewerkschaft (BDZ) im Bezirk Hannover, zu dem Beamte in Niedersachsen, Bremen und Sachsen-Anhalt gehören. „Wenn unsere Beamten auf der Autobahn unterwegs sind, müssen sie erst schauen, ob sie gerade in Bremen oder in Niedersachsen sind“, erklärt Wietschorke. Seine Gewerkschaft setzt sich daher dafür ein, dass alle Bundesländer die Eilzuständigkeit einführen. Bis auf Berlin und Thüringen sei dies derzeit auch überall geplant.

Der Hauptgrund für die gewünschte Änderung sei auch eine rechtliche Absicherung der Zollvollzugsbeamten, sagt Wietschorke. Sie hätten derzeit nur, wie jeder andere Bürger auch, über den sogenannten Jedermann-Paragrafen (Paragraf 127 der Strafprozessordnung) die Möglichkeit, einen Straftäter festzuhalten. Die Voraussetzung dafür ist aber, dass der Täter auf frischer Tat ertappt wird. „Bei einer Auseinandersetzung müssten die Zollvollzugsbeamten privat Regressansprüche stellen“, sagt der Gewerkschafter. Aus seiner Sicht verstünden die Bürger auch nicht, wieso der Zoll keine Unfallstellen absperren dürfe. „Die sehen uns und fragen sich, wieso wir nicht absperren“, erzählt Wietschorke. Auch bei alkoholisierten Autofahrern seien dem Zoll die Hände gebunden.

Die Gewerkschaft der Polizei (GdP) unterstützt die Forderung der Zollgewerkschaft BDZ ebenfalls. „Stellt der Zoll polizeirechtlich relevante Sachverhalte fest, kann man den Bürgerinnen und Bürgern Bremens doch kaum erklären, dass der Zoll nicht zumindest solange aktiv werden kann bis reguläre Bremer Polizeivollzugsbeamte eingetroffen sind“, findet Lüder Fasche, Landesvorsitzender der GdP. Ein bestehendes Beispiel für eine erfolgreiche Kooperation zwischen Zoll und Polizei in Bremen sei eine gemeinsame Ermittlungsgruppe Rauschgift. „Die leisten ganz hervorragende Arbeit“, sagt Fasche.

Bremer CDU findet die neuen Befugnisse notwendig

Er betont aber auch, dass jenseits der notwendigen Eilzuständigkeit grundsätzlich weiterhin gelte: „Wer regelmäßig vollzugspolizeiliche Aufgaben wahrnimmt, sollte auch als Vollzugspolizist ausgebildet sein.“

Auch aus Sicht der Bremer CDU-Fraktion sind die neuen Befugnisse für Zollvollzugsbeamte notwendig. „Das kann man ja keinem Menschen schlüssig erklären, warum ein Zollbeamter einen betrunkenen Autofahrer nicht festhalten darf“, sagt Marco Lübke, innenpolitischer Sprecher der Fraktion. Die Christdemokraten haben jüngst einen Bürgerschaftsantrag formuliert, der vom Senat die Festschreibung der Eilzuständigkeit in das Bremer Polizeigesetz fordert. Aus Sicht der CDU darf es keine Insellösung für Bremen geben.

Björn Fecker, innenpolitischer Sprecher der Grünen-Fraktion, sagt: „Der Prozess ist längst im Gang.“ Die Maßnahme mache Sinn und sei in der Koalition nicht strittig. Auch Nelson Janßen, Vorsitzender und innenpolitischer Sprecher der Linksfraktion, bestätigt, dass über den Punkt Einigkeit bestehe.

Quelle: Weser Kurier

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