Senat: „Inge Katz muss sterben, damit wir umbenennen können“

Shoah überlebende Inge Katz und ihre Cousine Ruthie vor einem der Bremer Judenhäuser

kopiert aus dem Weser Kurier

Das Schulzentrum Neustadt plant eine multimediale Installation für Inge Katz, die das KZ Theresienstadt überlebte. Eine Umbenennung des Schulkomplexes ist vorerst nicht möglich.

Das Schulzentrum Nord möchte mit einer Installation im Schulgebäude C an die Bremer Holocaustüberlebende Inge Katz erinnern. Die Jüdin war zurzeit der Machtergreifung durch die Nationalsozialisten selbst Schülerin der Schule. Eigentlich würde sich die Schule gerne nach ihr benennen, das darf sie bisher aber nicht.

„Bei uns sitzen alle Schüler in der ersten Reihe“, benennt Schulleiterin Judith Mahlmann das interne Leitbild der Schule. Dieses habe sich nach einer Lesung des Buches „Roses in a Forbidden Garden: A Holocaust Love Story“ entwickelt. Katz‘ Enkelin Elise Garibaldi beschreibt dort unter anderem, wie sich die heute 95-Jährige nach der Nazi-Machtergreifung Schikanen ausgesetzt sah. So durfte sie nur noch in der letzten Reihe im Klassenraum sitzen.

Deshalb soll nun eine interaktive Ausstellung an Inge Katz erinnern. Schüler und Lehrer haben diese in einer Arbeitsgemeinschaft geplant. Im Treppenhaus des C-Gebäudes, durch das auch Inge Katz zu ihrer Schulzeit lief, sollen unter anderem eine Zeitleiste sowie QR-Codes angebracht werden. Hinter diesen sollen sich Video-Interviews mit der Jüdin finden. Außerdem sollen auch im restlichen Schulgebäude QR-Codes verteilt werden. Zukünftig sollen diese dann beispielsweise auf Fluchtgeschichten der Schüler verweisen. Am 11. Dezember soll das umgestaltete Treppenhaus eröffnet werden. Außerdem soll die Geschichte der Holocaustüberlebenden auch in anderen Gruppen und Kursen zum Anlass genommen werden, um Weltoffenheit zu vermitteln.

Das würde die Schule auch gerne als „Schulzentrum Inge Katz in der Bremer Neustadt“ tun – auch damit Inge Katz als dauerhafter Auftrag an die Schule verstanden wird. Eine Umbenennung ist bisher aber nicht möglich. Das Problem ist eine Richtlinie, die besagt, dass Schulen Namen lebender Personen nicht annehmen dürfen. Zur Begründung heißt es, dass „der Prozess der öffentlichen Meinungsbildung noch nicht abgeschlossen ist“. Grundsätzlich steht jedoch die zuständige Senatorin für Kinder und Bildung, Claudia Bogedan (SPD), dem Vorhaben der Schule aufgeschlossen gegenüber. Sie unterstütze das Ansinnen, ein Zeichen gegen Ausgrenzung zu setzen.

Die Schule hat für die Umbenennung die Rückendeckung der Schulkonferenz. Die Lehrer stimmten zu drei Viertel für den neuen Namen, der Rest enthielt sich. Bei den Schülern stimmten 73 Prozent für eine Umbenennung in Inge-Katz-Schule, 27 dagegen. „Es ist klar, dass man aneckt, wenn man eine multikulturelle Schule wie unsere nach einer Jüdin benennen will. Aber genau das möchten wir. Der Name soll wie ein Stolperstein zum Nachdenken anregen und Diskussionen fördern“, sagte Mahlmann.

Inge Katz: Bedrückende Schulzeit

Inge Berger, wie sie heute heißt, wächst als Verfolgte in Bremen auf. 1942 wird die Jüdin von den Nationalsozialisten mit ihrer Familie ins KZ geschickt. Doch schon davor hat sie keine einfache Zeit. Die heute 95-Jährige ist eine der letzten Bremer Holocaustüberlebenden. Weil sie nach dem Krieg nicht mehr in dem Land leben wollte, wanderte sie 1955 nach New York aus.

1924 wurde die Tochter des jüdischen Geschäftsmannes Carl Katz in Bremen geboren und überlebte das Konzentrationslager Theresienstadt. Sie war acht Jahre alt, als Hitler die Macht ergriff. In der Schule war Katz plötzlich ein Mensch zweiter Klasse. Von einem Tag auf den anderen mussten sie und ihre Cousine Ruthie an der Schule an der Delmestraße in der letzten Reihe sitzen. Die Klassenfahrt wurde ihnen gestrichen, weil Juden der Aufenthalt in der Jugendherberge nicht mehr erlaubt war. Und dann war da noch der Schuldirektor. „Er war ein Nazi. Wir hatten ihn in Geschichte. Er kam jedes Mal in Uniform und hatte immer etwas gegen die Juden zu sagen. Am Ende der Stunde sagte er stets: Das bezieht sich natürlich gar nicht auf Ruthie und Inge“, erzählte Katz über 80 Jahre später.

Doch die antisemitischen Worte des Schulleiters hinterlassen Eindruck bei Katz‘ Klassenkameradinnen. Niemand will mehr etwas mit den jüdischen Schülerinnen zu tun haben, bald dürfen die Mitschülerinnen Katz und ihre Cousine nicht mehr zu Hause besuchen. Noch heute wirken die Ausgrenzungen, die Katz an der Schule erleben musste, nach, berichtet ihre Tochter Ruth Bahar bei einem Besuch an der Schule.

Der Antrag zur Umbenennung der Schule wurde Katz zu ihrem 95. Geburtstag im Juni dieses Jahres geschickt. „Sie hat sich sehr darüber gefreut, wir stehen in intensivem Kontakt“, sagt Michael Kodewitz, Leiter der Fachoberschule für Gesundheit. Tochter Ruth Bahar hat das Schulzentrum bereits besucht. Sie habe sich besonders gefreut, dass ihr Mutter und ihre Cousine so eine Unterstützung von den Lehrern und Schülern des Schulzentrums erfuhren. „Das hat auch meine Mutter zu Tränen gerührt.“ Eine Umbenennung wäre ein Zeichen an Menschen, die immer noch antisemitische Inhalte an Schulen unterbringen, so Bahar.

Das sieht auch die Schulleiterin so, für die ein Kompromiss, wie die Umbenennung der Aula nicht ausreichend ist. „Es muss groß sein und die Menschen müssen drüber stolpern.“ Nun hoffen Mahlmann und ihre Kollegen, dass die Politik sich für einen Senatsbeschluss einsetzt, der die aktuelle Regelung ändert. Zumindest auf der neuen Webseite der Schule, die im Dezember freigeschaltet werden soll, wird Inge Katz‘ Name bald stehen – zumindest in Klammern.

kopiert aus dem Weser Kurier

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