Flugblatt zu „Crash the Party“ / AfD Bundesparteitag in Braunschweig

Nationalismus ist keine Alternative! Demo am Vorabend des Parteitags

Die fast unlösbare Aufgabe besteht darin, weder von der Macht der anderen, noch von der eigenen Ohnmacht sich dumm machen zu lassen.“
– Theodor W. Adorno, Minima Moralia

FCK AFD!

An diesem Wochenende sind zahlreiche linke und linksradikale Personen und Gruppen nach Braunschweig gefahren, um gegen den Bundesparteitag der Alternative für Deutschland zu demonstrieren und versuchen, seine Abläufe wenigstens zu stören. Ein derartiger Sabotageversuch gegen den politischen Betrieb in Deutschland müsste von KommunistInnen und anderen Antideutschen eigentlich gut geheißen werden können – würden die Demonstrationen sich auch als ein solcher verstehen. Doch weder wird eine derartige subversive Radikalität unter dem Großteil der Protestierenden Anklang finden, noch wird der sich selbst als explizit linksradikal verstehende Teil der zu Grunde liegenden Analyse zustimmen. Zu sehr ist man verfangen im identitären Abgrenzungsbedürfnis und zu oft reiht man sich ein in das vermeintlich antifaschistische „zivilgesellschaftliche Engagement“, ohne dabei zu merken, dass man sich dabei von den als links gesehenen Parteien der postnazistischen Bundesrepublik vor den Karren spannen lässt.

Es ist – wie viel zu oft – die deutsche Zumutung des Antisemitismus, an dem das Versagen linker Kritik deutlich wird. Während die Lehre der Shoah für Israel und die meisten Jüdinnen und Juden in Europa heißt, dass sie sich niemals voll auf den Schutz einer anderen Staatsmacht verlassen können,1 demonstrierte die radikale Linke nach dem Attentat in Halle gemeinsam, in Abgrenzung zur AfD, mit VertreterInnen eben jener deutscher Parteien, die im Handel mit dem antizionistischen iranischen Regime – der größten Bedrohung die es für Jüdinnen und Juden auf der Welt momentan gibt – alles andere als ein Problem sehen.2 Der Parlamentarismus erscheint in neuem Glanz, weil unter gemeinschaftsstiftenden Parolen wie „Unteilbar“ oder „gegen den Hass“ die Widerwärtigkeiten der Berliner Republik verdrängt werden können.3

Ideologiekritik und Identität?

Bezeichnend dafür ist, dass die durch die Bank weg antizionistischen Ausfälle deutscher PolitikerInnen anlässlich der feierlichen Debatte zu „70 Jahre Gründung des Staates Israel – In historischer Verantwortung unsere zukunftsgerichtete Freundschaft festigen“4 im deutschen Parlament auch in der antinationalen und israelsolidarischen Linken kaum wahrgenommen wurden. Dass Katrin Göring-Eckardt Israel für den antisemitischen Terrorismus gratulierte oder Dietmar Bartsch, als – nach eigener Aussage – linker Politiker und deutscher Staatsbürger, Israel implizit für die Krisensituationen in seinen Nachbarländern verantwortlich machte, fiel der sprachsensiblen Linken nicht einmal auf, weil die „Einzigartigkeit der Shoah“ und das „Existenzrecht“ betont wurden und somit im für das eigene Wohlbefinden angemessenen Jargon gesprochen wurde.5 Das Einzige, was wirklich Aufsehen erregte, war die Rede einer führenden Charaktermaske der neurechten Bewegungspartei, die gemeinhin unter dem Namen Alexander Gauland bekannt ist. Auch wenn sie sich nur in wenigen Punkten vom sonst üblichen postnazistischen Konsens unterscheidet, war sie Grund genug für die Spaltprodukte der israelsolidarischen Linken – fälschlicherweise auch Rechtsantideutsche und Linksantideutsche genannt –, die eigene Reflexionsfähigkeit freudig über Bord zu werfen und sich politisch klar zur Rede zu positionieren. Ist es bloß ein popkulturindustrielles Bedürfnis nach Distinktion und Tabubruch oder das Ersetzen der sich unversöhnlich selbst gegenüberstehenden und deshalb fürs Individuum einiges an Anstrengung bereithaltenden Ideologiekritik, durch die wohlige Wärme einer politischen Identität im „Kulturkampf“?6 Nur weil das allgemeine Niveau der Debatte sich auf einem derartigen Tiefpunkt befindet, erscheinen einzelne Debattenbeiträge überhaupt als klug.

Politische Positionierungen haben es an sich, dass sie zwar mitunter temporär Raum für kritische Erwägungen haben – wie es einige vernünftige Papiere der Rosa-Luxemburg-Stiftung zeigen – aber im Eifer der Tagespolitik zu allem ein instrumentelles Verhältnis einnehmen müssen – wie es die zur Stiftung gehörende Linkspartei jeden Tag zeigt. Da auf einer Demonstration gegen den Bundesparteitag der AfD aber nicht mit allzu vielen sogenannten Rechtsantideutschen zu rechnen ist, soll uns deren wahnhafte Meinung nicht weiter beschäftigen, sondern der meinende Wahn des Kontraparts. Natürlich ist es für jene, die ihre politische Identität auf einer Solidarität zu Israel aufbauen, unmöglich die Israelsolidarität des politischen Feindes stehen zu lassen. Anders eine kommunistische oder ideologiekritische Israelsolidarität, die sich nicht um Tagespolitik scheren muss, sondern sich allein aus der Kritik von Staat, Kapital und ihren Fetischen begründet. Da die Rede inhaltlich aber kaum Unterschiede hergibt, außer der Zuspitzung der Staatsräson auf die Bereitschaft zu töten, muss sich am Wording abgearbeitet werden.7

Deutschland ist scheiße, in der AfD sind die Beweise.

Es ist nicht zu bestreiten, dass die AfD nicht dieselbe Qualität besitzt, wie die bisher bekannten parlamentarischen VertreterInnen des Postnazismus von Union, FDP, SPD, Linkspartei und Grünen. So sehr letztere auch den deutschen Konsens, gegen den Antideutsche und andere KommunistInnen seit der Wiedervereinigung anrennen, reproduzieren und so wenig ihre Phrasen von den angeblich Lehren des Nationalsozialismus mehr sind, als instrumenteller Teil einer politischen Praxis, einer rechtsradikalen und nationalistischen Bewegungspartei wie der AfD sind sie allemal vorzuziehen. Denn jene muss das Andenken an die Shoah gänzlich verdrängen, weil jede Erinnerung an sie, der von ihnen erträumten „Souveränität des ganzen Volkes“ im Sinne Carl Schmitts, samt todesmutigem Heroismus im Sinne Ernst Jüngers, diametral gegenübersteht.

Die AfD ist eine Reaktion auf eine ökonomische und politische Krise, deren Lösungen in der permanenten Mobilisierung eines ganzen Volkes bestehen und deren Erfolg mordlüsternen und autoritären Charakteren in der ganzen Republik Aufwind gibt. Doch die Mordgelüste und die autoritären Charaktere mussten nicht von der AfD geschaffen werden, sie tragen das notwendige, aber falsches Bewusstsein der sozialen, ökonomischen und staatlichen Zurichtungen im Rechtsnachfolger des Nationalsozialismus. Die AfD gewinnt ihre Stärke dadurch, dass die zivilisierten und von den Westalliierten domestizierten Kanäle zur Sublimation von Antisemitismus und rassistischer Mordlust, also Israelkritik und Abschiebung, nicht für alle gleichermaßen zur Verfügung stehen. Eine Kritik der AfD, die all das nicht berücksichtigt, verdrängt die Ursachen, leugnet den stummen Zwang von Staat und Kapital und vergisst die besondere Widerwärtigkeit dieser Zumutungen in Deutschland.

In diesem Sinne: danke, dass ihr da seid!

Nieder mit Deutschland und für den Kommunismus!
– Solarium (Bremen)

 

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert.