kopiert aus dem Weser Kurier
Bislang machte eine Richtlinie den Plan des Schulzentrums Neustadt zunichte, sich nach der Bremer Holocaustüberlebenden Inge Katz zu benennen. Ab Mittwoch darf die Schule sich aber offiziell umbenennen.
Wenn am Mittwoch um 10.30 Uhr im Schulzentrum Neustadt eine Ausstellung über die ehemalige Schülerin und Holocaustüberlebende Inge Katz eröffnet wird, wird das auch ein besonderer Tag für Schulleiterin Judith Mahlmann. Denn nachdem sich sowohl Lehrer als auch Schüler für eine Umbenennung der Schule einsetzten und zunächst an einer Richtlinie aus dem Jahr 2002 scheiterten, gibt es nun die Wende. Ab dem 11. Dezember heißt das Schulzentrum offiziell „Inge-Katz-Schule – Berufsbildende Schule für Sozialpädagogik und Hauswirtschaft“.
„Das ist einfach unglaublich, und davon hätten wir nicht mal träumen können“, kommentiert die Schulleiterin erfreut. Normalerweise dauere der Prozess der Umbenennung ein Jahr, jetzt habe es in drei Wochen geklappt. „Alle Politiker haben sich ein Bein ausgerissen, wir sind total dankbar und gerührt“, so Mahlmann. Sie selbst hatte im Ortsbeirat der Neustadt Ende November ihr Anliegen vorgetragen – und das Projekt sei sowohl von den anwesenden Bürgern als auch von den Politikern sofort unterstützt worden. „Eigentlich wollte ich damals nur mein Anliegen vortragen, aber der Ortsbeirat hat dann umgehend einen Antrag daraus gemacht und den Stein ins Rollen gebracht“, erinnert sich Mahlmann.
Wie berichtet hatten sich rund drei Viertel der Lehrer- und Schülerschaft für die Benennung nach der heute 95-Jährigen ausgesprochen. In der Richtlinie zur namentlichen Benennung von Schulen aus dem Jahr 2002 heißt es jedoch, dass „Namen von noch lebenden Personen nicht verwendet werden dürfen, da in der Regel hier der Prozess der öffentlichen Meinungsbildung noch nicht abgeschlossen ist“. Beim Bremer Senat stieß der Wunsch der Schule jedoch auf offene Ohren. Und auch Inge Katz, die den Antrag zu ihrem 95. Geburtstag von der Schule geschickt bekommen hatte, ist mit der Umbenennung einverstanden.
Bildungssenatorin Claudia Bogedan hatte bereits bei einem Schulbesuch gesagt, dass sie eine Umbenennung begrüße und sich dafür einsetzen werde. Nachdem die Bildungsdeputation in der Vorwoche sich zu einer Änderung der Richtlinie entschieden hatte, stimmte am Dienstag auch der Senat zu. Zwar soll auch zukünftig von der Benennung nach noch lebenden Personen abgesehen werden, jedoch kann nun „im begründeten Einzelfall der Name einer lebenden Person verwendet werden“. Zuvor hatte auch das Staatsarchiv den Namen geprüft und keine Einwände vorgebracht. Ferner heißt es in der Senatsvorlage, dass der Name von Inge Katz verwendet werden darf, „da der Prozess der öffentlichen Meinungsbildung im Hinblick auf ihre für die Namenswahl maßgebliche Geschichte als Verfolgte des Naziregimes unzweifelhaft abgeschlossen ist“.
„Wenn sich eine Schule mit ihrer jungen Schülerschaft auf den Weg macht, Haltung zum Thema Nationalsozialismus zu zeigen und Erinnerungsarbeit zu leisten, dann ist das ein gutes und wichtiges Signal, deutlich zu machen, dass wir das, was die Nazis damals angerichtet haben, nie mehr haben wollen“, erklärte Bogedan in der Bildungsdeputation. Zudem sei es auch ein Zeichen gegen Menschenhass und rechte Strömungen. „Gerade in der heutigen Zeit ist es wichtig, sich zu positionieren, denn nur im gemeinsamen Austausch und Zusammenhalt können wir Rassismus und Menschenhass eindämmen“, schrieb Bogedan in einem Brief an die Familie von Inge Katz.
In Bremen ist es die erste Umbenennung einer Schule seit rund drei Jahren. Im September 2016 wurde die Berufsbildende Schule an der Walliser Straße in Helmut-Schmidt-Schule umbenannt.
Bei der Familie von Inge Katz, die heute Inge Berger heißt und in New York lebt, sorgte die Nachricht für viel Freude. „Meine Großmutter war regelrecht überwältigt“, berichtet Enkelin Elise Garibaldi. Die Nachricht erreichte Garibaldi und ihre Mutter Ruth Bahar auf dem Weg nach Bremen, wo sie am Mittwoch an der Feier zur Umbenennung und zur Ausstellungseröffnung im Schulzentrum teilnehmen werden. Die Ausgrenzung an der Schule zur Zeit des Nationalsozialismus hätte noch bis heute Auswirkungen bei ihrer Mutter gezeigt, berichtet Ruth Bahar. „Dass nun ihre alte Schule, an der sie so diskriminiert wurde, nach ihr benannt wird, hat irgendwas in ihr geheilt, und sie hat ihren Frieden gefunden“, erzählt Ruth Bahar vom Telefonat mit ihrer Mutter am Wochenende. Ihre Großmutter habe aufgrund ihrer persönlichen Geschichte immer eine Art Hassliebe zu Bremen gehabt, ergänzt Garibaldi. „Ich habe sie noch nie so liebevoll und nostalgisch von Bremen erzählen gehört, wie am Wochenende“, so die Enkelin. Die Umbenennung sei aber auch ein Zeichen an diejenigen, die immer noch versuchen würden, antisemitische Inhalte an Schulen unterzubringen, so Bahar.
Auch in der Ausstellung im Treppenhaus des C-Gebäudes, durch das Inge Katz einst lief, wird die Jüdin zu Wort kommen. Die Schüler hatten Fragen an die 95-Jährige geschickt, die sie per Videos beantwortet hat und die über QR-Codes im Treppenhaus abrufbar sind. Aber auch andere Schüler, die selbst Geschichten von Flucht, Diskriminierung und Mobbing zu erzählen haben, werden in der Ausstellung zu Wort kommen.
Kurz vor Weihnachten soll es zudem eine extra Homepage geben, auf der die Geschichte von Inge Katz erzählt wird. Ursprünglich sollte dort der Name von Inge Katz zunächst nur in Klammern angeführt werden – jetzt kann die Schule auch offiziell ihren neuen Namen dort präsentieren.
Quelle: weser-kurier.de