Redebeitrag der IL Bremen auf der Demonstration gegen den Sarrazin-Besuch in der Havanna Lounge
Gehalten am 10.12. auf der Demonstration unter dem Motto „Sarrazin halt’s Maul – gemeinsam gegen Rassismus und Klassenkampf von oben“
Seit dem Erscheinen seines Buches „Deutschland schafft sich ab“ im Jahr 2010 ist Thilo Sarrazin viel zitierter Vordenker der so genannten „Neuen Rechten“ rund um AfD, Identitäre Bewegung, Pegida und Co. Seine prominente Rolle als Volkswirt, Autor und Politiker machte es ihm möglich seine rassistischen Thesen über die angebliche Verbindung von Herkunft und Intelligenz und die vermeintliche Abschaffung des Abendlandes in der öffentlichen Wahrnehmung zu platzieren. Seine Inhalte sind nämlich genau das: offen rassistisch, elitär und herabwürdigend. Er hetzt gegen Migrant*innen und „den Islam“,gegen Empfänger*innen von Hartz IV und angeblich „Leistungsunwillige“und arme Menschen. Sein Umgang mit Studien und Statistiken ist dabei unwissenschaftlich und selektiv und dient nur der Etablierung seiner Feindbilder.
Fast 10 Jahre nach Erscheinen seines Bestsellers, nach dem Aufstieg der AfD, nach Pegida, unzähligen Anschlägen auf Unterkünften von Geflüchteten und damit einhergehenden weiteren Asylrechtsverschärfungen, müssen wir uns leider nach wie vor und mittlerweile noch dringender mit Personen wie Thilo Sarrazin auseinandersetzen. Seine Inhalte waren Wegbereiter für den rechten Turn der letzten Jahre und sind direkt mitverantwortlich für das Klima von Kälte und Hetze, in dem wir uns heute bewegen. Sarrazins Rolle dabei kann nicht als zu klein bewertet werden. Götz Kubitschek, ein Vordenker der so genannten „Neuen Rechten“ fasst es so zusammen: „Sarrazin war ein Rammbock“. Durch seine Inhalte wurde auch in der vermeintlichen Mitte der Gesellschaft die Tür weit aufgestoßen für klar rechte Positionen, die nun nicht nur vermeintlich sag- sondern mit dem Aufstieg der AfD auch noch wählbar sind. Das war kein Zufall oder „Nebenprodukt“ von Sarrazins Publikationen sondern Absicht und klar verfolgtes Ziel. Das ist die Strategie der Vertreter*innen der „Neuen Rechten“: durch Themensetzung und Tonlagen ihre autoritären, antiliberalen und homogenen Visionen durchsetzen zu wollen.
Sarrazin ist nach seinem 2010er Bestseller bis heute mit seinen menschenverachtenden Inhalten in der Öffentlichkeit präsent. Er redet und redet und schreibt und schreibt seit Jahren in Talkshows, auf Bühnen, in Artikeln und Büchern. Nicht zuletzt hat er bis zum heutigen Tag auch sehr gut an seinen Millionenauflagen verdient. Wir sind heute hier weil wir ganz klar sagen: Schluss damit! Gebt diesem Hetzer, diesem Rassisten und Wegbereiter der Neuen Rechten nicht andauernd ein neues Podium! Man muss nicht jede rassistische Scheiße wieder und immer wieder sagen dürfen, wir müssen uns nicht jeden diskriminierenden Müll immer und immer wieder widerspruchslos anhören! Dafür gibt es weder Notwendigkeit noch Rechtfertigung, es sei denn man möchte eben diesen Rassismus und diese Hetze weiter normalisieren. Denn das ist die Folge solcher Auftritte und solcher Öffentlichkeit. Das zeigen nicht nur die Erfahrungen der letzten Jahre. Wer Rassist_innen Gehör und damit Geltung verschafft dient nicht etwa der Meinungsfreiheit sondern hilft dabei diese abzuschaffen. Denn das ist das Ziel und Ergebnis der Arbeit von Thilo Sarrazin und vieler seiner geistigen Weggefährten wie Björn Höcke, Götz Kubitschek oder Frank Magnitz. Ein Unternehmen wie Werder, das laut Vereinssatzung „Nationalitäten, Kulturen, Religionen und soziale Schichten“ verbinden will, anstatt sie zu spalten, sollte sich darüber im Klaren sein auf wessen Seite sie sich stellen, wenn sie Mitglied in einem Club wie der Havanna Lounge sind. Es ist gut, dass Thilo Sarrazin heute nicht in Bremen sprechen wird. Aber der Veranstalter ist nicht etwa zur Besinnung gekommen. Die Havanna Lounge hat nicht auf Drängen ihrer Mitglieder die Veranstaltung mit Sarrazin abgesagt, sondern allein wegen unseres Protests. Wir fordern daher Unternehmen und Vereine wie Werder auf, ihrer gesellschaftlichen Verantwortung gerecht zu werden und sich klar von Rassisten wie Sarrazin zu distanzieren. Denn diese Menschen wollen keine Meinungsfreiheit. Sie wollen ihre Inhalte solange widerspruchslos in der Öffentlichkeit platzieren, bis sie andere Meinungen unterdrücken und verbieten können. Sie wollen Menschen ausgrenzen können und dafür Applaus statt Widerrede bekommen. Dass sie dafür auch noch eine vermeintlich seriöse Bühne geboten bekommen finden wir gefährlich und empörend. Nicht mit uns! Wir werden auch in Zukunft da sein, wenn Demagogen wie Sarrazin ihren Hass verbreiten wollen und denen auf die Pelle rücken, die ihnen dabei helfen.“
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