Theorie, Kritik und Alternativen
mit Rehzi Malzahn
Montag, 9. März 2020 | 19:30 Uhr | Paradox
Dass wir strafen, erscheint uns als Selbstverständlichkeit. Manchmal erfüllt sie uns mit Unbehagen, aber wirklich in Frage stellen wir sie nicht. Dabei ist Strafe ein wichtiger Bestandteil von Herrschaft. Sie bedarf Institutionen, die sie ermöglichen und ausführen (Gerichte, Gefängnisse, Polizei) und sie setzt die herrschenden Regeln durch. Auch im Kleinen und im Privaten bedeutet zu strafen, dass sich ein Individuum über ein anderes erhebt, weil es sich (moralisch oder juristisch) »im Recht« sieht – sei es in der Erziehung oder in Beziehungen. Während einzelne Institutionen der Strafe (wie z.B. das Gefängnis oder auch die Züchtigung in der Schule) konjunkturell kritisiert werden, ist die Kritik der Strafe als solches eine Seltenheit. Doch Strafe, so Marshall Rosenberg, Begründer der Gewaltfreien Kommunikation, ist „die Wurzel der Gewalt auf unserem Planeten.“ Sie sei „nutzlos und gefährlich“ findet die französische Abolitionistin Catherine Baker, denn sie perpetuiert eine Gewaltspirale und verhindert friedliches Miteinander. Dennoch kamen auch die Revolutionsversuche des 20. Jahrhunderts ohne Strafkritik aus, vielmehr wurden oft sogar drakonische Strafsysteme praktiziert.
So wenig damals versucht wurde, alternative Umgangsweisen zu finden, so wenig wird auch heute darüber diskutiert oder entsprechendes ausprobiert. In antikolonialen Befreiungskämpfen, indigenen Kulturen und marginalisierten Communities finden sich jedoch eine Menge anderer Verfahren der »Unrechtsbewältigung« oder »Gerechtigkeitsfindung«. Als »Restorative Justice« und »Transformative Justice« werden solche Alternativen heute auch in weißen Mehrheitsgesellschaften diskutiert.
Dass sie jedoch nach wie vor nur marginal angewandt werden, liegt auch daran, dass sie außerhalb der Fachkreise unbekannt sind und es keine gesellschaftliche Bewegung gibt, die sie praktiziert und einfordert. Das gilt es zu ändern.