„Die Stadt sollte zum Beispiel gegen aggressives und organisiertes Betteln vorgehen und den Drogenverkauf und -konsum angehen.“

kopiert aus dem Weser Kurier

Autofreie Bremer City auf der Streichliste

Ein neues Aktionsbündnis hat Forderungen zur Bremer Innenstadt formuliert. Der Senat soll zu einem zweiten Gipfel einladen und die City-Planungen im Rathaus zentralisieren.

Zur Rettung der notleidenden Bremer Innenstadt hat sich ein breites Aktionsbündnis gebildet und am Montag seine Forderungen präsentiert. Kern ist, die gesamte City-Planung zu bündeln und sie vom Rathaus lenken zu lassen. Das Ziel einer autofreien Innenstadt müsse aufgegeben werden. Außerdem solle der Senat zwischen Wall und Weser zeitnah einen Bildungs- und Wissensstandort realisieren. Die verschiedenen Ansätze müssten in einen ressortübergreifenden Masterplan einfließen, mit einem zweiten Innenstadt-Gipfel als Initialzündung.

Nutzung und Angebot

Der Einzelhandel bleibe ein wichtiger Anker, werde allein aber nicht für mehr Leben sorgen können, heißt es in dem Konzept. „Die Innenstadt muss von der Konsumzone zum sozial- und nutzungsgemischten Quartier werden, zu einer wirtschaftlich, politisch und kulturell vibrierenden Metropole, die auch wieder mehr junge Menschen begeistert.“ Stichworte sind, die City als Wohnort wiederzuentdecken, sie näher an die Weser zu rücken und mit Manufakturen und gläsernen Werkstätten zu beleben. Bremen müsse sich als Landeshauptstadt stärker herausstellen. Und im Zusammenspiel mit privaten Investoren eigene Vorhaben verwirklichen und neue Infrastrukturen schaffen.

Als Beispiele für eine Beteiligung der Öffentlichen Hand nennt das Bündnis einen City-Campus oder eine Art Hörsaalzentrum. Auch sollte die Ansiedlung einer Berufsschule geprüft werden. Beides würde die Frequenz junger Leute in der City erhöhen. Eine zweite staatliche Ankernutzung könnte die Zusammenfassung sämtliche Bürgerservice-Angebote an einem neuen zentralen Ort in der Innenstadt sein. Ferner sollten Gründerkonzepte und Start-ups verstärkt unterstützt werden.

Drei Lagen in der Innenstadt, die unter diesem Punkt im Forderungskatalog besonders in den Fokus genommen werden. Der Wall und die Wallanlagen sollen neu entwickelt werden, genauso der Domshof – und die Domsheide. „Bei dem diskutierten Umbau der Domsheide kann es jetzt nicht mehr allein um die Optimierung der Haltestellen gehen.“ Vielmehr sei die Glocke als Musikhaus und Kulturort von Rang zu betonen und in ihrer städtebaulichen Einordnung durch eine neue Platz- und Umfeldgestaltung zu stärken.

Verkehr, Erreichbarkeit, Zentralität

Bremen benötige für die Innenstadt ein Mobilitätskonzept, in dem der ÖPNV und der Rad- und Fußverkehr ebenso wichtige Rollen spielen müssten wie der motorisierte Individualverkehr, der Reisebusverkehr und die City-Logistik. Konkret: Erhalt der wichtigsten Zugangsstraßen, um die Anbindung der Region an das Oberzentrum zu gewährleisten. Umgekehrt könne man im Kern der Stadt auf unnötige motorisierte Durchgangsverkehr verzichten, zum Beispiel in der Violenstraße, in der Balgebrück- und Dechanathstraße, in der Langenstraße und in der Knochenhauer- und Carl-Ronning-Straße. Andere Verbindungen wie Am Wall, Martinistraße, Bürgermeister-Smidt-Straße, Altenwall, Tiefer und Wilhelm-Kaisen-Brücke müssten weiterhin für Verkehre jeder Art zur Verfügung stehen. „Die großflächige autofreie Innenstadt ist eine Vision, die, wenn überhaupt, erst in einer fernen Zukunft realistisch wird.“ Das Thema verunsichere Kunden und beschädige den regionalen und überregionalen Ruf den Dienstleistungsstandortes Innenstadt Bremen.

Gestärkt werden solle die „Innenstadt zu Fuß“ – mehr verkehrsfreie Zonen und Bereiche, in denen Menschen sich gerne aufhalten. Eine bessere Verzahnung, Rundläufe und ein umfangreiches Wegeleitsystem. Um dies auch zwischen Hauptbahnhof und Altstadt zu erreichen, sei es kurzfristig notwendig, sich mit der Bahnhofstraße, dem Hillmannplatz und dem Herdentorsteinweg zu beschäftigen.

Für den Verkehr aus der Region sollte das Park & Ride-System rasch ausgebaut werden – ergänzt durch ein Angebot mit eng getakteten und kostenlosen Shuttle-Bussen und Bahnen. Der ÖPNV sollte für die Nutzer im Dreieck zwischen Hauptbahnhof, Brill und Wall umsonst sein. Mindestens testen könnte man die Einführung eines innerstädtischen Ringbusses und die Verlegung der Straßenbahn aus der Obernstraße, begleitet durch eine Aufwertung der Einkaufsmeile.

Gestaltung und Qualitäten

Gefordert werden Gestaltungssatzungen, die zum Beispiel Beleuchtungsvarianten, Mobiliar, Begrünung und Wege- und Werbebeschilderungen umfassen. Zwar gebe es in der Innenstadt bereits gute Ansätze, wie im Balgequartier und am Ansgarikirchhof, es fehle aber ein stimmiges Gesamtkonzept. Gleiches treffe auf die Verweil- und Erlebnisqualität zu, angefangen von öffentlichen Bühnen bis hin zu Service-Stationen und Bänken.

„Das Sauberkeitsbild der Bremer Innenstadt hat sich in der letzten Zeit verschlechtert“, konstatiert das Bündnis. Es genüge nicht, sicherzustellen, dass die Mülleimer nicht überlaufen. Der öffentliche Raum müsse zum angstfreien und gepflegten Raum werden. Die Stadt sollte zum Beispiel gegen aggressives und organisiertes Betteln vorgehen und den Drogenverkauf und -konsum angehen. Das Füttern von Tauben müsse verboten werden. Und: „Die Innenstadt benötigt moderne und gut zugängliche öffentliche Toilettenanlagen, die einen Standard haben sollten, wie man es von Bahnhöfen und Autobahnraststätten kennt.“

Koordinierung im Rathaus

„Seit der Ideenmeisterschaft 2018 hat sich im Hinblick auf die Neuplanung der Innenstadt wenig getan: Dies muss sich ändern“, resümiert das Aktionsbündnis. Ein Grundfehler sei, über die City und den Verkehr getrennt nachzudenken. Die beiden Konzepte, an denen gerade gearbeitet werde, müssten schon in ihrer Entstehung zusammengeführt werden. „Verkehr, Wirtschaft, Beschäftigung und Nutzung müssen zusammen gedacht werden“, heißt es wörtlich. Weiteres Manko aus Sicht der Bündnisteilnehmer: „Bauprojekte in der Bremer Innenstadt leiden unter langen politischen Entscheidungsprozessen und aufwendigen Abstimmungs- und Genehmigungsverfahren.“ Benötigt werde stattdessen ein zügiges Handeln der Verwaltung bei Vorplanung, Baurechtsbeschaffung und Übergang in die bauliche Realisierung.

Anpacken könne das am besten eine hochrangige Koordinierungsstelle, die im Rathaus anzusiedeln sei. Dort müsse die Federführung und Gesamtverantwortung für den Entwicklungsprozess verortet werden. Das Aktionsbündnis Bremer Innenstadt sollte über einen Lenkungskreis eingebunden werden. „Die großen privaten Schlüsselprojekte rund um das Parkhaus Mitte und den Brill, im Ansgariquartier, am Wall und im Balgequartier können nur im Schulterschluss von Investoren und Öffentlicher Hand gelingen.“


Zur Sache

16 Vertreter der Wirtschaft, der Arbeitnehmer, Architekten und Investoren

Getragen wird das Bündnis von Handels-, Handwerks- und Arbeitnehmerkammer, den großen privaten Investoren, der Dehoga, den Gewerkschaften, der Architektenkammer, den Innenstadt-Maklern, der City-Initiative, der Aufbaugemeinschaft und dem Handelsverband Nordwest. Die Beteiligten stellen in ihrem achtseitigen Papier fest, dass der erste Innenstadt-Gipfel im Juli zwar ein paar begrüßenswerte Einzelprojekte hervorgebracht habe, „jedoch fehlen wirkliche städtebauliche und immobilienwirtschaftliche Leuchtturmprojekte mit Signalwirkung“. Übergreifende Aufgabe sei, die City zu einem vitalen Zentrum für Handel, Arbeiten, Wohnen, Kultur und Freizeit zu entwickeln. Außerdem müsse sie ihre Ambitionen als Oberzentrum in der Region selbstbewusst nach außen tragen: „Hierzu gehört an der einen oder anderen Stelle auch mutige Architektur.“

kopiert aus dem Weser Kurier

siehe auch:
Innenstadt braucht schlagkräftige Truppe
Neutrale Stelle für Bremens City-Pläne

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