Dies ist eine Stellungnahme zu unserer Festnahme vor einiger Zeit und ein Wunsch nach solidarischer Unterstützung gegen die weiteren Repressionen, die gegen uns eingeleitet werden.
Triggerwarnung: Falls eigene Erfahrung mit physischer oder psychischer Gewalt bei einer Festnahme besteht, kann folgender Teil möglicherweise triggernd sein.
In der Nacht vom 29.09. auf den 30.09.2020 wurden wir, drei Frauen, von fünf Bullen im Bremer Steintor festgenommen. Ein Zeuge soll uns dabei beobachtet haben, wie wir feministische Parolen an ein Parkhaus sprayten. Uns wurde und wird eine politisch motivierte Sachbeschädigung vorgeworfen. Die Polizist*innen riefen Verstärkung, unsere Personalien wurden aufgenommen und wir wurden durchsucht. Die Beweislage wurde aufgrund von Graffitidosen als eindeutig bezeichnet, dennoch wurden wir von nun insgesamt sieben Polizist*innen mit auf die Wache genommen. Insgesamt hielt man uns von circa 00:30 bis 09:00 am nächsten Morgen fest. Zwischenzeitlich wurden wir (um circa 06:00 Uhr morgens) in die Vahr gebracht und dort erkennungsdienstlich behandelt.
Vom Beginn unserer Festnahme bis zur Freilassung waren wir dem Machtmissbrauch der Polizist*innen, ihrer Schikane, Beleidigungen und ihrer entwürdigenden Behandlung ausgesetzt.
Wir bekamen nicht die Möglichkeit, eine Person unseres Vertrauens oder gar rechtlichen Beistand zu kontaktieren – Telefonate wurden uns verwehrt. Wir wurden als “Männerhasserinnen” beleidigt und wurden barfuß und teilweise nur mit Unterhose und T-Shirt für fünf Stunden in kalte Einzelzellen, die gefliest und permanent beleuchtet waren, gesperrt.
Innerhalb dieser Zeit betraten männliche Polizisten mehrfach die Zellen – obwohl eine von uns kaum bekleidet war- z. B. um Fotos von unseren Händen zu machen oder Fragen zu stellen. Im Flur des Zellentraktes mussten wir uns vor männlichen Bullen wieder anziehen. Decken zum Wärmen wurden uns auf Nachfrage verwehrt und um Wasser mussten wir mehrmals bitten, bis wir dann einen Schluck Wasser in Urinprobebechern erhielten. Weiter beleidigten die Bullen uns mit Äußerungen über unser Aussehen, wenn sie über unsere Lippen, Nasen und Gesichter sprachen. Wir wurden verbal unter Druck gesetzt, unsere Handys freizugeben und einer Hausdurchsuchung zuzustimmen. Wir verweigerten dies.
Am nächsten Morgen wurden wir gegen 09:00 Uhr wieder freigelassen. Bis dato sind zwei unserer Handys beschlagnahmt worden und eine Winterjacke wurde uns nicht wieder ausgehändigt. Sie sei verloren gegangen.
Circa drei Wochen später erhielten wir alle eine Vorladung. Wir werden einer politisch motivierten Straftat in der Kategorie “Rechts-/ Links-/ Ausländerextremismus” beschuldigt. Auch der Staatsschutz wurde eingeschaltet und hat uns bereits einen Besuch abgestattet.
Mit dem „Geschädigten“ haben wir auf privatem Wege Kontakt hergestellt, um die Kosten so niedrig wie möglich zu halten. Der Versuch war allerdings vergebens, denn trotz eigener Entfernung der Farbe wird von uns eine immens hohe Summe für das Reinigungsmaterial und die neue Farbe verlangt, die hinten und vorne nicht stimmt. Die an uns gestellte Rechnung entspricht nicht den Tatsachen und beruht auf erlogenen Kosten. 2.378€ sollen sich aus Farbe, Material und Stunden des ”uns überwachenden” Malers ergeben haben. In der Rechnung sind Materialien und eine Stundenanzahl aufgeführt, die wir nie benutzt oder benötigt haben. Aber dagegen vorzugehen kostet uns nicht vorhandenes Geld und ein guter Ausgang für uns ist nicht gewiss. An uns soll ein Exempel statuiert werden.
Die Bemalung der Wand eines Parkhauses mit Inhalten, die auf weiterhin andauernde patriarchale Unterdrückungsmechanismen innerhalb dieser reaktionären Gesellschaft hindeuten, gilt als “linksextremistisch”? Und diese absurde Einordnung soll somit all dieses augenscheinlich menschenfeindliches Verhalten rechtfertigen, das die Polizei und der Staatsschutz gegen uns weiterhin einleiten und bereits ausgeführt haben?
Ein rechtsextremer, antisemitischer Anschlag nach dem anderen wird als ein erneuter „Einzelfall“ bezeichnet. Es wird von „mutmaßlich fremdenfeindlichen“ Täter*innen gesprochen, die ja dann angeblich doch nur “psychisch krank” waren. Laufend werden in der Polizei oder in der Feuerwehr Chatgruppen mit rassistischen Inhalten oder Hitlergrüße gesichtet. Viele nicht-weiße Menschen in diesem tollen “freiheitlichen Rechtsstaat” müssen sich regelmäßig einer Todesangst aussetzen und Polizei und Ermittlungsbehörden tun das Gegenteil von Aufklärung oder Hilfeleistung. Laye-Alama Condé starb 2005 in Bremen in Polizeigewahrsam durch gewaltsame Brechmittelvergabe und erst jetzt wird sein Tod, immer noch langsam und schleppend, seitens der Politik thematisiert.
Wir werden aufgrund von farbenfroher Gesellschaftskritik an Parkhauswänden als “Linksextremisten” bezeichnet und damit auf eine Stufe gestellt mit rechtsextremer Gewalt. Die derartige Kriminalisierung von feministischer Wandbemalung lässt nur einen Bruchteil dessen erahnen, in was für einer Schieflage sich diese Gesellschaft befindet.
Wir als drei weiße cis-Frauen haben Privilegien inne, die wir uns versuchen bewusst zu machen. Menschen, die von Rassismus, Antisemitismus, Antiromaismus, Trans- oder Queerfeindlichkeit, stärkerem Klassismus oder Ableismus oder zusätzlich intersektional betroffen sind, erleben in vielen Fällen noch sehr viel stärkere Repressionen, Bedrohungen und Entwürdigungen.
Kein Mensch sollte so eine Behandlung erfahren bzw. der Polizei derartig machtlos ausgeliefert sein oder aufgrund von finanziellen Sorgen abwägen müssen, ob er*sie die Hoffnung haben darf, sich gegen das erlittene Unrecht zu wehren.
Diese Zusammenfassung ist nur ein kleiner Teil unserer Erfahrung, in der wir versucht haben, die größten Entwürdigungen und Einschüchterungen durch die Festnahme zu sammeln.
Zum einen wollen wir durch dieses Statement erreichen, dass bekannt wird, was sich Bremer Polizist*innen erlaubt haben und dass dies verurteilt wird. Unsere Erfahrung reiht sich zudem in sich häufende Repressionsvorfälle ein, die sich hier in Bremen (und überall) gegen antifaschistische und feministische Aktivist*innen und nicht-weiße Personen ereignen. Zum anderen bitten wir euch um Spenden, um die anfallenden hohen Kosten tragen zu können. Wer uns unterstützen möchte, kann dies via PayPal (solidaritaetgegenrepressionen@riseup.net) tun.
Wir sind für jeden Betrag dankbar und freuen uns über Solidarität in jeglicher Form! Unsere Solidarität gegen ihre Repression!
checkt fstreikbremen.noblogs.org
Ich denke eher es geht darum, dass Links- und Rechtsextremismus generell von Politik und Polizei gleichgesetzt werden, was dadurch die Gleichsetzung der Drei mit rechter Gewalt impliziert.
»Wir werden aufgrund von farbenfroher Gesellschaftskritik an Parkhauswänden als “Linksextremisten” bezeichnet und damit auf eine Stufe gestellt mit rechtsextremer Gewalt.«
alles was ich hier sehe ist eine gleichsetzung eurerseits