Hungerstreik der Gefangenen des sozialen Krieges in Chile

Aktion in Solidarität mit den Gefangenen

Vor etwa drei Wochen hat Dimitris Koufontinas seinen Hungerstreik beendet. Es war ermutigend zu sehen, wie Menschen auf den ganzen Welt Solidaritätsaktionen mit ihm und der Revolte in Griechenland gemacht haben. Nun wollen wir ein Interview zu einem weiteren Hungerstreik teilen.

Chile. Seit dem 22. März hat eine Gruppe von politischen Gefangenen, Anarchist:innen, Subversiven und von der Revolte einen Hungerstreik begonnen, der die Abschaffung des Gesetzesdekrets 321 fordert, das das alte Recht auf „Entlassung auf Bewährung“ in eine sehr schwer zugängliche „Belohnung“ umwandelt, und auch die Freilassung von Marcelo Villarroel fordert, der 25 Jahre in verschiedenen Gefängnissen verbracht hat. Bezüglich dieser neuen Mobilisierung, die aus den Gefängnissen der Demokratie heraus durchgeführt wird, sprach Vamos Hacia La Vida mit einer der Sprecher:innen der Genoss:innen.

Ursprünglich veröffentlicht von Vamos Hacia La Vida. Übersetzt von Riot Turtle.

Was sind die gemeinsamen Besonderheiten der Genossinnen und Genossen, die in den Gefängnissen im Hungerstreik sind?

Das Politische Gefängnis in Chile ist eine Widerspiegelung im Kontext und in der Zusammensetzung der verschiedenen Ausdrucksformen der intensiven und unterschiedlichen sozialen Kämpfe, die sich auf dem nationalen Territorium entfalten; deshalb ist es möglich, besondere Positionen derjenigen zu finden, die sich den Ansichten und Analysen der breiten schwarzen Linie anschließen, die den Anarchismus ausdrückt; aber alle haben die absolute und kämpferische Ablehnung des bürgerlichen politischen Regimes gemeinsam, das kapitalistisch, ausbeuterisch, räuberisch, und repressiv ist und immer für und im Dienste der Interessen der Reichen und der Ausbeuter:innen arbeitet. So gibt es innerhalb des Politischen Gefängnisses viele Menschen, die im Zusammenhang mit der massiven sozialen Revolte, die seit Oktober 2019 im Land entfesselt wurde, inhaftiert sind, es gibt subversive Gefangene, Autonome, Anarchist:innen, von denen mehrere lange Haftstrafen in einem echten Zustand des sozialen Krieges gegen das herrschende System, seine Unterstützer:innen und unaufrichtigen Kritiker:innen, gegen das Establishment und alle Autoritäten verbüßen.

Welche Folgen haben die im Gesetzesdekret 321 enthaltenen Änderungen für Häftlinge, die eine Entlassung auf Bewährung anstreben?

Es hat mehrere katastrophale Folgen, angefangen mit der Tatsache, dass es das einzige rückwirkende Gesetz in Chile (und sicherlich in vielen Ländern) ist, d.h. seine Auswirkungen und seine Gültigkeit betreffen jeden Gefangenen, unabhängig davon, ob seine Verurteilungen Jahre oder sogar Jahrzehnte vor seiner Umsetzung erfolgten. Die Streichung von Artikel 1 dieses Gesetzes, der durch den aktuellen Artikel 9 ersetzt wurde, bedeutet eine beispiellose Verschärfung der Anforderungen, um sich für eine Entlassung auf Bewährung zu qualifizieren, die nicht mehr das Recht eines Gefangenen ist, sondern zu einer Belohnung wird. Der Anteil der verbüßten Zeit einer Strafe, um für diese Belohnung in Frage zu kommen, wurde beträchtlich erhöht, so dass, wenn in der Vergangenheit die Hälfte der Strafe erforderlich war, heute 2/3 der Strafe erforderlich sind. Außerdem hat sich das System der Gewährung von bedingten Freiheiten geändert, früher eine gemeinsame Entscheidung von Gendarmerie, Richtern und Polizei, heute hängt ihre Gewährung ausschließlich von einer schändlichen, faschistischen, vernichtenden und folternden Institution wie der Gendarmerie ab.

Wie wirkt sich das alles insbesondere auf den politischen Gefangenen Marcelo Villarroel Sepúlveda aus?

Marcelo Villarroel ist besonders betroffen. Er wurde in 3 Perioden für insgesamt 25 Jahre inhaftiert. Derzeit ist er zu 14 Jahren wegen Enteignung einer Bank verurteilt, mit mehr als 11 Jahren hinter Gittern sollte er entlassen werden, aber aufgrund einer Verurteilung vor mehr als 25 Jahren durch die verrottete Militärjustiz ist er Jahrzehnte davon entfernt, auf Bewährung entlassen zu werden. Er ist der einzige politische Gefangene des Landes, der von Militärstaatsanwälten verurteilt wurde, obwohl man davon ausgeht, dass kein Zivilist von dieser Ungeheuerlichkeit der Justiz für Jahre verurteilt werden kann; seine Verurteilungen, die sich auf insgesamt 40 Jahre belaufen, gehen auf den Kontext seiner Militanz in der Guerilla-Organisation Mapu Lautaro zurück, die während der Pinochet-Diktatur das kapitalistische System in seiner faschistischen und neoliberalen Version und seine „demokratische“ Kontinuität nach dem März 1990 mit der Waffe in der Hand bekämpfte. Heute hat das Justizorgan, das die Vollstreckung der Urteile überwacht – die Gendarmerie – festgestellt, dass Marcelo den Militärgerichten mehr als 25 Jahre seiner Strafe „schuldet“, daher sollte er nach Verbüßung seiner Strafe für den „Sicherheitsfall“ damit beginnen, die Jahre zu verbüßen, die er angeblich noch zu verbüßen hat.

Wie haben die Gendarmerie und der Staat bisher auf die Forderungen der Mobilisierung reagiert?

Die Reaktion der Gendarmerie war in diesen Fällen die übliche, d.h. Drohungen, Einschüchterungen, Sanktionen und Strafen, die darauf abzielen, unsere Genoss:innen von ihrem unterstützenden und komplizenhaften sozialen und familiären Umfeld zu isolieren. Der Staat, vor allem durch sein Justizsystem, hat die Genoss:innen zu Anhörungen vorgeladen, wo er ihnen befohlen hat, ihre Haltung aufzugeben, da sie ihnen angeblich nur schadet und sie Sanktionen aussetzt; die Antwort war klar und eindringlich: die Gründe für den Streik sind klar und legitim, die Wiedereinführung von Artikel 1 des Gesetzes 321, die Aufhebung von Artikel 9 und sofortige Freiheit für Marcelo Villarroel.

Was ist deine Meinung über die aktuelle Entwicklung des Klassenkampfes in der chilenischen Region?

Unter Berücksichtigung der Revolte, der verallgemeinerten Repression, der Pandemie, des konstituierenden Prozesses, etc. Ab Oktober 2019 gibt es eindeutig einen qualitativen und starken quantitativen Sprung im vielfältigen Spektrum von Revolte, Protest und sozialem Krieg; Es ist nicht so, dass es ihn nicht schon vorher gegeben hätte oder dass er nicht schon vorher zum Ausdruck gekommen wäre, in der Tat gibt es die historische Kontinuität der sozialen Kämpfe für Gleichheit, Gerechtigkeit und Solidarität unter den Menschen schon seit der Antike, aber was das Land, die Organisationen und die sozialen Bewegungen in diesem Gebiet für immer verändert hat, war die Aufmüpfigkeit, die Kampfbereitschaft und die Effektivität der Angriffe und Aktionen der Selbstverteidigung, die von den vielfältigen Formen, organisiert oder nicht, der Beziehung zwischen den Unangepassten, den Marginalisierten, den Ausgebeuteten und den Indigenen entwickelt wurden. Seit den Zeiten der Pinochet-Diktatur haben wir nicht mehr das heutige Ausmaß an Konflikten, ihre Persistenz und Kontinuität gesehen; von daher ist es auch möglich, die unzähligen, massiven und erbarmungslosen Angriffe der Repressionskräfte zu verstehen (wenn auch niemals zu vergessen und noch weniger zu „verzeihen“). In der Tat ist ihr Herrschaftssystem nicht nur ins Wanken geraten, sondern sie haben die aufständische Wut zahlloser Generationen von Rebell:innen kennengelernt, personifiziert in einem historischen Kontext, dem des heutigen Chiles, der sich sehr von dem von vor nur 2 Jahren unterscheidet und sich bereits auf einen aufständischen Weg ohne Rückkehr begeben hat.

Abschließend: Was ist das Dringendste, was von denjenigen, die mit dem Kampf der Gefangenen solidarisch sind, benötigt wird?

Das Dringendste ist, vielfältige Aktionen der Unterstützung und Solidarität zu entwickeln, diese legitimen Forderungen breit und täglich zu verbreiten; nur die Phantasie ist die Grenze, jeder soll seinen Teil dazu beitragen, es gibt keine besseren oder schlechteren Beiträge, Klassensolidarität, gegenseitige Unterstützung und der Kampf gegen die herrschenden Verhältnisse sind unser Horizont.

Artikel übernommen von enoughisenough14.org

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