„Dieser Brandanschlag in Bremen sorgte vor 30 Jahren für Schlagzeilen“

Am 3. Oktober 1991 verübten Rechtsextremisten in Bremen einen Brandanschlag auf eine Asyleinrichtung und töten damit beinah mehrere Asylsuchende. Einer der Täter wird später als Nazihooligan und Sänger der rechtsextremen Band „KC“ bekannt.

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In der Nacht zum 3. Oktober 1991 zünden Jugendliche ein Asylbewerberheim an. Damals leugnen sie Ausländerhass. Heute ist einer von ihnen bekannter Rechtsextremist.

Scheiben klirren, drei Molotow-Cocktails fliegen durchs Fenster. Sekunden später lodern die Flammen. Das Acht-Bett-Zimmer brennt lichterloh. Drei dunkel gekleidete Personen mit Motorradhelmen fliehen in die Nacht.

So beschreiben Zeugen später den Anschlag in der Nacht zum 3. Oktober 1991, dem Tag der Deutschen Einheit. Das Ziel der Täter: das Asylbewerberheim in der Schwachhauser Heerstraße 110 in Bremen.

Durch Zufall waren nicht alle Asylbewerber zu Hause, heißt es später in der Presse. Und durch Zufall stand auch das Zimmer leer, in dem die Brandsätze detonierten. Trotzdem müssen drei Männer um ihr Leben bangen, denn während 14 Männer ins Freie fliehen können, werden drei von den Flammen eingeschlossen.

„Sie waren bereit, uns zu töten“

Die Feuerwehr rettet sie schließlich rechtzeitig. Zwei Personen werden verletzt. Ein Wunder, dass alle lebend rausgekommen sind, heißt es im Bericht von buten un binnen vor 30 Jahren. Die Hitze im Gebäude sei so stark gewesen, dass das Plastik der Sicherungskästen schmolz. Wer die Brandsätze warf, hätte damit rechnen müssen, dass Menschen sterben.

    Wir waren alle im Bett, als einige Weiße kamen und das Gebäude ansteckten. Das kann man sich doch nicht vorstellen, sie waren doch tatsächlich bereit, uns alle zu töten.
    Flüchtling aus Gambia 1991 im Gespräch mit buten un binnen

Es gibt an diesem Tag in Ost- und Westdeutschland noch 16 weitere Angriffe auf Ausländer. In Bremen ist es der erste Brandanschlag auf Asylbewerber. Wenige Tage zuvor hatte es in der sächsischen Stadt Hoyerswerda mehrere rassistisch motivierte Übergriffe, unter anderem auch einen Anschlag auf ein Flüchtlingswohnheim, gegeben. Hunderte gingen auf Migranten los, ebenso viele jubelten ihnen zu. Die Anschläge in Hoyerswerda werden später im Prozess gegen die Bremer Täter zur Sprache kommen.

Von Gang-Mitglied verraten

Wenig später nimmt die Polizei fünf junge Männer fest, drei landen vor Gericht. Sie sind erst 17 und 18 Jahre alt. Zwei von ihnen stammen aus Bremen, einer aus Westfalen. Zwei wachsen in Akademikerfamilien auf, einer von ihnen ist Gymnasiast. Verraten hatte sie ein Mitglied ihrer Gang. Die Jugendlichen gehören zur „Penny-Crew“. Sie heißen so, weil sie sich regelmäßig auf dem Gelände eines Penny-Supermarktes treffen. Hier hatten sie auch ihren Plan geschmiedet. Die Brandsätze hatten sie am Abend vor der Tat auf einem Spielplatz in der Nähe gebaut.

Mehrere weitere Mitglieder der Clique hatten von dem geplanten Anschlag gewusst. Gegen mindestens fünf Mitwisser laufen später gesonderte Strafverfahren, weil sie den geplanten Anschlag nicht der Polizei gemeldet hatten.

Angeklagte leugnen Ausländerhass

Die Staatsanwaltschaft klagt auf versuchten Mord. Als Motiv vermutet sie Ausländerfeindlichkeit. Unter Ausschluss der Öffentlichkeit gestehen schließlich alle drei Angeklagten. Hass gegen Ausländer leugnen sie allerdings. Sie geben an, ihre Tat habe Drogendealern gegolten. Denen hätten sie einen Denkzettel verpassen wollen. Töten wollten sie niemanden, sagen die jungen Männer. Tatsächlich hat es im Sommer 1991 Demonstrationen vor der in den Medien als „Dealervilla“ bezeichneten Flüchtlingsunterkunft gegeben.

Im Prozess werden aber immer wieder rechte Tendenzen deutlich: Bei den Angeklagten werden unter anderem nationalsozialistische Inhalte wie Musiktexte und Plakate gefunden. Bei einem der Angeklagten finden die Ermittler zudem eine Pistole, zwei Schlagstöcke und einen Schlagring. Der Verdacht steht im Raum, dass dieser Angeklagte am 20. April in Bielefeld auf einen Anhalter geschossen haben soll. Der 20. April ist Hitlers Geburtstag. Der Angeklagte leugnet die Tat.

Weitere Mitglieder der Gruppe sind bereits durch Angriffe auf Ausländer aufgefallen. Einer der Mitwisser der Tat vom 3. Oktober war unter anderem Kandidat der „Nationalistischen Front“ bei der vorangegangenen Bürgerschaftswahl. Die Angeklagten bestreiten aber weiterhin eine rechte Gesinnung.

Staatsanwaltschaft lässt Mordvorwurf fallen

Der Bericht der Jugendgerichtshilfe kommt den Angeklagten damals zugute. Sie beschreibt die Angeklagten als sensibel, aufgeschlossen, kooperativ und introvertiert und schließt politische Motive aus.

Die Staatsanwaltschaft lässt schließlich den Anklagevorwurf des versuchten Mordes fallen. Ein Tötungsvorsatz sei nicht nachzuweisen. Sie fordert wegen schwerer Brandstiftung und Verstoßes gegen das Waffenrecht zwei Jahre Jugendstrafe, die auf Bewährung ausgesetzt werden soll. Die drei Verteidiger fordern eine Jugendstrafe von einem Jahr ohne Bewährungsauflagen.

Das Urteil

Die drei Angeklagten werden wegen schwerer Brandstiftung und Verstoßes gegen das Waffengesetz zu einer Jugendstrafe von einem Jahr und neun Monaten verurteilt, die zur Bewährung ausgesetzt wird. Die Bewährungszeit beträgt zweieinhalb Jahre. An den Wochenenden müssen sie 20 Stunden gemeinnützige Arbeit leisten.

Dass sie aus rechtsextremistischer Gesinnung handelten, konnte die Staatsanwaltschaft nicht beweisen. Das Gericht erkennt bei den Jugendlichen aber „Ausländerfeindlichkeit“ und „nationalistische Tendenzen“, heißt es im Urteil.

Mehrere äußere Umstände entlasten die Jugendlichen laut Gericht: das gesellschaftliche Klima zur damaligen Zeit, die Demo gegen Drogendealer vor der Asylbewerberunterkunft im Sommer zuvor, der Rechtsruck bei der Bremer Wahl und der geduldete Ausländerhass in Hoyerswerda wenige Tage vor der Tat.

Heute als Rechtsextremist auf der Bühne

Das milde Urteil sorgte damals für Empörung und neue Schlagzeilen. Damit hatte das Gericht gerechnet. Schon in der Urteilsbegründung sagte der Richter: „Wir sind uns klar, dass die Öffentlichkeit kein Verständnis für die Strafe auf Bewährung haben wird.“ Der erzieherische Aspekt stehe im Jugendrecht im Vordergrund, nicht Strafe und Abschreckung. Man kaufe den Jugendlichen ab, dass sie die Tat bereuen und sich „von ihrem alten Weg gelöst haben“.

Dass sich zumindest nicht alle von ihrem alten Weg gelöst haben, ist heute, 30 Jahre später, klar: Einer der Täter von damals ist seit vielen Jahren nicht nur in Bremen als Rechtsextremist bekannt.

Quelle: butenunbinnen.de

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