„Ärger um rechte Lehramtsstudentin“

kopiert aus dem Weser Kurier:

Plakate in der Uni Bremen

Stress an der Universität Bremen: Der Asta macht die politische Gesinnung einer angehenden Grundschullehrerein publik – sie soll klar rechts eingestellt sein.

Der Campus der Universität Bremen. Unbekannte hängten Plakate mit dem Foto der angehenden Grundschullehrerin auf, der eine rechte Gesinnung nachgesagt wird.
Der Campus der Universität Bremen. Unbekannte hängten Plakate mit dem Foto der angehenden Grundschullehrerin auf, der eine rechte Gesinnung nachgesagt wird.

Wie gehen Uni und Behörde damit um, wenn rechts-nationale Studierende in Bildungsberufe gehen? Dürfen Lehrer sich politisch äußern? Diese Fragen stellen sich in Bremen, seit an der Uni der Fall einer Lehramtsstudentin diskutiert wird, die laut der Studierendenvertretung Asta klar rechts eingestellt ist und sich auch politisch betätigt. Der Fall der angehenden Grundschullehrerin wurde durch Flugblätter publik, die Unbekannte auf dem Campus aufhängten. Darauf heißt es über die Studentin, sie habe Kontakte zur NPD und zur völkischen Jugendorganisation „Sturmvogel“, die sich gründete, nachdem die neonazistische Wiking-Jugend 1994 verboten wurde.

„Die Studentin bewegt sich in rechtsextremen Kreisen, sie nimmt an völkischen Tänzen teil und verkehrt in Neonazi-Kreisen“, sagt Irina Kyburz von der Studierendenvertretung Asta. Die Mutter der Studentin, Edda Schmidt, gilt als eine der bekanntesten Frauen der rechtsextremen Szene in Deutschland: Sie kandidierte in Tübingen für die NPD und hatte Kontakt zu Unterstützern des Nationalsozialistischen Untergrund (NSU). „Natürlich kann die Studentin nichts für ihre Familie, aber sie distanziert sich in keiner Form, und ihre Mutter äußert sich öffentlich stolz dazu, dass alle ihre Kinder im nationalen Lager sind.“

Die Lehramtsstudentin arbeitete an der Uni als Mathe-Tutorin und zudem stundenweise an einer Grundschule im nördlichen Niedersachsen. Die dortige Schulleiterin meldete sich beim Bremer Asta, nachdem die politische Haltung der Studentin bekannt wurde, erzählt Kyburz: „Die Schulleiterin war sehr schockiert, zudem die Schule ironischerweise als ,Schule ohne Rassismus‘ ausgezeichnet wurde.“ Der Asta wünscht sich eine klare Stellungnahme der Universität und setzt sich für vertiefte Auseinandersetzung mit dem Thema ein.

Das Outing der Lehramtsstudentin durch Flyer mit Foto wird wiederum von der Uni-Leitung abgelehnt, wie Uni-Sprecherin Kristina Logemann betont. „Wir haben die Verantwortung dafür, dass die Persönlichkeitsrechte gewahrt werden, deshalb haben wir die Flyer abgehängt.“ Sie stellt zugleich klar: „Wir setzen uns dafür ein, dass Vielfalt an der Universität gelebt werden kann.“ Völkische und rechtsradikale Positionen stünden den Werten, die die Uni Bremen vertrete, diametral gegenüber. „Wir möchten den Raum für Debatten über dieses Thema geben und den Diskurs führen, das muss eine Uni aushalten können.“

Gratwanderung für Lehrer

Deshalb stellte die Uni den Studierenden Räume für zwei Diskussionsveranstaltungen zur Verfügung. Am Mittwoch kamen mehr als 60 Interessierte zu einer vom Stuga organisierten Debatte mit der Bremer Expertin Lisa Hempel. Sie leitet die Bundesfachstelle für Rechtsextremismus und Familie. „Frauen im rechten Milieu werden oft nicht als Täterinnen wahrgenommen, obwohl es bundesweit viele Fälle gibt“, sagt Hempel. „Die NPD ruft Frauen gezielt dazu auf, in soziale Berufe zu gehen. Das ist eine Strategie, weil sie in Bildungs- und Erziehungsberufen oft relativ unbemerkt bleiben und langfristig in die Mitte der Gesellschaft hineinwirken können.“

Auch Hempel fordert die Uni auf, sich aktiv dazu zu verhalten und verweist auf Beispiele anderer Universitäten: In Bielefeld wurden mehrere Fälle offen rechtsextremer Jura-Studenten bekannt. „Die Uni Bielefeld organisierte daraufhin Schulungen für Dozenten und startete eine Kampagne ,Uni ohne Vorurteile‘“, sagt Hempel – für sie ist dies ein Positivbeispiel. Der Dekan des Fachbereichs Erziehungswissenschaften prüfte laut Uni-Sprecherin, ob die Studentin ihre politischen Positionen bei der Arbeit als Tutorin eingebracht habe. Es gebe aber keine Hinweise darauf, so Logemann: „Solange sie das nicht tut und nicht gegen das Grundgesetz oder die Grundordnung der Universität verstößt, gibt es für uns keine Handhabe.“

Doch was geschieht, wenn völkisch-nationale Studierende ihren Abschluss machen und an Schulen unterrichten? Was dürfen Lehrer? Zuletzt gab es in Bremen einen Fall mit anderer politischer Stoßrichtung: Die AfD Bremen-Nord legte eine Dienstaufsichtsbeschwerde gegen einen Lehrer ein, der eine Pressemitteilung der Partei im Unterricht kritisch aufgriff.

Die Bildungsbehörde stellt klar: Lehrer dürften Mitteilungen von Parteien kritisch zerpflücken und historische Parallelen ziehen, beschreibt Behördensprecherin Annette Kemp: „Tagesaktuelle Politik gehört in den Unterricht.“ Es dürfe aber keine persönlichen Beleidigungen von Politikern geben.

Lehrer müssen eine gewisse Gratwanderung meistern: Sie sollen informieren, aber nicht indoktrinieren. Laut Bremischem Schulgesetz sind sie einerseits verpflichtet, „religiöse und weltanschauliche Neutralität zu wahren“. Andererseits sollen sie Werte wie Toleranz und den Schutz von Minderheiten vermitteln, wie es in einem anderen Paragraph heißt.

Wenn die Behörde Lehrer und Referendare einstellt, müssten diese ein erweitertes Führungszeugnis vorlegen, so Kemp. Darin seien auch politische Tätigkeiten aufgeführt. Doch eine Bewerberin wie die rechts eingestellte Lehramtsstudentin aufgrund ihrer politischen Aktivitäten abzulehnen, sei juristisch extrem schwierig und beispielsweise nur dann möglich, wenn der Verfassungsschutz aktiv werde. Die Behörde habe die Studentin aber im Blick, sagt Kemp.

Weitere Informationen

In dieser Woche findet an der Uni eine weitere Diskussionsveranstaltung zum Thema statt: Am Mittwoch, 4. Juli um 19 Uhr spricht die Rechtsextremismus-Expertin Andrea Röpke im Hörsaalgebäude über das Thema „Völkische Netzwerke in der rechten Szene“ .

Quelle: weser-kurier.de

siehe auch:
taz – Rechte Studentin an der Uni Bremen
taz – Rechtsradikale Grundschullehrerin in spe

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