„Nach Beschwerde: Lehrer darf AfD-Text im Unterricht behandeln“

kopiert von weser-kurier.de

Fall in Bremen-Nord

Nach der Beschwerde eines AfD-Politikers gibt die Bildungssenatorin jetzt dem betroffenen Lehrer Rückendeckung. Sie hat die Dienstaufsichtsbeschwerde gegen den Pädagogen zurückgewiesen.


Eine Pressemitteilung der AfD darf Unterrichtsthema sein. Das ist die Haltung der Bildungssenatorin.

Bildungssenatorin Claudia Bogedan (SPD) hat die Dienstaufsichtsbeschwerde des Vegesacker AfD-Politikers Marvin Mergard gegen einen Lehrer aus Bremen-Nord zurückgewiesen.
„Tagesaktuelle Politik gehört in den Unterricht“, bestätigte Ressortsprecherin Annette Kemp am Montag auf Anfrage. Nicht nur Claudia Bogedans Parteikollegen hatten nach der Beschwerde der AfD vor zwei Monaten Druck gemacht, die Senatorin solle sich vor ihren Lehrer stellen.

Der Fall eines Nordbremer Lehrers hatte bundesweit Schlagzeilen gemacht. Es ging um die Frage, ob sich ein Lehrer kritisch über eine AfD-Pressemitteilung äußern darf oder nicht. Nach Ansicht der AfD darf er das nicht. Die Hamburger AfD jedenfalls machte von sich reden, weil sie eine Internet-Plattform einrichten will, auf der AfD-kritische Pädagogen angeschwärzt werden können. Anfang Juni traf es – auch wenn es in Bremen noch keine entsprechende Plattform gibt – einen Nordbremer Oberschullehrer.

Lehrer wies Schüler auf „AfD Watch“ hin

Der Pädagoge hatte eine Pressemitteilung Mergards zum Unterrichtsstoff gemacht, in der sich dieser über Flüchtlingshelfer beschwerte, die nur Flüchtlingen und nicht Deutschen helfen. Der Lehrer hatte die Mitteilung zur Diskussion gestellt und seine Schüler auf die Internetseite von AfD Watch hingewiesen. Mergard beschwerte sich daraufhin bei der Schulaufsichtsbehörde wegen Beleidigung und Missachtung des Neutralitätsgebots mit der Folge, dass sich der Lehrer vor der Senatorin rechtfertigen musste.

Der Bericht hatte eine breite Debatte ausgelöst. Die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft warf der Partei ungeheuerliche Methoden vor, die gegen die Grundprinzipien der Demokratie verstießen. Die SPD-Bürgerschaftsfraktion kündigte an, rechtlich gegen eine Melde-Plattform vorzugehen, sollte die AfD ihr Vorhaben in die Tat umsetzen.

„Lehrer dürfen Mitteilungen von Parteien kritisch zerpflücken“

Der Sprecher der SPD-Fraktion im Blumenthaler Beirat, Marcus Pfeiff, forderte die Bildungssenatorin auf, die Prüfung der Beschwerde gegen den Nordbremer Pädagogen „augenblicklich fallen zu lassen“. Auch die Bremer Grünen und der Landesvorstand der Partei Die Linke forderten die Senatorin auf, dem Lehrer Rückendeckung zu geben. Die CDU wollte von Bogedan wissen, welchen Rechtsschutz Lehrern gewährt wird.

Die Behörde hielt sich indes rund zwei Monate lang bedeckt. Es handele sich um eine Personalie, hieß es zur Begründung. Sprecherin Annette Kemp erklärte jetzt, dass sich Lehrer durchaus kritisch äußern dürfen: „Klar ist: Lehrer dürfen Mitteilungen von Parteien kritisch zerpflücken, historisch Parallelen ziehen und sie in einen Kontext stellen. Lehrer sollen informieren und erklären, aber nicht indoktrinieren. Es ist natürlich die Neutralität gemäß Schulgesetz zu wahren und gleichzeitig sollen beispielsweise Toleranz und Schutz von Minderheiten vermittelt werden.“

Der Fall war auch von Politikwissenschaftlern diskutiert worden. F. Klaus Koopmann, der an der Bremer Uni über viele Jahre für die Ausbildung von Politiklehrern zuständig war, urteilte: Der Fall biete „hervorragenden, weil authentischen Stoff“ für eine Fortsetzung der Unterrichtseinheit über die AfD. Koopmann ist überzeugt, dass die Schüler daraus nachhaltig lernen könnten. Er selbst hatte vor 30 Jahren ähnliche Erfahrungen an einer Nordbremer Schule gemacht. Damals ging es um die Frage: „Soll der DVU-Abgeordnete in die Schulklasse?“ Dabei wurde vor allem der vom damaligen Bildungssenator Horst Werner Franke geprägte Satz „Schultür zu für DVU!“ kontrovers diskutiert.

Quelle: weser-kurier.de

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert.