PE: Ingewahrsamnahme von Werder-Fans durch die Polizei war rechtswidrig

Presseerklärung

Ingewahrsamnahme von Werder-Fans durch die Polizei war rechtswidrig

Oberlandesgericht Braunschweig gibt der Beschwerde eines Bremers statt, der auf dem Weg zu einem Auswärtsspiel in Wolfsburg in Gewahrsam genommen geworden war

Mit Beschluss vom 30.08.2018 (Aktenzeichen 1 W 114/17, s. Anlage), der nun zugestellt wurde, hat das OLG Braunschweig entschieden, dass eine Ingewahrsamnahme von Werder- Fans rechtswidrig war. Die Bremer wollten am 24.02.2017 mit einem angemieteten Bus zum Auswärtsspiel in Wolfsburg reisen und waren kurz vor ihrem Ziel an der Autobahn abgefangen, stundenlang kontrolliert und schließlich – ohne das Spiel sehen zu können – zurück nach Bremen eskortiert worden.

Begründet wurde die polizeiliche Maßnahme mit Schmierereien an einer Raststätte durch unbekannt gebliebene Täter. Man verdächtigte die Businsassen, die man zudem der Ultra- Szene zuordnete, und meinte, von ihnen allen würde daher die Gefahr künftiger Straftaten ausgehen.

Während das Amtsgericht Wolfsburg in seinem Beschluss im Juni 2017 noch meinte, die polizeilichen Maßnahmen seien rechtmäßig gewesen, gibt das OLG dem betroffenen Fußball-Fan nun recht. Er hatte mit Unterstützung des bundesweiten Fanrechtefonds gegen den amtsgerichtlichen Beschluss Beschwerde eingelegt, über die das OLG zu entscheiden hatte. Das Oberlandesgericht erklärt sowohl die Ingewahrsamnahme als auch das von der Polizei ausgesprochene Betretungsverbot für die Stadt Wolfsburg für rechtswidrig.

Das OLG führt in seinem Beschluss aus, dass es nicht ausreichend Anhaltspunkte dafür gab, dass die Begehung von Straftaten durch den betroffenen Fußballfan unmittelbar bevorstand. So reiche etwa die Zuordnung einer Person zur Ultra-Szene oder die gemeinsame Anreise mit Personen, die bereits polizeilich in Erscheinung getreten sind, nicht zur Begründung einer derartigen Gefahrenprognose aus. Sogar wenn man davon ausgehen könne, dass Straftaten aus einer Gruppe heraus begangen werden sollen, rechtfertige dies nicht den Gewahrsam pauschal gegen jedes Mitglied dieser Gruppe.

Auch den zwangsweisen, von der Polizei eng begleiteten Rückweg des Werder-Fan-Busses nach Bremen wertete das OLG zu Recht als Gewahrsamnahme.

„Das OLG stellt in seinem Beschluss klar, dass eine Sippenhaft von Fußballfans nicht zulässig ist. Das ist erfreulich und sendet hoffentlich ein deutliches Signal, denn die Fahrt nach Wolfsburg war nicht das einzige Mal, dass Werder-Fans in den letzten Jahren mit pauschalen Begründungen massenhaft in Gewahrsam genommen wurden. Außerdem zeigt der Beschluss, dass es sich durchaus lohnen kann, den Rechtsweg zu beschreiten.“ erklärt Rechtsanwältin Lea Voigt, die den Betroffenen vertritt.

Wilko Zicht vom Fanrechtefonds betont die über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung der OLG-Entscheidung: „Seit einigen Jahren nutzt die Polizei deutschlandweit immer öfter Bagatell-Vorfälle auf der Anreise als Vorwand, um gegen größere Gruppen von Gästefans ein Aufenthaltsverbot für den Spielort zu verhängen und sie zu zwingen, mit dem Bus oder Zug wieder nach Hause zu fahren, ohne das Spiel zu sehen. Das OLG erteilt dieser rechtswidrigen Polizeipraxis eine klare Absage. Pauschale Ingewahrsamnahmen und Aufenthaltsverbote sind unzulässig. Nach den Maßstäben des OLG sind zahlreiche ähnliche Polizeimaßnahmen der vergangenen Jahre als rechtswidrig anzusehen. Wenn Straftaten begangen werden, sind diese von der Polizei aufzuklären, aber bitte schön ohne Kollektivstrafen im Gewand der Gefahrenabwehr. Die Entscheidung des OLG ist ein Sieg des Rechtsstaats gegen eine Polizei, die meint, sich im Umgang mit Ultras nicht an die Gesetze halten zu müssen.“

Anlage: Beschluss des OLG Braunschweig v. 30.8.2018

siehe auch
taz.de: Kollektivstrafe ist nicht

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