VA: Ernährungssouveränität #1 – am Beispiel Sizilien

Mittwoch, 10. Oktober 2018 | 19.30 Uhr | Paradox

Die Situation der Bäuer*innen und erst recht die der Landarbeiter*innen und Erntehelfer*innen bei der Produktion von Zitrusfrüchten, ebenso wie bei anderen Obst- und Gemüsearten, ist in weiten Teilen katastrophal und skandalös. Dieses trifft nicht nur auf die konventionelle Produktion, sondern in fast gleichem Maße auch auf die Produktion im Bio-Bereich zu.
Neben Spanien ist Italien hier im europäischen Teil des Mittelmeerraums eines der großen Produktionsländer. Die Arbeitsbedingungen in der Landwirtschaft in Süditalien stellen überwiegend eine moderne Form der Sklaverei dar.

Orangen aus Sizilien: Ausbeutung und Mafia
Große Teile des Handels mit landwirtschaftlichen Produkten in Italien, vor allem im Süden des Landes, sind fest in der Hand der Mafia. Die Ausbeutung meist migrantischer Erntehelfer*innen, niedrigste Preise für die Landwirt*innen und Schutzgelderpressungen sind an der Tagesordnung.
Vielfach müssen überwiegend afrikanische Saisonarbeiter*innen in überfüllten Zeltlagern oder Slums unter sklavereiähnlichen Bedingungen leben. Sie leben in Hütten und Verschlägen direkt auf den Feldern, weitab von jeder Stadt, ohne Kanalisation, ohne Wasseranschluss, ohne jegliche Infrastruktur. Die italienische Landwirtschaft will sie als Arbeiter*innen haben – aber sie sollen möglichst unsichtbar bleiben.
Zehntausende leben in solchen Slums. Sie ernten Tomaten, Melonen, Orangen. Sie ziehen immer dorthin, wo gerade die nächste Frucht abgeerntet werden soll. Sie hoffen, wenigstens an ein paar Tagen im Monat Arbeit auf den Orangenplantagen zu bekommen, auch wenn sie schlecht bezahlt, mitunter sogar um ihren Lohn betrogen werden.
Es gibt jedoch Alternativen: so verkaufen einige Netzwerke und Kooperativen von Biolandwirt*innen in Sizilien ihre Produkte an Gruppen für solidarischen Einkauf, die GAS (Gruppi di Acquisto Solidale), und umgehen damit den mafiösen Zwischenhandel. Dadurch können die Landwirt*innen mindestens doppelt so hohe Preise erzielen, die Kund*innen zahlen trotzdem oft weniger, als sie am Markt für vergleichbar qualitativ hochwertige Produkte zahlen müssten und die Erntehelfer*innen werden zumindest akzeptabel – und wirklich – bezahlt.

Kooperativen als Alternative: Solidarisches Wirtschaften, Direkthandel und Ernährungssouveränität

Eine dieser Kooperativen ist die Kooperative Albero del Paradiso (Baum des Paradieses). Die Mitglieder von Albero del Paradiso sind Familienbetriebe, die ihr Land biologisch bewirtschaften. Die Genoss*innen sagen von sich: Unserer Traum ist es, eine andere Wirtschaft zu schaffen und aufzubauen. Eine Welt, in der mensch mit Würde auf dem Land arbeiten kann und wo Arbeiter*innen und Menschen fair behandelt werden.“
Die Kooperative Albero del Paradiso liefert seit dem Winter 2015/16 auch nach Berlin. Leipzig und Brandenburg; im kommenden Winter 2018/19 wird es mit ihren Produkten das erste Mal eine Orangenkampagne auch in Bremen geben.
Salvatore Grigoli vom Hof Grigoli in Bronte direkt am Fuß des Vulkans Ätna wird vom Leben auf dem Land in Sizilien als Bio-Bauer und Teil der Kooperative Albero del Paradiso berichten sowie vom Kampf um Ernährungssouveränität mithilfe des Direkthandels.
Für viele Landwirt*innen ist dieser Direkthandel die einzige Möglichkeit, wirtschaftlich bestehen zu können. Die Orangen-Kampagne schaltet den Zwischenhandel aus und bietet somit sowohl den Bäuer*innen und den Erntehelfer*innen als auch den Verbraucher*innen einen Baustein für mehr Ernährungssouveränität und damit für ein besseres Leben für alle.

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