Auswertung von ZWANGSRÄUMUNG VERHINDERN

Am Montag, den 11.02.19 sollte in Bremen-Nord eine Zwangsräumung stattfinden. Der Vermieter der Wohnung ist die BREBAU, eine seit Kurzem rekommunalisierte Wohnungsbaugesellschaft. Wir haben diese Zwangsräumung gemeinsam verhindert. Drei Tage später holte die Gerichtsvollzieherin die Räumung nach, gemeinsam mit zwei Hundertschaften und dem SEK. Was ist passiert und wie ist es so gekommen?

Politik rund um die „Wohnraumfrage“ ist aktuell sehr verbreitet sowie auch notwendig. Das Schaffen von alternativen Lebensformen, Organisieren von Mieter*innen-Bündnissen sowie eine verstärkt aufkommende Basispolitik mit einer festen Verankerung im Stadtteil sind dabei nur einige Formen von emanzipatorischer Politik, welche die radikale Linke vorantreibt. Neben solchen Projekten entstehen europa- und auch deutschlandweit Bündnisse, in denen sich Aktive zusammenschließen, um gegen staatlich organisierte Wohnungslosigkeit vorzugehen – Bündnisse zur Verhinderung von Zwangsräumungen. Wir halten diese Politik- und Aktionsform aus verschiedenen Gründen für sinnvoll: Der Dienst des Staates Eigentum zu schützen, wird hier schmerzlich erfahrbar und konkret fassbar, für Betroffene sowie auch Bekannte, Nachbar*innen oder Menschen die z.B. in der Zeitung von unseren Aktionen lesen. Dass dies das tägliche Geschäft von Gerichtsvollzieher*innen als Vertretung des Staates ist, ist vielen Menschen gar nicht bewusst und/oder es wird als unveränderliche Normalität, als „so ist das halt“, hingenommen. Wir können durch die Verhinderung einer Zwangsräumung also dem menschenfeindlichen Normalbetrieb der staatlichen kapitalistischen Politik Sand ins Getriebe schütten und erfahrbar machen, dass diese Normalität eben doch nicht so normal und unveränderbar ist.

Zum anderen wird hier Solidarität – auch abseits von szeneinterner Solidarität, die auf einer gemeinsamen politischen Agenda fußt – direkt erfahrbar. Von Zwangsräumungen Betroffenen wird gedroht, dass ihnen das eigene zu Hause entrissen wird. Eine deutlichere Ansage alá „wir wollen dich hier nicht, denn du bringst nicht die Leistung, die wir von dir erwarten“, gibt es kaum. Dem staatlichen Versuch, diese Menschen durch Wohnungslosigkeit noch weiter an den gesellschaftlichen Rand zu drängen, sozusagen auf den Platz der nicht Nützlichen, der „Verlierer*innen“ dieser Gesellschaft zu verweisen, möchten und müssen wir uns hier entgegenstellen. Wir möchten solidarisch mit den Betroffenen handeln und sie in ihrem Kampf unterstützen. Somit können wir zusammen auch dem alltäglichen Betrieb, in dem Menschen, die nicht profitabel genug sind, aussortiert werden, etwas entgegensetzen. Nämlich zusammenzuhalten und uns gemeinsam gegen diese Scheiße zur Wehr zu setzen.

Die Aktion am Montag, hat viele dieser Vorstellungen erfüllt: Die Gerichtsvollzieher*in war wutentbrannt, die Bullerei ratlos und überfordert, wir waren viele, waren stark und laut zur rechten Zeit am rechten Ort, die Nachbar*innen schauten neugierig aus ihren Häusern und haben mit uns diskutiert, die Möbelpacker zeigten sich solidarisch und gaben uns zu verstehen, dass sie unseren Kampf unterstützen. Und: Die Räumung war verhindert. Wir haben gezeigt, dass es möglich ist. Mit SEK für die Wohnungslosigkeit Dass wir das System damit an einer Stelle getroffen haben, wo es weh tut, zeigt das weitere brutale Vorgehen von Bullerei und Gerichtsvollzieherin.

Die verhinderte Zwangsräumung von Montag ließ der Staat nicht auf sich sitzen. Donnerstagmorgen kam es zu einer zweiten Räumung, die ohne zeitlichen Vorlauf am Abend zuvor und ohne Angabe einer Uhrzeit angekündigt wurde. Die Polizei rückte dann am Donnerstagmorgen mit zwei Hundertschaften an, darunter Beamte des Sondereinsatzkommandos. Außer ihnen, war jedoch niemand in oder vor der Wohnung. Als Begründung für dieses völlig übertriebene Polizeiaufgebot gab die Einsatzleiterin gegenüber der Presse an, man sei davon ausgegangen, dass sich Waffen in der Wohnung befinden. Die Frage bleibt dabei natürlich, wieso dieses Aufgebot dann nicht schon beim ersten Räumungsversuch gefahren wurde. Die Kombination aus linken Aktivist*innen und der Vermutung auf Waffenbesitz auf Seiten des zu räumenden Mieters muss bei der Polizei offenbar Panik ausgelöst haben, was sie zu diesem Einschüchterungsversuch getrieben hat.

Wie ist die Aktion im Nachhinein zu bewerten? Der Versuch, die Räumung zu verhindern, war für uns keine Symbolik – wir wollten praktisch in die staatlich organisierte Wohnungslosigkeit eingreifen. Das ist uns an dieser Stelle nicht geglückt: Die BREBAU hat als Eigentümer und der Staat als Gewaltmonopolist die herrschende Ordnung wieder hergestellt. Für die geräumte Person heißt das, jetzt ohne Wohnung dazustehen. Wenn wir also über die positiven Begleiterscheinungen dieser Aktion reden, dann bewegen wir uns auf der Ebene der politischen Deutung und nicht auf der Ebene des konkreten Kampfes. Dabei haben wir jedoch viele Reaktionen wahrgenommen, die uns denken lassen, dass die Störung von Zwangsräumungen als die praktische Durchsetzung der kapitalistischen Verwertungslogik ein lohnenswertes unterfangen ist. Wir haben den Normalbetrieb des Staates und der Gerichtsvollzieher*innen, die täglich Menschen auf die Straße setzen, in der Öffentlichkeit als gewaltsame, politische Praxis wahrnehmbar gemacht. Wir haben gezeigt, dass es so wie es ist, nicht bleiben muss. Wir haben gezeigt, dass wir eine Handlungsmacht entwickeln können – wenn wir uns zusammenschließen. Die Berichterstattung aus der Presse, die Reaktionen von Nachbar*innen und Bekannten haben uns gezeigt, dass große Teile der Gesellschaft bereit sind, gegen das Recht auf Eigentum und für die Würde der Betroffenen, Position zu ergreifen. Wir können uns die Panikreaktion der Polizei nur so erklären, dass in staatlichen Sicherheitsbehörden die Einsicht und die berechtigt Angst herrscht, dass unser Beispiel Schule machen könnte. Wenn sich die Erkenntnis durchsetzt, dass durch solidarische und kollektive Aktionen Räumungen verhindert werden, Ladendiebe geschützt, Häuser besetzt und Strukturen des Miteinanders fernab von versachlichter Herrschaft durch das Recht und den Markt funktionieren, dann ist der Räumungstitel nicht das Papier wert, auf dem er gedruckt ist.

… and the struggle goes on!
Wir werden weiter nach Wegen und Aktionsformen suchen, wie wir gegen die Wohnungspolitik der Stadt, gegen private wie öffentliche Vermieter*innen und Wohnungsbaugesellschaften vorgehen, die nie im Interesse der Mietenden, sondern bestimmt durch das Streben nach Profit handeln. Unser Kampf bezieht sich neben der praktischen Verhinderung von Zwangsräumungen, auf die konkrete Unterstützung von sich wehrenden Menschen gegen Unternehmen wie z.B. die BREBAU oder Vonovia und vor allem auf die Befähigung von uns allen, Strukturen des solidarischen Miteinanders aufzubauen und unser eigenes Leben wieder in unsere Hände zu bringen.

Berichterstattung und Reaktionen:
„Mäurer, du Arschloch!“ // Soliaktion von Nika Bremen am
23.02.2019: https://de.indymedia.org/node/29318
„Immer mehr Räumungsklagen in Bremen“ // buten un binnen vom 19.02.2019: https://www.butenunbinnen.de/…/immer-mehr-raeumungsklagen-b
„Spezialkräfte setzen Zwangsräumung in Vegesack durch“ // buten und binnen vom 15.02.2019: https://www.butenunbinnen.de/…/wohnung-vegesack-zwangsraeum
„Räumung mit Hundertschaft“ taz vom 15.02.2019: https://www.taz.de/…/!5570458&s=Räumung%2Bmit%2BHundertsch
„Spezialkräfte räumen Wohnung in Vegesack\“ Norddeutsche vom 14.02.2019: https://www.weser-kurier.de/…/die-norddeutsche_artikel,-zwa
„Aktivisten verhindern Zwangsräumung in Bremen-Nord\“ buten un binnen vom 12.02.2019: https://www.butenunbinnen.de/…/zwangsraeumung-bremen-nord-a…
„Jede Räumung ist eine zu viel“ taz vom 12.02.2019: http://www.taz.de/!5569142/

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