Mit großen Schritten geht es auf den diesjährigen 1. Mai zu. Den Tag, der seit mittlerweile 130 Jahren überall auf der Welt Millionen von Menschen auf die Straße treibt, die für ihre Rechte demonstrieren.
Dieses Jahr steht der 1. Mai allerdings vor dem Hintergrund der sogenannten Corona-Krise und den Maßnahmen, die die Beschneidung der demokratischen Rechte bedeuten. Schon am 22. April veröffentlichten wir eine Presseerklärung in Bezug auf den 1. Mai in Bremen und der starken Einschränkung der Versammlungsfreiheit und anderer Grundrechte.
Hier in Bremen scheint die ganze Sache auf den ersten Blick noch recht liberal gehandhabt, wenn man sie in den direkten Vergleich mit den Rechtsverordnungen in anderen Bundesländern stellt. Doch das stellt sich in der Praxis als Augenwischerei heraus, wie das Bremer Ordnungsamt jetzt wieder eindeutig demonstriert. Die erlassene Rechtsverordnung verbietet Demonstrationen nicht grundsätzlich, was, wie das Bundesverfassungsgericht vor etwas mehr als zwei Wochen entschied, auch nicht zulässig ist. Sie gibt die Entscheidungsgewalt allerdings den Ordnungsbehörden, konkret dem Ordnungsamt und der Polizei, in die Hände. Diese dürfen nach eigenem Ermessen, d.h. willkürlich entscheiden, ob eine Demonstration stattfinden kann oder nicht. Vor dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts hatte das zur Folge, dass fast jede Demonstration unterbunden und verboten wurde. Seit das Bundesverfassungsgericht die für unrechtmäßig erklärte, wurde eine andere Schiene gefahren. Diese zeigt sich auch bei der 1. Mai-Demonstration, die hier in Bremen angemeldet wurde. Eine Reihe von Auflagen wurde erlassen, die das Versammlungsrecht stark einschränken – nach dem Motto: „Versammlung ja, Freiheit nein“. So ist eine der Auflagen z.B. eine Begrenzung der Teilnehmerzahl auf 50 Personen. Dem Einundfünfzigsten wird also das Recht entzogen, an einer angemeldeten Versammlung teilzunehmen, welches ihm laut Grundgesetz eigentlich zusteht. Die genannte ist nur eine der etwaigen Auflagen, die Ordnungsamtschefin Konkel erlassen hat und die die Demonstration am 1. Mai extrem einschränken und den Sinn und Zweck, den eine Demonstration hat, zu einem nicht unerheblichen Teil negiert. Das Ordnungsamt rechtfertigt all diese Maßnahmen selbstverständlich mit dem Infektionsschutz, der trotz Maskenpflicht und Abstandsregelungen von zwei Metern (sonst gelten nur 1,5) bei einer höheren Teilnehmerzahl als 50 nicht gegeben sein soll. Dazu kommt, dass die endgültige Herausgabe der Auflagen an den Anmelder erst zwei Tage vor dem 1. Mai erfolgte, obwohl die Demonstration bereits mehr als vier Wochen zuvor angemeldet worden war. So wird es praktisch unmöglich gemacht, die Einschränkungen rechtlich anzufechten und rechtzeitig eine Aufhebung dieser zu erstreiten.
In anderen Bundesländern sah die Sache schon anders aus. Am vergangenen Samstag, den 25.April hat in Stuttgart (Baden-Württemberg) eine Versammlung gegen die Einschränkungen der demokratischen Rechte stattgefunden, an der sich laut Polizei 350-500 Personen beteiligten. Für den kommenden Samstag, den 2. Mai ist erneut eine solche Versammlung angemeldet, bei der mit bis zu 2000 Teilnehmern gerechnet wird und die bisher keine Auflagen in Sachen Teilnehmerzahl erhalten hat, sondern lediglich eine Änderung des Standortes. Auch in Berlin konnte eine Versammlung mit schätzungsweise 1000 Teilnehmern stattfinden. In beiden Bundesländern gibt es keine Rechtsverordnung, die auf die Willkür von Polizei und Ordnungsamt setzt, dafür im Gegensatz zu der Bremer Rechtsverordnung aber auch keine Ausnahmeregelung für Versammlungen, die sich auf das Demonstrationsrecht berufen – und trotzdem konnten Versammlungen mehrerer hundert Menschen stattfinden. Ebenso sind beide Bundesländer von der Verbreitung des Corona-Virus weitaus stärker betroffen als Bremen. In Berlin ist der relative Infektionsanteil der Bevölkerung knapp 1,5 mal so hoch wie in Bremen, in Baden-Württemberg sogar 2,5 mal so hoch (Quelle: tagesspiegel.de vom 29.04.2020).
In Anbetracht dieser Beispiele stellt sich die Zweckmäßigkeit der Bremer Rechtsverordnung als leere Worthülse dar, die zwar einen demokratischen Anstrich trägt, jedoch entscheidende Aspekte des Rechts auf Versammlung aussetzt und so alles andere als konform mit den grundlegenden demokratischen Freiheiten ist, die auch im Grundgesetz festgeschrieben sind. Markant ist auch die direkte Androhung von Zwangsmaßnahmen bei Nichteinhaltung von Auflagen, die angeblich dem Infektionsschutz Rechnung tragen sollen.
Aufgrund dieser Auflagen und der offensichtlich waltenden Willkür der Ordnungsbehörden rufen wir nochmals alle progressiven Anwälte, Pressevertreter und jeden, dem etwas an den demokratischen Rechten liegt, dazu auf, als Beobachter, Dokumentierender oder Demonstrant an der diesjährigen 1.-Mai-Demonstration teilzunehmen. Die Demonstration beginnt um 10:30 Uhr an der Kreuzung Osterdeich / Lüneburger Straße (Weserterrassen) und führt von dort durch das Bremer Viertel über die Sielwallkreuzung zum Domshof, wo die Abschlusskundgebung stattfindet. Für Rückfragen stehen wir Ihnen unter dieser Mailadresse zur Verfügung:
1.mai2020-hb[ät]gmx.de
Bündnis für dem 1. Mai 2020 in Bremen