Wohnungskampf im Stadion

Letzten Mittwoch kam es während des Pokalspiels zu einem brutalen und rechtswidrigen Polizeieinsatz gegen Gentrifizierungskritiker_innen in der Ostkurve des Weserstadions

Erklärung der Grün-Weißen Hilfe:

Zu Beginn des heutigen Pokalspiels gegen den FC Heidenheim kam es zu einem fragwürdigen Einsatz von Polizei und Ordnungsdienst. Ziel des Einsatzes waren zwei Spruchbänder, die vorab für das Aufhängen in der Ostkurve angemeldet und genehmigt waren. Sie wurden an beiden Enden der Ostkurve aufgehangen, genauer gesagt über den Blöcken 142 und 122 bzw. unter den Blöcken 1 und 53. All diese Blöcke zählten laut Stadionplan eindeutig zur Ostkurve. Vor diesem Hintergrund ist bereits unverständlich, warum die Banner entfernt wurden.

Entgegen der Darstellung von Polizei und SV Werder kam es nach unseren Informationen zu keinen körperlichen Angriffen gegen Polizei- oder Ordnungskräfte. Vielmehr wurden einzelne Werder-Fans bei dem Einsatz verletzt und befinden sich teilweise in ärztlicher Behandlung.

Wir rufen alle Fans, die das zweifelhafte Agieren der „Sicherheits-“Kräfte beobachtet oder gar dokumentiert haben, dazu auf, sich bei uns zu melden. Wir werden ggf. auf Grundlage dieser Informationen in den kommenden Tagen ausführlicher Stellung nehmen.

Unabhängig von der Frage, ob die Banner an der korrekten Stelle hingen, ist keinerlei Grundlage für den Einsatz der Polizei erkennbar. Es ist keine polizeiliche Aufgabe, das Hausrecht des Vereins oder gar die Interessen eines Stadionsponsors durchzusetzen. Die Reaktion unseres Vereins, der das Vorgehen der Polizei auf Twitter rechtfertigt, ist daher sehr enttäuschend.

Weserkurier:

Die Werder-Spieler bekamen es nicht mit, höchstens am Rande. „Ich war zu fokussiert auf das Spiel“, sagte etwa Milos Veljkovic. Im restlichen Weserstadion machte sich während des Pokalspiels gegen Heidenheim dagegen zunächst Ratlosigkeit breit. Rund eine halbe Stunde war vorüber, Werder führte souverän mit 3:0, und trotzdem verließen Teile der Ultras das Weserstadion. Sie packten ihre Fahnen und Banner zusammen, kletterten über die Balustrade der Ostkurve und gingen nach draußen. Dieses merkwürdige Schauspiel trug sich direkt hinter dem Tor von Jiri Pavlenka zu.

Inzwischen sind einige Hintergründe bekannt. Die Aussagen der Polizei und des Vereins sowie der Ultras decken sich jedoch in manchen Punkten nicht. Klar ist, dass sich der Konflikt in erster Linie um ein Banner drehte, das schon seit Saisonbeginn bei Heimspielen im Weserstadion zu sehen war. Darauf steht: „Immobilienhaie. Vorsicht, bissig!“ Es richtet sich gegen Wohninvest, seit Saisonbeginn Namenssponsor des Weserstadions, und hing oberhalb der Loge der Immobilienfirma.

Warum gab es nun plötzlich Probleme? Laut Werder wurde das Banner genehmigt, aber nur für die Ostkurve. Es sei jedoch im Bereich der Nordtribüne angebracht worden. Auch ein zweites Banner soll an unerlaubter Stelle gehangen haben. Laut einer Stellungnahme der „Grün-Weißen Hilfe“, einem Unterstützerverein für Fans, der diese in Rechtsfragen berät, hingen die Spruchbänder unter den Blöcken 1 und 53. Diese zählten laut Stadionplan noch zur Ostkurve, heißt es weiter. Werder sieht das anders und verweist darauf, dass dies den Fans auch im Vorfeld mitgeteilt worden sei.

Um das Anti-Wohninvest-Banner entbrannte ein handfester Streit. „Ordner wollten es entfernen und wurden von Werder-Fans attackiert. Ebenso unbeteiligte Besucher“, teilte der Verein mit. Die Polizei unterstützte daraufhin den Ordnungsdienst. Auf einem Video, das dem WESER-KURIER vorliegt, ist zu sehen, wie ein Ordner das Banner herunterreißt. Etwa zehn Polizisten in voller Montur geben ihm dabei Rückendeckung. Zehn bis 15 Fans geraten mit den Beamten aneinander, unbeteiligte Zuschauer stehen mitten im Geschehen. Es gibt eine kurze Rangelei mit Fußtritten und Faustschlägen, dann beruhigt sich die Situation schnell wieder.

Die Polizei stellte den Vorfall wie folgt dar: „Während der ersten Halbzeit wurde der Ordnungsdienst des Stadions beim Entfernen eines Banners körperlich angegriffen. Daraufhin haben Einsatzkräfte der Polizei Bremen unterstützend eingegriffen und wurden ebenfalls angegangen. Strafanzeigen werden gefertigt.“ Weder Pfefferspray noch Schlagstöcke seien eingesetzt worden.

Die „Grün-Weiße Hilfe“ schrieb derweil, es habe keine Angriffe gegen Polizei- und Ordnungskräfte gegeben. Fans seien bei dem Einsatz verletzt worden. Weiter heißt es: „Unabhängig von der Frage, ob die Banner an der korrekten Stelle hingen, ist keinerlei Grundlage für den Einsatz der Polizei erkennbar. Es ist keine polizeiliche Aufgabe, das Hausrecht des Vereins oder gar die Interessen eines Stadionsponsors durchzusetzen. Die Reaktion unseren Vereins, der das Vorgehen der Polizei rechtfertigt, ist daher sehr enttäuschend.“

Aus Protest gegen den Polizeieinsatz verließen Teile der Ultras das Stadion. Andere Fans bejubelten ihren Abzug, was zeigt, dass durch die Werder-Fanszene ein Riss geht. Stadionsprecher Arnd Zeigler forderte die verbliebenen Bremer Anhänger in der Halbzeit auf, zu zeigen, wie gut sie Stimmung machen können. In der zweiten Hälfte schwappte dann die La-Ola-Welle immer wieder durch das Stadion.

Das Verhältnis zwischen Werder und Teilen der Ultras hat nun einen neuen Tiefpunkt erreicht. Wie explosiv die Stimmung ist, zeigte sich bereits nach dem Erstrundenspiel im Pokal gegen Atlas Delmenhorst im August. Ein Ultra soll einen Polizisten damals im Viertel gegen den Kopf getreten haben. Werder verurteilte diesen Gewaltakt aufs Schärfste. Gegen Heidenheim kam es nun sogar im Stadion zu Auseinandersetzungen zwischen Ultras und der Polizei. Werder will die Geschehnisse in den kommenden Tagen aufarbeiten. Immerhin: Ernsthaft verletzt wurden am Mittwoch nach bisherigen Erkenntnissen weder Polizisten noch Fans.

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