Das Bundesverfassungsgericht legt Folterinstrument gegen die Lohnarbeitenden in den einstweiligen Ruhestand.
Das Geschmurgel unzähliger Expert*innen über Menschenrecht, Existenzminimum und Grundgesetzverstöße ist eine unerträgliche Verklärung der tatsächlichen Verhältnisse. Die Lüge von Sozialstaat und Grundrechten sind die Voraussetzung zur Fortsetzung des Ausbeutungssystems mit den Mitteln eines repressiven Sozialstaats. Zu den tatsächlichen Verhältnissen.
Die Hartz IV Sanktionen sind nicht die einzigen, aber sicherlich das markanteste Merkmal des durch die Agenda 2010 mit Gewalt erzwungenen Umbaus der Lohnarbeitsgesellschaft. Ein Niedriglohnsektor mit Befristung, Leiharbeit und anderen Formen prekärer Beschäftigung ist entstanden. Ein Viertel der Lohnarbeitenden hat ein Einkommen an der Armutsschwelle, ein weiteres Viertel ist von Sparmöglichkeiten ausgeschlossen, da es gezwungen ist alle Einkommen für die dringendsten Ausgaben, Bekleidung, Miete und Ernährung auszugeben. Dieser Umbau diente einzig dem Ziel die Profiterzielung am Standort Deutschland vor allem für das Exportkapital attraktiver zu machen. In den großen Fabriken in Deutschland sind nur noch die Minderheit der an der Produktion Beteiligten fest Angestellte. Die Mehrheit sind Niedriglöhner*innen in den Zuliefer und Zuarbeitsfirmen der Fabrik. Die Lohnstückkosten des Standorts Deutschland haben sich im Sinne des Kapitals nur angemessen erhöht. Andere Industrieländer sahen sich gezwungen dem Schritt des Standorts Deutschland zu folgen, damit die dortigen Unternehmen nicht im Konkurrenzkampf untergehen.
Zur Zeit der Erfindung von Hartz IV den 90iger Jahren des letzten Jahrhunderts gab es einen erheblichen Überschuss arbeitsfähiger Menschen. Deren Erwartungen und teilweise auch die Rechtslage der Arbeitslosengesetzgebung erschwerten deren Einstiegsbereitschaft in den Niedriglohn und Leiharbeit. Niedriglohnangebote der Ämter riefen bei älteren Arbeiter*innen helle Empörung hervor. Damit ist es heute vorbei. Niedriglohn ist Normalzustand. Die Ausrichtung des Bildungswesens mit Bachelor und Master Studiengängen, die zeitliche Begrenzung des BAFöG Bezuges, die Ausrichtung des Schulwesens auf die unmittelbare Verwertung auf dem Arbeitsmarkt ist erheblich vorangeschritten. In vielen Fällen „interveniert“ die Jugendberufsagentur bereits bei Achtklässlern.
Das Bewusstsein hat sich grundlegend verändert. Fasst alle haben eine Gruselvorstellung von Hartz IV und aus den „Dokumentationssendungen“ des Werbungsfernsehens wissen wir ja auch; Hartz IV Empfänger*innen haben dicke Bäuche, Rauchen und Trinken und bekommen keinen vernünftigen Satz voreinander. So will niemand sein und niemand werden. Die Realität ist allerdings völlig anders.
Und die Verhältnisse haben sich geändert. Qualifizierte Arbeitskraft ist inzwischen wieder Mangel- Ware. Selbst bundesdeutsche Minister bis hin zur Kanzlerin Touren durch die Welt um in Indien, Mexiko oder Albanien Fachkräfte für den deutschen Arbeitsmarkt zu gewinnen.
Aber es gibt noch immer 2,2 Millionen Arbeitslose, wird jetzt einzuwerfen sein. Ja genau so viele stehen in den Karteien der Ämter. Die internen Bewertungen der Bundesagentur sind dabei jedoch eindeutig: Es handelt sich vorwiegend um ältere, kranke und verschlissene Menschen, die gesundheitlich nicht mehr in der Lage sind in der heutigen modernen Produktion mitzuhalten. Ein großer Teil sind auch Opfer des ausgrenzenden Bildungssystems, das massenhaft Analphabeten produziert und deren profitabel Verwertung ist erheblich eingeschränkt. Kurz um: Eigentlich ist niemand mehr da, der durch Sanktionen in Arbeit gepresst werden könnte. Fast eine Million Sanktionen jährlich sind also nicht mehr effektive zwangsweise Zuführung in den Niedriglohn, sondern überwiegend Verstöße gegen Meldeauflagen und damit für die eigentliche Zwangsvermittlung völlig unsinnig.
Untersuchungen des Forschungsinstituts der Bundesagentur für Arbeit haben dann auch, insbesondere bei unter 25 Jährigen längst die oftmals verfehlte Wirkung der Sanktionen festgestellt. Sanktionen führen zudem zur Entfremdung der Menschen von den Organen des Staatsapparates. Wer wegen erlittener Sanktionen seinen Arbeitsvermittler hasst, kann diese Ablehnung locker auf die Politiker oder die nächste Streifenwagenbesatzung übertragen. Viele durch Sanktion auf null gesetzten und/oder obdachlos gewordene Menschen haben diese Zeit als Karrierestart für Tätigkeiten genutzt, die nach dem Strafgesetzbuch als verboten gelten. Diese Personen sind dann auch mit verlockenden Jobangeboten nicht mehr erreichbar. Herrschaft basiert aber vor allem auf freiwilliger Unterwerfung mittels Ideologie. Risse in der freiwilligen Unterordnung gilt es aus Sicht der Herrschenden zu vermeiden, denn daraus könnten Revolten entstehen.
Sanktionen sind kontraproduktiv geworden. Sie schaden mehr als sie nutzen. Die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts war nur auf den ersten Blick ein Ass im Ärmel gegen den Staat, sondern auch ein einvernehmliches Abkommen der Staatseliten zur Optimierung der Ausbeutungsverhältnisse.
Die Reduzierung der Sanktionen markiert eine Wende in der Arbeitsmarktpolitik des Staates.
Bei genauer Betrachtung stellt Hartz IV bei dem sowohl die Miete, die Krankenversicherung und 70 Prozent der Regelleistung in Höhe von jetzt 297 Euro nicht sanktioniert werden dürfen, ein „bedingungsloses Grundeinkommen“ dar. Weit unterhalb der Armutsschwelle und jede/r Kämpfer für ein Existenz sicherndes Grundeinkommen wird dies weit von sich weisen. Ein Blick auf die unter heutigen Bedingungen in der bürgerlichen Politik durchsetzbaren Modelle eines Grundeinkommens nach Straubhar und CDU-Althaus zeigt, dass sie weitgehend mit Hartz IV ohne Sanktionen übereinstimmen.
Dieser Wechsel ist notwendig geworden, da von den Lohnabhängigen in immer höherem Maße der flexible Verkauf ihrer Arbeitskraft gefordert wird. Für immer mehr Menschen gibt es einen steten Wechsel aus befristeter Beschäftigung, Selbständigkeit, Erwerbslosigkeit und erheblich wechselnden Einkommen.
In den vergangenen Jahren wurde dafür ein Belohnungssystem aufgebaut. Hartz IV Leistungen unter diesen Bedingungen zu organisieren führt zu einem riesigen Verwaltungsaufwand und bei den meisten Aussteiger*innen aus Hartz IV zu einem Schuldenberg bei der Bundesagentur für Arbeit in Recklinghausen. Die Ausweitung des UVG Systems auf eine Bezugszeit bis zu 18 Jahren, die Möglichkeiten mit Kinderzuschlag und Wohngeld ein Einkommen oberhalb des aufgestockten Hartz IV zu bekommen und der Verfolgungsbetreuung der Fallmanager zu entgehen hat sich zu einem Bürokratiemonster entwickelt. Hieß es bei der Einführung von Hartz IV noch es gehen um Leistungen aus einer Hand, so müssen heute Aufstocker*innen wieder bei drei bis vier Ämtern vorstellig sein. Viele Menschen verlieren dabei erheblich an Lust sich auf prekäre Arbeit einzulassen.
Kurzum, die veränderten Verhältnisse erfordern andere Formen der Sicherung des Überlebens der zeitweilig für das Lohnarbeitssystem nicht benötigten Menschen. Es werden die als willkürlich und repressiv wahrgenommenen Sanktionen durch ein neues System der Belohnung für Lohnarbeit ersetzt. Dieser Umbauprozess erfolgt in Schritten, denn es stehen für die Herrschenden zwei Ziele im Raum: Es darf keinen neuen Schock wie bei der Einführung von Hartz IV geben, denn diese Brechstangendurchsetzung hat tiefe Risse in der Hegemonie der Ideologie der bürgerlichen Herrschaft ergeben und zweitens bedarf es für die zukünftige Arbeitsgesellschaft eines flexibleren Systems der Unterhaltssicherung als die heutige Ämterbürokratie. Industrie 4.0 und die weitere Auflösung des unbefristeten Arbeitsverhältnisse zwingt zu einer neuen Existenzsicherung in der der formelle Zwang durch Sanktionen durch den subtilen Zwang zur Vermeidung von Hunger ersetzt wird.
Die Zielstellungen von Staat und Kapital bleiben die gleichen. Erhöhung der Profite und Optimierung der Ausbeutungsverhältnisse. Somit war die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts ein Eckpunkt der Umgestaltung der Herrschaftsverhältnisse zur Optimierung des repressiven Sozialstaats. Der Druck der Unternehmen und die Verlockung bei den Bezieher*innen das „bedingungslose Hartz IV Grundeinkommen“ durch Formen der Entlohnung unterhalb des Mindestlohns und der tariflichen Sicherung aufzustocken wird weiterhin zunehmen.
Das Positive zum Schluss: Jede Person die will, kann zukünftig das Leiharbeitsangebot der Fallmanager vor deren Augen zerreißen und einen schönen Tag wünschen. 30 Prozent kann Mensch verkraften. Dies könnte widerständiges Verhalten in den Ämtern befördern.Ich freue mich schon riesig auf die nächste Begleitung im Jobcenter.
Bremer Erwerbslosenverband (BEV) Lindenstrasse 1b
Montag: 14 – 17 Uhr
Dienstag: 9 – 12.30 Uhr
Donnerstag 15 – 18 Uhr
Telefonische Terminvergabe: Mittwoch 13 – 14 Uhr
„Jede Person die will, kann zukünftig das Leiharbeitsangebot der Fallmanager vor deren Augen zerreißen und einen schönen Tag wünschen.“
Dummschwätzerei!
1 BvL 7/16, Rn. 209 setzt das Vorliegen eines zumutbaren Jobangebots mit dem Fehlen des Bedürftigkeitsmerkmales gleich und erklärt den vollständigen(!) Leistungsentzug für verfassungskonform, falls der/die eLB dieses Jobangebot ablehnt.
Da wurde das Aushungern zum Durchsetzen eines Arbeitszwangs legalisiert – und Ihr schwafelt in Eurer pseudolinken Filterblase was vonwegen „quasi BGE“.