kopiert aus der taz
Bremen nähert sich einem Gedenkort für Laye-Alama Condé, der 2004 in Obhut der Polizei gestorben ist. Rot-Grün-Rot fordert jetzt konkrete Planungen.
Gefordert wird es schon seit vielen Jahren, festgeschrieben ist es seit letztem Jahr im rot-grün-roten Koalitionsvertrag, 60.000 Euro Haushaltsmittel sind vor Kurzem dafür bereitgestellt worden – und nun ist endlich auch eine konkrete Parlamentsvorlage aufgesetzt, um in Bremen einen Gedenkort zur Erinnerung an den durch Brechmittelfolter gestorbenen Laye-Alama Condé zu schaffen.
Über 15 Jahre ist es nun schon her, dass der aus Sierra Leone stammende Condé durch das zwangsweise Verabreichen eines Brechmittels in Gewahrsam der Bremer Polizei gestorben ist. Der 35-Jährige war am 27. Dezember 2004 an der Sielwallkreuzung im Bremer Steintorviertel festgenommen worden, weil PolizistInnen ihn des Drogenhandels verdächtigten.
Condé wurde in das Polizeipräsidium gebracht und dort an Armen und Beinen fixiert. Mit einer Nasensonde wurden ihm unter Zwang Brechmittel und mehrere Liter Wasser eingeflößt. Dieses Verfahren sollte ihn zur „Exkorporation“, also zum Erbrechen verschluckter Drogen bewegen.
Die Prozedur wurde auch dann noch fortgesetzt, als Condé schon das Bewusstsein verloren hatte. Er fiel ins Koma und starb wenig später, am 7. Januar 2005. „Tod durch Ertrinken“, diagnostizierten die Ärzte – das Wasser, das ihm eingeflößt wurde, war in seine Lunge gelaufen. 2006 stufte der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte die zwangsweise Vergabe von Brechmitteln als Folter ein.
Spätes Schuldeingeständnis
„Schwerstverbrecher“, sagte kurz vor Condés Tod Bremens damaliger Innensenator und heutiger CDU-Fraktionschef Thomas Röwekamp, müssten nun mal „mit körperlichen Nachteilen“ rechnen. Und 2013 sagte Bremens Alt-Bürgermeister Henning Scherf (SPD), der 1992 als Justizsenator die rechtliche Grundlage für die Brechmittel-Praxis geschaffen hatte: „Das war Alltag, strafrechtlicher und beweissichernder Alltag.“
Vor drei Jahren äußerte er schließlich späte Reue: „Ich fühle mich schuldig, dass ich den Tod dieses Menschen möglich gemacht oder zumindest dieses Verfahren gerechtfertigt habe“, sagte er. Das sei „ein Fehler“ gewesen.
Der für Condés Tod verantwortliche Polizeiarzt stand dreimal vor Gericht. Zweimal sprach ihn das Landgericht Bremen frei, beide Urteile kassierte der Bundesgerichtshof (BGH) wieder ein. Den zweiten Freispruch bezeichnete er als „fast grotesk falsch“.
Dass der Arzt, so die Begründung, die Prozedur fortgesetzt habe, obwohl Condé bereits einige der verschluckten Drogen erbrochen hatte, sei menschenunwürdig gewesen. Außerdem seien die Risiken des Brechmitteleinsatzes damals bereits bekannt gewesen.
In der Tat: 2001 war in Hamburg der Nigerianer Achidi John an den Folgen der gleichen Prozedur gestorben und auch in Bremen hatten bereits vor Condés Tod drei Festgenommene während der Brechmittelvergabe notärztlich versorgt werden müssen. Das dritte Verfahren gegen den Polizeiarzt wurde im Jahr 2013 eingestellt.
Auch politisch wurde niemand zur Verantwortung gezogen: Sowohl Condés Angehörige als auch Bremer BürgerInnen forderten nach Condés Tod den Rücktritt des Innensenators und erstatteten Anzeige gegen ihn, wegen übler Nachrede und wegen fahrlässiger Tötung. Beide Verfahren stellte die Staatsanwaltschaft ein. Auch ein Misstrauensantrag der Grünen scheiterte. Acht Abgeordnete der damaligen großen Koalition aus SPD und CDU stimmten mit den Grünen und der FDP gegen Röwekamp, der bis 2007 als Innensenator im Amt blieb.
Seit vielen Jahren schon fordert die „Initiative in Gedenken an Laye-Alama Condé“ auch wegen all dieser Skandale einen Gedenkort für Condé, auch stellvertretend für die rund 1.000 Menschen, die zwischen 1991 und 2004 in Bremer Polizeigewahrsam Brechmittel schlucken mussten.
Ein selbst entworfenes mobiles Mahnmal der Initiative soll sowohl die Erinnerung an die Brechmittel-Opfer wach halten als auch die Forderung nach einem festen Gedenkort. Dieses Ansinnen wurde durchaus kontrovers aufgenommen: Während die Grünen und die damals noch zur Opposition gehörige Linke sich dafür aussprachen, sträubten sich weite Teile der SPD gegen ein Denkmal für einen mutmaßlichen Drogendealer.
Gedenkort im Koalitionsvetrag
Aber seit letztem Jahr steht nun auch im Koalitionsvertrag, dass sich SPD, Grüne und Linke „für die Errichtung eines Gedenkortes“ aussprechen, „um daran zu mahnen, dass niemand in polizeilicher Obhut nachhaltig zu Schaden oder ums Leben kommen darf.“ 60.000 Euro Haushaltsmittel wurden dafür bewilligt und jetzt hat Rot-Grün-Rot einen Bürgerschaftsantrag gestellt:
„Die Bürgerschaft (Landtag) fordert den Senat auf, einen Vorschlag für einen Standort zu machen und in Abstimmung mit dem zuständigen Stadtteilbeirat, dem Landesbeirat für Kunst im öffentlichen Raum und der Deputation für Kultur zeitnah und gemeinsam mit allen Beteiligten eine würdige Lösung zu finden“, heißt es in der Vorlage. Der Senat, so der Antrag weiter, soll dann innerhalb von sechs Monaten der Deputation für Kultur über die Ergebnisse berichten.
Das bedeutet: Der Gedenkort kommt nicht, wie im Januar von der Linksfraktion gefordert, noch in diesem Jahr. Denn erst nach der Sommerpause wird nach Auskunft von Kai Wargalla (Die Grünen) der Antrag in der Bürgerschaft beschlossen. Sie ist dennoch froh, dass es nach jahrelangen Debatten nun endlich konkret vorangeht: „Der Gedenkort ist wichtig, um immer wieder daran zu erinnern, dass die Würde des Menschen unantastbar ist – und zwar ohne Ausnahme“, sagt sie und: „Wir tragen die Verantwortung dafür, dass es keine staatliche Folter geben darf.“
Wie das Mahnmal aussehen und wo es stehen soll, ist noch unklar. „Aber klar ist, dass es in der Mitte Bremens stehen soll und nicht, wie ursprünglich einmal angedacht, am Polizeipräsidium in der Vahr“, sagt die Bürgerschaftsabgeordnete Wargalla. Sie hoffe nun, dass die Realisierung des Gedenkortes im kommenden Jahr umgesetzt wird – mehr als 16 Jahre nach dem Tod Laye-Alama Condés.
Quelle: taz.de