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Die Staatsanwaltschaft Bremen ermittelt gegen einen Polizisten wegen Körperverletzung im Amt. Seit zwei Jahren ohne Ergebnis. Warum?
„Gefährliche Körperverletzung im Amt und Verstoß gegen das Waffengesetz“ lauten die Vorwürfe der Staatsanwaltschaft. Ein Bremer Polizist soll am 30. Dezember 2018 einem Mann hinter der Polizeistation Stephanitor grundlos Pfefferspray ins Gesicht gesprüht haben. Dann habe er den Tatort verlassen, ohne sich um den Verletzen zu kümmern. Untergebene Polizeibeamte habe er danach aufgefordert, den Einsatz des Pfeffersprays gegenüber der Polizeiführung zu verschweigen. Drei Wochen später, am 23. Januar 2019, meldeten jedoch zwei Beamte den Vorfall an einen Vorgesetzten. Die Staatsanwaltschaft leitete Ermittlungen ein. Polizeivizepräsident Dirk Fasse sagte kurz nach Bekanntwerden der Vorwürfe: „So ein Vorfall darf nicht gedeckt werden, wir werden die Ereignisse umfassend aufarbeiten.“ Doch was ist seither passiert?
Laut der Polizei Bremen ist der beschuldigte Beamte vorläufig vom Dienst enthoben. Bekommt aber weiterhin volles Gehalt. Im Laufe der Ermittlungen wurde der Spind des Hauptbeschuldigten auf der Dienststelle durchsucht. Dabei sind unter anderem Messer und Schlagringe gefunden worden.
Seit zwei Jahren liegt der Fall nun beim Referat für Interne Ermittlungen: ohne Ergebnis. Ob es zur Anklage kommt, ist nicht entschieden.
Warum dauern die Ermittlungen so lange?
Frank Passade ist Sprecher der Staatsanwaltschaft Bremen und sagt, dass er in den kommenden Wochen mit einer Entscheidung rechnet. Seine Behörde hätte sich ein schnelleres Ergebnis gewünscht. Doch die Corona-Pandemie sei eine zusätzliche Belastung bei der Arbeit.
Die Ermittlungen sind nicht ganz unkompliziert. Insgesamt führen wir vier Verfahren in diesem Fall. In einem Verfahren gegen sieben Beamte wegen Strafvereitelung im Amt. Gegen den Hauptbeschuldigten wegen gefährlicher Körperverletzung im Amt und Verstoß gegen das Waffengesetz.
Frank Passade, Staatsanwaltschaft BremenMatthias Koch ist Sprecher der Justizsenatorin und sagt: „Generell ist die Arbeitsbelastung der Staatsanwaltschaften hoch. Das ist ein bundesweites Problem.“ Langeweile herrsche bei der Bremer Staatsanwalschaft nicht. 2019 hätten diese 63.126 Fälle bearbeitet. Davon seien 12.008 mit Anklagen, Strafbefehlen oder vergleichbaren Anträgen zum Gericht gegangen. Im Schnitt habe die Behörde 2,4 Monate für die Erledigung von Fällen gebraucht.
Die Corona-Pandemie habe Auswirkungen auf die Ermittlungsarbeit der Polizei. „Zeugenvernehmungen oder auch Durchsuchungen unter Einhaltung des Infektionsschutzes durchzuführen, ist eine zusätzliche Herausforderung“, so Koch. Das sorge insbesondere bei anspruchsvolleren Fällen für Verzögerungen und wirke sich auch auf die Arbeit der Staatsanwaltschaft aus.
Auch Polizisten haben das Recht zu schweigen
Johannes Aschermann ist Kriminologe an der Universität Bremen und forscht zur Bremer Justiz. Er sagt: „Es gibt Fälle, wo es am Sachverhalt liegt, dass Ermittlungen lange benötigen. Etwa bei organisierter Kriminalität, wo Tausende Telefonmitschnitte ausgewertet oder Datenträger entschlüsselt werden müssen.“ Auch bei Wirtschaftskriminalität sei die Sachlage teilweise kompliziert und die Polizei auf externe Sachverständige angewiesen. „Das scheint mir bei dem vorliegenden Fall nicht das Problem zu sein“, so Aschermann. Zur Verfahrensdauer bei Ermittlungen gegen Polizisten hat er die Vermutung, dass die Ermittler zuweilen auf wenig Kooperationswille stoßen.
Es könnte daran liegen, dass die Befragten nicht kooperativ sind. Wenn diese nicht auspacken, kann es auch bei einem solchen Verfahren schwierig sein, zu ermitteln.
Johannes Aschermann, KriminologeAuch Polizistinnen und Polizisten haben grundsätzlich das Recht zu schweigen, wenn sie sich mit einer Aussage selbst belasten würden. Wenn Beamtinnen und Beamte die Straftat eines Kollegen nicht zur Anzeige bringen, machen sie sich strafbar: Wegen Strafvereitelung im Amt. Was dazu führt: Sie dürfen die Aussage verweigern.
Dauert das Verfahren zu lange?
Der Kriminologe Thomas Feltes kann nicht nachvollziehen, warum seit zwei Jahren ermittelt wird. Er ist Seniorprofessor an der Ruhr-Universität Bochum und war 14 Jahre lang Leiter des Studiengangs Kriminologie, Kriminalpolitik und Polizeiwissenschaft.
Auf den ersten Blick scheint das kein komplizierter Fall zu sein. Allerdings gibt es oftmals Details, die der Öffentlichkeit nicht bekannt werden und die möglicherweise wichtig sind für die Beurteilung. Im vorliegenden Fall könnten das die im Spind gefundenen Messer und Schlagringe sein. Aber gerade vor diesem Hintergrund kann man keine sachliche Erklärung dafür finden, warum hier länger als sechs Monate ermittelt wird.
Thomas Feltes, KriminologeEr fordert: Der Fall müsse Vorrang haben. Die Suspendierung des Polizeibeamten sei auch für diesen ein massiver Einschnitt. Die Polizeiführung müsse aus Fürsorgepflicht für ihren Mitarbeiter viel schneller handeln.
Quelle: butenunbinnen.de