„Nach Auftritt auf „Querdenken“-Bühne: Staatsschutz ermittelt gegen Bremer Arzt“

kopiert aus dem Weser Kurier

Gegen einen Bremer Arzt wird wegen des Anfangsverdachts der Volksverhetzung ermittelt. Auslöser sind der Auftritt und ein Lied bei einer „Querdenken“-Demonstration gegen Corona-Maßnahmen am Wochenende.

Immer wieder sorgen „Querdenken“-Demonstrationen für Diskussionen.

Eine „Querdenken“-Kundgebung gegen die Corona-Maßnahmen am vergangenen Samstag hat für einen Bremer Arzt Konsequenzen. „Der Staatsschutz hat Ermittlungen wegen des Anfangsverdachts der Volksverhetzung aufgenommen. Als weiterer Tatbestand könnte auch Aufforderung zu Straftaten hinzukommen, das wird jetzt geprüft“, bestätigt Polizeisprecher Nils Matthiesen dem WESER-KURIER. Zeugen würden von der Staatsschutz-Abteilung vernommen. Eine Frau hatte nach Angaben der Polizei am Tag nach der Demonstration Anzeige erstattet.

Es geht um ein Lied, das der Arzt am Sonnabend auf einer Bühne vor dem Hauptbahnhof gesungen hat. In einer Strophe heißt es: „Wir werfen den Covid in die Flammen, mit Virologen zusammen“. Videomitschnitte des Auftritts hat die Bremer Gruppe „Querdenken“ auf ihre Internetseite gestellt. Wer zu Hass und Gewalt gegen Minderheiten aufruft, macht sich in Deutschland wegen Volksverhetzung strafbar. Nach Auskunft des Sprechers der Staatsanwaltschaft, Frank Passade, droht bei Volksverhetzung eine Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren.

Arzt: Missverständlich

Bei dem Mediziner handelt es sich um den Arzt für Allgemeinmedizin und Naturheilverfahren Jürgen Fuchs. „Das Lied habe ich in einem Gesamtkontext vorgestellt, das ist in einem übertragenen Sinne gemeint. Es geht darum, die übertriebene Angst vor dem Virus zu überwinden. So ist das zu verstehen, dass man etwas in die Flammen wirft, um neue Erkenntnisse zu gewinnen“, sagt er dem WESER-KURIER. „Es tut mir sehr leid, dass das von mir so missverständlich gesungen worden ist. Ich würde das so nicht mehr wiederholen. Auf jeden Fall würde ich niemanden wegen seiner Meinung körperlich angehen.“

Ihm gehe es um offene Diskussionen, so der Arzt. Der Umgang mit der Corona-Krise und die Maßnahmen würden nicht ausgewogen diskutiert; viele Fachleute, die anderer Meinung seien, würden nicht gehört. Wenn dies so weiter gehe, gefährde das die Demokratie. Die Existenz des Coronavirus bestreite er nicht, es handele sich um ein gefährliches Virus. „Ich bin dafür, dass man Masken trägt, auch auf Kundgebungen. In meiner Praxis gibt es auch normale Hygiene-Schutzmaßnahmen.“

Auf der „Querdenken“-Bühne hatte Fuchs gesungen: „Wir haben den Covid verkannt, er bedroht nicht wirklich dieses Land. Ein Grippevirus ist er, im nächsten Herbst kommt ein neuer. Und ist dann wieder Shutdown? Oder werden wir uns trauen zu sagen: Ruhig bleiben, Viren gab es immer schon wie Sand am Meer. Die Lösung: Abwehrkräfte gestärkt, dann schaffen wir jeden Virusberg. Statt in der Stube sitzen, hinter Gesichtsmasken schwitzen, lieber tanzen und lachen und uns Lebensfreude machen.“

Dem Arzt drohen auch berufsrechtliche Konsequenzen. Der Vorsitzende der Kassenärztlichen Vereinigung (KV) Bremen, Jörg Hermann, kündigte am Donnerstag an: „Die KV Bremen wird prüfen, ob die zur Schau gestellte Einstellung von Dr. Fuchs noch mit vertragsärztlichen Grundsätzen übereinstimmt und sowohl den Zulassungsausschuss als auch den Disziplinarausschuss anrufen.“ Ergebnis kann der Entzug der ärztlichen Zulassung sein.

KV Bremen distanziert sich

Der Arzt beleidige mit seiner Einzelmeinung die Würde des ärztlichen Berufs. Bei der Covid-Pandemie handele es sich um eine ernste Bedrohung, deren Bagatellisierung die Kassenärztliche Vereinigung Bremen nachdrücklich widerspreche. „Die KV Bremen distanziert sich deshalb im Namen der niedergelassenen Ärzte in Bremen und Bremerhaven von diesen verharmlosenden Äußerungen und die gegen Virologen ausgesprochene Drohung“, betont Hermann.

Fuchs gehört der Delegiertenversammlung der Bremer Ärztekammer an, diese will sich am Montag in einer Sitzung mit dem Fall befassen. Kammer-Präsidentin Heidrun Gitter verurteilt den Auftritt des Arztes und den Liedtext auf das Schärfste: „Der Quasi-Aufruf zu einer potenziell tödlichen Handlung – Verbrennen eines Menschen – ist erschreckend.“ In der bagatellisierenden Form eines derartigen Liedes sei dies zudem menschenverachtend und gegen jegliche Grundsätze des ärztlichen Selbstverständnisses, das sich zum Beispiel in der Deklaration von Helsinki des Weltärztebundes widerspiegele und als Präambel Bestandteil der ärztlichen Berufsordnung sei. Gitter: „Für eine solche Entgleisung fehlt mir nicht nur jedes Verständnis, sondern ich distanziere mich im Namen der Bremer Ärzteschaft ausdrücklich davon.“

Quelle: weser-kurier.de

siehe auch
taz: Mediziner zündelt

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