Wie bereits in unserem letzten Text vom Freitag (1) erklärt, erwarten wir ab sofort einen größeren Einsatz gegen unser Haus. Das anfangs lächerliche Brandschutzthema hat zu Entwicklungen geführt, die den Fortbestand der Rigaer94 als (teil-)besetzten Raum in höchste Gefahr bringen. Wir wollen hiermit erläutern, was juristisch passiert ist, was wir konkret erwarten und was wir jetzt tun können, um diesen Ort und die dahinterstehende Idee zu verteidigen.
Neues Urteil bezüglich der Rechtsvertretung und der Hausverwaltung
Während des letzten Angriffes auf unser Haus im Sommer 2020 hat das Duo Luschnat und Bernau umfassende Informationen über das Haus gesammelt. Trotz damals geltender Gerichtsbeschlüsse, die ihre Vertretungsvollmachten für die Lafone Ltd. einstimmig für ungültig erklärt hatten, hatte die Einsatzleitung der Polizei den Beiden Zutritt zu weiten Teilen des Hauses gegeben. Vorwand der ganzen Aktion waren Durchsuchungsbeschlüsse für zwei Wohnungen wegen angeblichem Sozialbetrug bzw. der Suche nach einem Laserpointer. Luschnat und Bernau, die in den Einsatz integriert waren, haben aus ihren gewonnen Informationen eine Liste mit angeblichen Brandschutzmängeln erstellt. Auch die Polizei hat mit dieser Zielrichtung das Haus dokumentiert.
Als mit der erfolgreichen Installation einer neuen Tür durch die Rigaer94 und der dadurch möglichen Ausschließung von Bernau und Luschnat der gesamte Einsatz kollabierte, versuchte das Duo 28 hier gemeldete Personen darauf zu verklagen, ihnen wieder Zutritt gewähren zu müssen. Dies schlug erneut wegen fehlender Prozessbevollmächtigung fehl.
In den folgenden Monaten wurden zunächst die polizeilichen Dokumente angeführt, um angebliche Brandschutzmängel öffentlich zu thematisieren. Im November erhielten wir ein Brandschutzgutachten durch einen von uns beauftragten und durchs Haus geführten Brandschutzgutachter. Dabei ging es um einfach zu behebende Dinge, deren Sinnhaftigkeit in Fragen der Sicherheit für die Nutzer*innen des Hauses unstrittig waren. Mit der Beseitigung der Mängel wurde der ins Rollen kommenden Propaganda, das Haus sei eine Todesfalle, nur vermeintlich das Wasser abgegraben. Die bekannten Akteur*innen aus Presse und Politik setzten ihre heuchlerische Kampagne unbeirrt fort, mit dem klaren Ziel, das Haus als Ort der rebellischen Strukturen zu zerschlagen. Mit unserer Veröffentlichung im Rahmen der Intervention bei Florian Schmidt haben wir erneut klar gemacht, dass ein (bezirklicher) Brandexperte das Haus begutachten hätte können. Dies war nie ein Problem gewesen – so hatten wir auch schon 2016 gehandelt, als ein Brandgutachter dem Haus einen guten Brandschutz bescheinigte. Es wäre jederzeit möglich gewesen, das Thema zu beenden, doch dazu kam es nicht. Florian Schmidt, dem die Liste von Bernau-Luschnat zugespielt wurde, kontaktierte stattdessen im Dezember über das genannte Duo die britische Briefkastenfirma Lafone Limited, die im Grundbuch als Eigentümerin der Rigaer94 eingetragen ist. Er forderte diese dazu per Frist auf, die von ihnen selbst erstellte Liste mit „Mängeln“ durch einen selbst beauftragten und bezahlten, staatlich zertifizierten Branschutzexperten überprüfen zu lassen und, falls von diesem für notwendig erachtet, umgehend beseitigen zu lassen. Damit hat Florian Schmidt als einziger Akteur mit Entscheidungsbefugnissen in diesem Fall entgegen geltender Rechtssprechung die Vertretung der Lafone Ltd. durch Bernau und Luschnat anerkannt.
Die Liste mit angeblichen Mängeln ist riesig. Absurd – aber nicht neu (2) für uns – ist, dass die Mängel unter anderem aus den zerstörerischen Einsätzen gegen unser Haus resultieren. Highlight dabei ist die Bemängelung eines Deckendurchbruchs in einer Wohnung. Dieser Durchbruch stammt von der Luschnat-Gang, die im Sommer unter den Augen der Bullen mit brachialer Gewalt versuchten, durch den Dachboden in eine Mietwohnung im Vorderhaus zu gelangen. Als sie durch die Decke durch waren, warfen sie von oben Glasflaschen in Richtung des Mieters (Fotos unter dem Text). Kurt Wansner von der CDU hat sich im Innenausschuss wiederholt auf diesen Deckendurchbruch bezogen, um eine Kaminwirkung im Falle eines Feuers herbeizufantasieren. Zum Zeitpunkt seiner Brandstifterreden war das Loch längst repariert.
Der Politik der Rechtssicherheit scheinbar wieder folgend, lehnte die Polizeiführung unter Innensenator Geisel das Amtshilfeersuchen von Luschnat und Bernau ab, die natürlich ihren Willen zum erneuten Sturm auf die Rigaer94 artig angemeldet hatten. Zu diesem Zeitpunkt kam die Macht des Geldes ins Spiel. Das Duo und eventuelle Hintermänner investierten in den Nobelanwalt v. Aretin und einen in Oxford promovierten Experten der Immobilienmafia aus der Leuphana-Universität Lüneburg, Prof. Dr. Alexander Schall. Letzterer arbeitete ein Gutachten mit dem Ziel aus, die Vertretungsbevollmächtigung von Luschnat und Bernau vor Gericht zu legitimieren. Dabei geht es im Kern um die Frage, wie eine Briefkastenfirma in einem Steuerparadies mit einem aus dem Nichts kommenden, gekauften Direktor als einzige reale Person die Hoheit über ein Haus in Berlin haben kann. Der Nobelanwalt v. Aretin zog damit vor Gericht, um dem vielfach ersehnten erneuten Polizeieinsatz als Schutz für einen Brandschutzprüfer im Auftrag Luschnats eine legale Grundlage zu geben. Wir waren in diesem Verfahren nicht involviert, da es ausschließlich um Lafone Ltd. gegen Polizei Berlin ging. So kam es, dass ein Verwaltungsgericht in einem Eilverfahren plötzlich ganz anders entschied als sämtliche Gerichte zuvor. Zeitgleich fand ein Eilverfahren des Kammergerichts gegen wohl 28 Personen statt, welches diese praktisch zeitgleich dazu verurteilte, einem Brandgutachter Zutritt zum Haus zu verschaffen. Auch in diesem Verfahren waren wir komplett außen vor – bis jetzt wurde niemand als Beklagte*r angeschrieben oder von einer Verurteilung unterrichtet. Wir können nur vermuten, dass es die selben 28 hier gemeldeten Personen sind, die auch im Sommer verklagt werden sollten.
Was ist konkret zu erwarten?
Die früheren Gerichtsentscheidungen in den Räumungsverfahren gegen die Kadterschmiede, welche Bernau und Luschnat für nicht Vertretungsbevollmächtigt halten, sind nicht ungültig. Die kürzlichen Gerichtsentscheidungen werden jedoch – daran haben wir keinen Zweifel – dafür herhalten, dass ein Kommando des Duos, deren bezahltem Brandschutzprüfer, den Bullen und allen von ihnen ausgesuchten Begleiterscheinungen zum Sturm auf die Rigaer94 ansetzt. Alle, die anarchistische Ideen unterdrücken wollen und die Vernichtung der Rigaer94 als wichtigen Schritt in diese Richtung sehen, können sich im Moment auf die Entscheidung der beiden Gerichte berufen. Damit ist der Fall eingetreten, mit dem seit 2016 zu rechnen ist: nach gefühlt hundert erfolglosen Anläufen ist nun ein juristischer Versuch geglückt, gegen den zwar erneut Widerspruch eingelegt werden kann – allerdings ohne aufschiebende Wirkung.
Ebenfalls läuft momentan eine weitere Räumungsklage gegen die Kadterschmiede sowie die Räumlichkeiten des Jugendclubs Keimzelle vor dem Landgericht Berlin, deren Entscheidung in den nächsten Monaten anstehen und möglicherweise die juristische Situation wieder verändern wird.
Hier im Haus haben wir uns seit Montag darauf eingestellt, dass jeden Moment ein*e Gerichtsvollzieher*in an der Spitze des genannten Kommandos vor unserer schönen Tür (3) auftaucht und diese dann früher oder später mal wieder unter der brachialen Gewalt der Berliner Hundertschaften nachgeben muss. Die hauseigene Mängelliste Luschnats und Bernaus betrifft neben den „Gemeinschaftsflächen“ wie Hof, Treppenhäuser, Keller und Dachböden auch Teile des Hauses, die diese niemals zu Gesicht bekommen haben, darunter auch private – besetzte wie auch gemietete – Zimmer und Wohnungen. Die Gerichtsentscheidung hat selbst einfache Sachverhalte wie aus der Wand kommende Kabel zum Grund gemacht, den dahinter liegenden Räumlichkeiten eine Brandschutzprüfung aufzuerlegen. Vom Gutachter attestierte Mängel sollen außerdem sofort durch die Hausverwaltung beseitigt werden. Damit kann die gesamte Bande große Teile des Hauses laut richterlichem Beschluss sofort betreten. Wie weit die Kompetenzen von Lafone’s Brandschutzgutachter gehen, noch weitere Teile des Hauses spontan für prüfungswürdig erklären zu können, steht für uns in den Sternen. Jeder von ihm sofort zu behebende festgestellte Mangel würde einen Bautrupp auf den Plan rufen, der dann unverzüglich mit Arbeiten beginnen könnte. Die Dauer dieser Arbeiten obläge den Vorgaben der Invasoren. Zudem wäre damit zu rechnen, dass der Brandschutzgutachter Teile des Gebäudes für unbewohnbar erklärt – angesichts der politischen Zielrichtung der gesamten Aktion und ihrer Beteiligten halten wir das für nicht so abwegig.
Ein beliebig langer Baueinsatz würde einer Belagerung gleichkommen: private Schutztruppen müssten von staatlichen Schutztruppen geschützt werden, um keinen Kontrollverlust zu erleiden – wir erinnern uns an die drei Wochen im Sommer 2016. Ein wochenlanges Standoff ohne einfachen Ausweg wäre vorprogrammiert, das Kippen der öffentlichen Meinung zu einer Eskalation unter dem Vorwand des Brandschutzes durchaus vorstellbar.
Und das müssen wir tun
Als Teil verschiedener Kämpfe in dieser Stadt, die alle das Ziel eines herrschaftsfreien, selbstorganisierten Zusammenlebens verfolgen, meinen wir, dass es politisch bedeutsam ist, die Rigaer94 zu verteidigen. Der öffentliche Diskurs in den bürgerlichen Medien der letzten Jahre, sei es um den Brandschutz oder das Verhältnis zur Nachbarschaft, ist ein Versuch der Unterminierung der Solidarität, die in dieser Stadt besteht. Ähnlich wie bei der Zeltstadt in der Rummelsburger Bucht behaupten diejenigen, die ihre Stadt der Reichen aufbauen, wahlweise sie würden uns vor uns selbst beschützen oder man müsse die Allgemeinheit vor uns beschützen. Die Kämpfe, die wir entschlossen geführt haben, haben jedoch immer bewiesen, dass die Propaganda nicht zum erwünschten Erfolg geführt hat. Mit der Interkiezionalen ist es zudem gelungen, die vielen bedrohten Projekte in dieser Stadt zusammenzubringen und Widerstand gegen einen scheinbar übermächtigen Feind zu organisieren und auf die Straße zu tragen. Nicht mehr oder nicht weniger müssen wir auch tun, wenn heute, morgen oder die nächsten Tage ein großer, vielleicht entscheidender Kampf um das Haus in der Rigaer Straße 94 beginnt. Sollten unsere Gegner wirklich so verrückt sein, eine Räumung auf Raten zu beginnen, dann sollen sie sich, wie schon gesagt, an unseren Trümmern verschlucken. Jeder Vorstoß in der Rigaer94 muss ein Risiko bedeuten; unsere Ansage, dass es möglicherweise keine Sieger*innen geben wird, heißt nichts anderes, als dass wir Berlin ins Chaos stürzen wollen, wenn die Aggressionen nicht sofort beendet werden.
Freund*innen und Freunde, die Lage ist ernst aber nicht hoffnungslos. Bereitet euch gemeinsam mit uns vor auf Wochen der Belagerung, kollektiver Momente, nächtlicher Sirenengewitter, Rauch und Feuer. Momente der Defensive und Mutlosigkeit wollen bald von Momenten des Angriffs, der Freude und Tränen durchbrochen werden. Seien wir zärtlich und achtsam unter uns, doch beharrlich und aggressiv gegen unsere Gegner*innen!
Investor*innen-Träume platzen lassen!
Rigaer94 verteidigen!
Wir bereiten uns auf TagX vor – es kann jederzeit losgehen.
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